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Einen feierlichen Ton wählt Siegfried Unseld im Eingangssatz seines ersten Briefs an Peter Handke: „ich freue mich, Ihnen mitteilen zu können, daß wir nach genauer Lektüre Ihres Manuskriptes uns entschieden haben, Ihre Arbeit in den Suhrkamp Verlag zu übernehmen.“ Mit diesem Schreiben vom August 1965 setzt eine Korrespondenz ein, in der nach annähernd 600 Briefen Peter Handke dem Verleger zum 75. Geburtstag gratuliert: „Du bist und warst wie selten einer zum stillen, wohltätigen Dasein und Mitgehen (und Vorausschwimmen) fähig.“ Über einen Zeitraum von mehr als 35 Jahren besprachen Peter Handke…mehr

Produktbeschreibung
Einen feierlichen Ton wählt Siegfried Unseld im Eingangssatz seines ersten Briefs an Peter Handke: „ich freue mich, Ihnen mitteilen zu können, daß wir nach genauer Lektüre Ihres Manuskriptes uns entschieden haben, Ihre Arbeit in den Suhrkamp Verlag zu übernehmen.“ Mit diesem Schreiben vom August 1965 setzt eine Korrespondenz ein, in der nach annähernd 600 Briefen Peter Handke dem Verleger zum 75. Geburtstag gratuliert: „Du bist und warst wie selten einer zum stillen, wohltätigen Dasein und Mitgehen (und Vorausschwimmen) fähig.“ Über einen Zeitraum von mehr als 35 Jahren besprachen Peter Handke und Siegfried Unseld das ihnen Wichtigste schriftlich: die Literatur, die Bücher, unterrichtete der Autor den Verleger von seinen Vorhaben, hielt Unseld schriftlich seine Eindrücke über die neuen Manuskripte fest, diskutierten beide Erscheinungstermin und Ausstattung von Büchern, Publikationsstrategien und Kritikerrezensionen. Am Leitfaden der intensiven Arbeit an und für Literatur eröffnet dieser Briefwechsel völlig neue Einsichten in die Bedingungen des Schreibens und der Verbreitung von Büchern, zeichnet die intellektuelle Biographie beider Korrespondenten, ihr unablässiges Arbeiten an neuen Ausdrucksformen sowie deren materiellen, geographischen, politischen und persönlichen Begleitumstände. Konflikte zwischen beiden sind unausweichlich – ebenso unausweichlich ist es, daß sie beigelegt werden, denn für Peter Handke wie für Siegfried Unseld gilt: allein die Literatur schafft Möglichkeiten eines freien Lebens, in dem Phasen des Glücks vorherrschen können.

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Autorenporträt
Peter Handke wird am 6. Dezember 1942 in Griffen (Kärnten) geboren. Die Familie mütterlicherseits gehört zur slowenischen Minderheit in Österreich; der Vater, ein Deutscher, war in Folge des Zweiten Weltkriegs nach Kärnten gekommen. Zwischen 1954 und 1959 besucht Handke das Gymnasium in Tanzenberg (Kärnten) und das dazugehörige Internat. Nach dem Abitur im Jahr 1961 studiert er in Graz Jura. Im März 1966, Peter Handke hat sein Studium vor der letzten und abschließenden Prüfung abgebrochen, erscheint sein erster Roman Die Hornissen. Im selben Jahr 1966 erfolgt die Inszenierung seines inzwischen legendären Theaterstücks Publikumsbeschimpfung in Frankfurt am Main in der Regie von Claus Peymann.

Seitdem hat er mehr als dreißig Erzählungen und Prosawerke verfasst, erinnert sei an: Die Angst des Tormanns beim Elfmeter (1970), Wunschloses Unglück (1972), Der kurze Brief zum langen Abschied (1972), Die linkshändige Frau (1976), Das Gewicht der Welt (1977), Langsame Heimkehr (1979), Die Lehre der Sainte-Victoire (1980), Der Chinese des Schmerzes (1983), Die Wiederholung (1986), Versuch über die Müdigkeit (1989), Versuch über die Jukebox (1990), Versuch über den geglückten Tag (1991), Mein Jahr in der Niemandsbucht (1994), Der Bildverlust (2002), Die Morawische Nacht (2008), Der Große Fall (2011), Versuch über den Stillen Ort (2012), Versuch über den Pilznarren (2013).

