Wie schreiben, wenn die Wörter im Mund zerfallen? Was tun, wenn das eigene Land nur noch für Tod und Zerstörung steht?
Die Schriftstellerin M., seit einigen Monaten im europäischen Exil, bricht ins Nachbarland auf - ein Festival hat sie zu Lesungen eingeladen. Die Reise ist voller Pannen: der vorgesehene Anschlusszug existiert nicht, das Ladekabel des Telefons geht verloren. Auf dem Grenzbahnhof in F. wartet niemand, der Kontakt zu den Veranstaltern ist abgebrochen.
Die Lage erfüllt sie mit Erleichterung. M. durchstreift die Stadt, und was ihr begegnet, sind lauter Freiheitsversprechen: ein Escape Room, ein Wanderzirkus, eine flüchtige Bekanntschaft - und am Ende die langersehnte Chance, ihre Identität loszuwerden und zu verschwinden. Aber kann das gelingen?
Die Geschichte spielt im Sommer 2023: Russlands Krieg gegen die Ukraine endet nicht. Metaphern und Anspielungen, von Thomas Hobbes bis Paul Bowles, durchziehen Stepanovas fesselnde, an Wahrnehmungen und Gedanken reiche Prosa. Hat sie, die Nabokov-Leserin, eine Einladung zur Selbst-Enthauptung geschrieben? Es bleibt an uns, den Leserinnen, ob wir ihren »Absprung« als Akt der Befreiung oder der Verneinung verstehen wollen.
Die Schriftstellerin M., seit einigen Monaten im europäischen Exil, bricht ins Nachbarland auf - ein Festival hat sie zu Lesungen eingeladen. Die Reise ist voller Pannen: der vorgesehene Anschlusszug existiert nicht, das Ladekabel des Telefons geht verloren. Auf dem Grenzbahnhof in F. wartet niemand, der Kontakt zu den Veranstaltern ist abgebrochen.
Die Lage erfüllt sie mit Erleichterung. M. durchstreift die Stadt, und was ihr begegnet, sind lauter Freiheitsversprechen: ein Escape Room, ein Wanderzirkus, eine flüchtige Bekanntschaft - und am Ende die langersehnte Chance, ihre Identität loszuwerden und zu verschwinden. Aber kann das gelingen?
Die Geschichte spielt im Sommer 2023: Russlands Krieg gegen die Ukraine endet nicht. Metaphern und Anspielungen, von Thomas Hobbes bis Paul Bowles, durchziehen Stepanovas fesselnde, an Wahrnehmungen und Gedanken reiche Prosa. Hat sie, die Nabokov-Leserin, eine Einladung zur Selbst-Enthauptung geschrieben? Es bleibt an uns, den Leserinnen, ob wir ihren »Absprung« als Akt der Befreiung oder der Verneinung verstehen wollen.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Nicht oft fragen sich Flüchtlinge, wieviel von der Gewalt und Gemeinheit ihrer Heimat in ihnen selbst steckt. Bei der russischen Autorin Maria Stepanova und ihrer Heldin M., die eine sehr ähnliche Lebensgeschichte teilen, ist das anders, erzählt Rezensentin Sonja Zekri. Sie leiden unter dem "Untier", von dem sie doch auch ein Teil sind. Und unter den Fragen, die man ihnen stellt. Das ändert sich erst, als M. durch Zufall in einer fremden Stadt strandet, wo niemand sie kennt. Plötzlich "unsichtbar", wird die Frau zur Abenteurerin, die einem Fremden folgt und sich einer Akrobatentruppe anschließt, so Zekri, die die literarische Finesse bewundert, mit der die preisgekrönte Lyrikerin Stepanova in ihrem Debütroman den Kontrollverlust der Heldin auf manchmal durchaus fantastische Weise illustriert. Zum Fürchten ist das nicht, lernt sie, denn wer die Heimat verliert, "dem stehen alle Wege offen".
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Stepanova ist eine Meisterin der Spiegel, die selbst der eingeübten Form der Autofiktion neue Tricks abgewinnen kann.« Sonja Zekri Süddeutsche Zeitung 20241121