Die Forschungsgeschichte zur Sprache im Nationalsozialismus ist reich an Hypostasierungen der Sprache und arm an Rekonstruktionen tatsächlicher Handlungsformen. Besonders zwei Themen sind wissenschaftlich noch nicht aufgearbeitet: die Erfolge der Nationalsozialisten bei der kommunikativen Herstellung von Einwilligung auf seiten der Bevölkerung und die deutschen Eingriffe in die sprachlich-kommunikativen Verhältnisse der besetzten Länder. Christoph Sauer untersucht diese Themenkreise mit linguistisch-handlungstheoretischen und diskursanalytischen Mitteln. Er entfaltet zunächst eine funktional-pragmatische Theorie der Inszenierung von Pressekommunikation, die die theoretischen Entwürfe antifaschistischer Positionen aufnimmt. Anschließend erarbeitet der Autor die Polyphonie der Texte, indem er die propositional-semantischen Realisierungsmittel als "Importe" betrachtet, für die ideologische, thematische, sprachpolitische und institutionelle Lesweisen rekonstruierbar gemacht werden. Am Beispiel des Reichskommissariats Niederlande und der "Deutschen Zeitung in den Niederlanden" wird vorgeführt, wie sich die Eingriffe in die sprachlichen Verhältnisse empirisch darstellen und wie sich die Verstrickung der Lesenden - am Beispiel von Hitlers Anspielungen auf die Ausrottung der Juden in elf Reden und Proklamationen - vollzieht.
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