Auf die Publikumsbeschimpfung 1966 folgt 1968, ebenfalls in Frankfurt am Main uraufgeführt, Kaspar. Von hier spannt sich der Bogen weiter über Der Ritt über den Bodensee 1971), Die Unvernünftigen sterben aus (1974), Über die Dörfer (1981), Das Spiel vom Fragen oder Die Reise zum sonoren Land (1990), Die Stunde da wir nichts voneinander wußten (1992), über den Untertagblues (2004) und Bis daß der Tag euch scheidet (2009) über das dramatische Epos Immer noch Sturm (2011) bis zum Sommerdialog Die schönen Tage von Aranjuez (2012) zu Die Unschuldigen, ich und die Unbekannte am Rand der Landstraße (2016).

Darüber hinaus hat Peter Handke viele Prosawerke und Stücke von Schriftsteller-Kollegen ins Deutsche übertragen: Aus dem Griechischen Stücke von Aischylos, Sophokles und Euripides, aus dem Französischen Emmanuel Bove (unter anderem Meine Freunde), René Char und Francis Ponge, aus dem Amerikanischen Walker Percy.

Sein Werk wurde mit zahlreichen internationalen Preisen ausgezeichnet. Die Formenvielfalt, die Themenwechsel, die Verwendung unterschiedlichster Gattungen (auch als Lyriker, Essayist, Drehbuchautor und Regisseur ist Peter Handke aufgetreten) erklärte er selbst 2007 mit den Worten: »Ein Künstler ist nur dann ein exemplarischer Mensch, wenn man an seinen Werken erkennen kann, wie das Leben verläuft. Er muß durch drei, vier, zeitweise qualvolle Verwandlungen gehen.«

2019 wurde Peter Handke mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet.

Siegfried Unseld wurde am 28. September 1924 in Ulm geboren und starb am 26. Oktober 2002 in Frankfurt am Main. Nach dem Abitur wurde er im Zweiten Weltkrieg zum Kriegsdienst einberufen und war drei Jahre lang, bis 1945, als Marinefunker im Einsatz. Nach seiner Rückkehr absolvierte er beim Ulmer Aegis Verlag eine Lehre als Verlagskaufmann. 1947 erhielt er durch die Vermittlung von Professor Weischedel die erstrebte Zulassung an der Universität Tübingen und studierte dort Germanistik, Philosophie, Nationalökonomie, Völkerrecht, Bibliothekswissenschaften und Sinologie. Seinen Lebensunterhalt bestritt Unseld als Werkstudent. Bis 1950 arbeitete er im Verlag J. C. B. Mohr in Tübingen. 1951 promovierte er mit einer Dissertation über Hermann Hesse zum Dr. phil. 1952 trat er in den Suhrkamp Verlag ein, wurde 1958 Gesellschafter der Suhrkamp Verlag KG und übernahm nach dem Tod Peter Suhrkamps die Verlagsleitung. Neben seiner beruflichen Tätigkeit besuchte er 1955 das von Henry Kissinger geleitete Internationale Seminar der Harvard Universität in Cambridge/Mass. (USA). Unseld führte die Verlage Suhrkamp und Insel und den 1981 von ihm gegründeten Deutschen Klassiker Verlag bis zu seinem Tod im Jahr 2002.

Raimund Fellinger, geboren 1951 im Saarland, arbeitete nach Studium von Germanistik, Linguistik und Politikwissenschaft seit 1979 als Lektor im Suhrkamp Verlag, seit 2006 als Cheflektor. Er starb am 25. April 2020 in Frankfurt am Main.

Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.12.2012

Da zieht man die Autorenmütze

Heute wird Peter Handke siebzig Jahre alt. Pünktlich zum Festtag erscheint der Briefwechsel des Schriftstellers mit seinem Verleger Siegfried Unseld.

Am 26. Oktober 1994 eilt Siegfried Unseld nach Paris, um Peter Handke das erste Exemplar von dessen neuem Roman "Mein Jahr in der Niemandsbucht" zu überbringen. Ein Ritual wird vollzogen, dessen Bedeutung in Zeiten des E-Books kaum noch zu ermessen ist. Unseld, der über alle Gespräche, Erlebnisse und Vereinbarungen auf seinen Reisen genaue und oft sehr lesenswerte Aufzeichnungen anfertigte, hat das Ereignis in einem dieser legendären "Reiseberichte" festgehalten: "Zwanzig Minuten lang wurde kein Wort gewechselt. Er berührte, streichelte das Buch, den Umschlag, las den Klappentext vorne und hinten, studierte die Titelseite, tastete das Papier, das ihm sehr gefiel, roch daran, blätterte, las und nickte zustimmend. Schließlich: ,wunderbar'."

