Wir sind Zeuge eines politischen Rollbacks, den viele noch immer nicht richtig fassen können: Bei Wahlen triumphieren Rechtspopulisten und Rassismus, Homophobie und religiöser Fundamentalismus sind auf dem Vormarsch. Angesichts einer schlechten Welt müssen auch die Intellektuellen die Umstände ihres Tuns einer kritischen Analyse unterziehen. Geoffroy de Lagasnerie fordert, die Bequemlichkeit des Rückzugs hinter die Wertfreiheit der Wissenschaft und die Autonomie der Kunst infrage zu stellen und sich unangenehme Fragen zu stellen: Rechtfertigt ein schön geschriebener Satz eine rassistische Aussage? Wem nützt die Wissenschaft? Nur wenn wir gegenüber diesen Problemen Stellung beziehen, können wir zu einem wirklich kritischen Denken beitragen.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 07.06.2018NEUE TASCHENBÜCHER
Kunst als
politischer Akt
Der Philosoph und Soziologe Geoffroy de Lagasnerie gehört mit Édouard Louis und Didier Eribon zu jenen Intellektuellen, die in den letzten Jahren das oppositionelle Denken in Frankreich maßgeblich prägten. Sein aktueller Essay ist eine Streitschrift wider die vermeintliche Neutralität von Kunst und Wissenschaft: ,L’art pour l’art‘ oder die Trennung von Wissen und Engagement seien eben keine reine Beschäftigung mit der Sache selbst, sondern immanent politische Akte, „unethische Entscheidungen für das Mitmachen“. Vor allem am Beispiel der Sozialwissenschaften und auf den Schultern von Horkheimer, Adorno, Foucault und Bourdieu begibt er sich auf die Suche nach einer zeitgemäßen Ethik für intellektuelle und kulturelle Lebensentwürfe. Seinen Vorbildern fügt er dabei nur punktuell Neues hinzu. Interessant ist vor allem, wie er ihre Ansätze gekonnt variiert und aktualisiert. Sicherlich vermag er seinen akademischen Stil nicht in dem Maße aufzubrechen, wie es sein Aufruf zur Zertrümmerung der akademischen Elfenbeintürme eigentlich erforderte. Doch tut dies der Verve seiner eindringlichen Analyse keinen Abbruch.
VOLKER BERNHARD
Geoffroy de Lagasnerie:
Denken in einer schlechten Welt. Aus dem Französischen von Felix Kurz. Matthes & Seitz, Berlin 2018. 120 Seiten,
15 Euro.
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Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Kunst als
politischer Akt
Der Philosoph und Soziologe Geoffroy de Lagasnerie gehört mit Édouard Louis und Didier Eribon zu jenen Intellektuellen, die in den letzten Jahren das oppositionelle Denken in Frankreich maßgeblich prägten. Sein aktueller Essay ist eine Streitschrift wider die vermeintliche Neutralität von Kunst und Wissenschaft: ,L’art pour l’art‘ oder die Trennung von Wissen und Engagement seien eben keine reine Beschäftigung mit der Sache selbst, sondern immanent politische Akte, „unethische Entscheidungen für das Mitmachen“. Vor allem am Beispiel der Sozialwissenschaften und auf den Schultern von Horkheimer, Adorno, Foucault und Bourdieu begibt er sich auf die Suche nach einer zeitgemäßen Ethik für intellektuelle und kulturelle Lebensentwürfe. Seinen Vorbildern fügt er dabei nur punktuell Neues hinzu. Interessant ist vor allem, wie er ihre Ansätze gekonnt variiert und aktualisiert. Sicherlich vermag er seinen akademischen Stil nicht in dem Maße aufzubrechen, wie es sein Aufruf zur Zertrümmerung der akademischen Elfenbeintürme eigentlich erforderte. Doch tut dies der Verve seiner eindringlichen Analyse keinen Abbruch.
VOLKER BERNHARD
Geoffroy de Lagasnerie:
Denken in einer schlechten Welt. Aus dem Französischen von Felix Kurz. Matthes & Seitz, Berlin 2018. 120 Seiten,
15 Euro.
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