Dann ist die stumme Andacht vorüber, es beginnt das Gespräch und mit diesem der weniger angenehme Teil des Besuchs. Handke zeigt sich irritiert über die seiner Meinung nach zu geringe Startauflage des Romans. Nur zwanzigtausend? Warum nicht vierzigtausend? Unselds nüchterne Verweise auf die Gegebenheiten des damaligen Buchmarktes wischt die zarte Dichterhand entschlossen vom Tisch: Der Markt werde sich fügen. Dann geht es um den heiklen Punkt des Ladenpreises. Unseld schlägt 58 Mark vor, was Handke als "Zumutung" und "Unverschämtheit" empfindet. Er fordert einen "fairen Preis": 120 Mark. "So viel müsse man ausgeben für die Leistung, die er erbracht habe, und er sei sicher, es gäbe weit mehr als 20 000 Leute, die bereit seien, das zu bezahlen." Man einigt sich auf 78 Mark, einen für damalige Verhältnisse recht hohen Preis.

Vier Tage später erhält Unseld einen Brief. Sein Inhalt: nackte Wut. Der Verlag hatte statt der verabredeten zwölf Vorausexemplare für ausgewählte Redaktionen und Rezensenten nur drei verschickt - unter anderen an diese Zeitung und den "Spiegel", zwei Blätter, die der Dichter nicht sehr schätzt. Eine Panne also. Handkes höhnischer Kommentar: "Vor dieser neuerlichen verlegerischen Großtat kann ich nur meine Autorenmütze ziehen ..." Im beigefügten Vertrag ist nun ein entscheidender Passus geändert: Handke will die auf zehn Jahre verabredete Geltungsdauer auf sechs Jahre reduzieren und somit die Möglichkeiten des Verlags, mit dem Roman zu wirtschaften, erheblich einschränken. Eine Strafaktion.

Was kann ein Verleger in einer solchen Situation tun? Er lässt einige Tage verstreichen, dann berichtet er Handke von seiner erneuten Lektüre des Romans. Unseld verliert nicht viele Worte, denn er weiß, dass es im Grunde nur auf diesen einen Satz ankommt: "Peter, Du hast ein großes Buch geschrieben." Er verfehlt seine Wirkung nicht, es kommt zu einem Treffen, und am 18. Dezember zeigt Handke sich versöhnt: "Lieber Siegfried, es war wieder eine Warmherzigkeit da in Frankfurt, eine alte, neue."

Doch Warmherzigkeit ist ein flüchtiges Gut im Briefwechsel zwischen Siegfried Unseld und Peter Handke. Es gibt durchaus Momente innigen Einverständnisses, aber weit häufiger sind die Phasen kalten Ringens und kleinlichen Geplänkels. 611 Briefe haben die Herausgeber Raimund Fellinger und Katharina Pektor ausgewählt und kommentiert. Nach ihrer Lektüre könnte man meinen, Siegfried Unseld habe das Heimliche dieser Korrespondenz bereits in jenem ersten Brief formuliert, mit dem er Handke am 10. August 1965 mitteilte, dass der Suhrkamp Verlag sich entschieden habe, "Die Hornissen" zu publizieren: "Nun scheint mir freilich ein Gespräch über Einzelheiten erforderlich zu sein."

Über einen Zeitraum von 36 Jahren geht es nun immer wieder um Einzelheiten, um Fragen der Buchgestaltung und des Titels, um Druckfehler, Auflagen und Abrechnungen, Vorschüsse und Verträge. Es geht um Loyalität und Vertrauen und mehrfach auch darum, Krisen wie etwa die Serbien-Debatte zu überstehen oder sogar den drohenden Bruch zu verhindern. Zunächst versucht sich Unseld als Erzieher, gibt dem jungen Handke wirkungslos verpuffende Ratschläge im Umgang mit der Kritik ("Jeder Kritiker hat das Recht, seine Meinung zu äußern, und insofern sie nicht ehrenrührig ist, ist jeder, der an die Öffentlichkeit tritt, angehalten, diese Kritik auch anzunehmen"), mahnt zu Genauigkeit in Vertragsdingen, ermuntert mit den schönsten Folgen zu gelegentlicher Übersetzertätigkeit und gibt dem selbstgewissen jungen Dichter auch schon mal zu verstehen, dass die Perspektive eines gut fünfzehn Jahre älteren Verlegers auch ihre Vorzüge haben kann: "Ich halte es mit der Pranke des Löwen, mit der Kraft des Dichters, der immer wieder Formen zerbricht und neue schafft", schreibt Unseld am 31. Januar 1967.

Doch mit dem rasant sich entwickelnden Erfolg Handkes ändert sich der Ton: Der Dichter nörgelt, der Verleger muntert auf. Der Dichter schmollt, der Verleger wirbt. Der Dichter zürnt, der Verleger glättet die Wogen. Fast nie begehrt Unseld auf, nur einmal, 1993, protestiert er deutlich gegen das "Rollenspiel, in dem es fettgedrucktes Gesetz ist, ausschließlich nach Verletzung und Wahrheit des einen Protagonisten zu fragen".

Wie schon im 2010 erschienenen Briefwechsel zwischen Unseld und Thomas Bernhard verblüfft auch hier wieder, in welchem Ausmaß Siegfried Unseld zu Geduld, Diplomatie und Selbstverleugnung im Dienste von Verlag und Literatur imstande war. Neben dem Einfühlungsvermögen des Verlegers scheint die Sensibilität der Dichter zusammenzuschrumpfen bis auf die reine Ich-Bezogenheit. Doch einen gewichtigen Unterschied gibt es: Während Bernhard sein erpresserisches Spiel nicht ohne Lust an der Grausamkeit betrieb, agiert Handke eher mit der Freudlosigkeit der passiv-aggressiven Ehefrau: Spaß macht ihm die Streiterei ja auch nicht, aber er kann nun mal nicht anders.

Und tatsächlich spricht Handke schon früh und offen von seiner "blöden Empfindlichkeit" und einer unseligen Lust an der Entzweiung. Dass trotz alledem eine Freundschaft entstand, wird in dieser Korrespondenz nie mit pathetischen Worten beschworen, aber doch deutlich - und nie deutlicher als in jenem Brief, den Peter Handke am 21. September 1999 an Siegfried Unseld richtete. In seinem Gruß zum 75. Geburtstag des Verlegers schrieb Handke, der heute siebzig Jahre alt wird, dass er in Siegfried Unseld nicht nur seinen Verleger, sondern auch seinen Leser gefunden habe: "Der Leser erzählte mir mein Manuskript, und erst danach, lange danach, sprach der Verleger darüber."

Dass Handke den Leser Unseld und den Verleger Unseld nicht so wahrnehmen konnte, wie dieser wahrgenommen werden wollte - als Einheit -, das war für den Patriarchen nichts Neues. Überrascht aber hat ihn womöglich ein Satz aus diesem schönen Brief, mit dem Handke zeigte, dass ihm in all den Jahren durchaus nicht entgangen war, wie Unseld darum ringen musste, als Verleger das Geschäft und die Kunst, "aktives und anschauendes Leben" miteinander zu vereinen: "Vielleicht glaubt's nicht jeder: doch Du bist und warst wie selten einer zum stillen, wohltätigen Dasein und Mitgehen (und Vorausschwimmen) fähig."

HUBERT SPIEGEL

Peter Handke, Siegfried Unseld: "Der Briefwechsel".

Hrsg. von Raimund Fellinger und Katharina Pektor. Suhrkamp Verlag, Berlin 2012. 700 S., geb., 39,95 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Erhellend findet Leopold Federmair die nun gesammelt vorliegende, 37 Jahre umspannende Korrespondenz Peter Handkes mit seinem Verleger und dies vor allem auch im Lichte weiterer Veröffentlichungen zu Leben und Werk des Autors anlässlich dessen 70. Geburtstags, die Federmair in seiner großzügigen Schilderung der gemeinsamen Stationen von Handke und Unseld im einzelnen als Beleg und Exkursmöglichkeit anführt. Ein Vergleich mit Unselds Briefwechsel mit Thomas Bernhard bietet sich überdies an: Der Handke-Band fällt nicht ganz so dramatisch und witzig wie dieser aus, urteilt der Rezensent, doch gestattet er ebenso wertvolle Einblicke in das "schöpferische Innen- und Außenleben" des Autors sowie in dessen zuweilen krisenhaftes Verhältnis zu Unseld. Diesem attestiert Federmair ein gutes Gespür für Handkes Auf und Ab, wie er insbesondere anhand dessen Umgang mit Handkes Lebens- und Schaffenskrise 1978 belegt.

© Perlentaucher Medien GmbH
»In [Handkes] Briefen [geht] es fast ausschließlich um ihn und seine Empfindlichkeiten. Es führt aber doch zum Kern von Handkes Wahrnehmungs- und also Schreibkunst.« Volker Weidermann Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung 20121202
»Nicht nur psychologisch und kreativitätspsychologisch jedoch ist dieser Briefroman spannend. Man kann ihn vielfaltig lesen: als Zeitroman der sechziger und siebziger Jahre, als Porträt eines Ausgewanderten, als Reiseliteratur, als Beispiel lebenspraktischer Gewinnung von Welt und Überwindung von Provinzialität, als Bildungsroman.«