Catherine Maurer blickt in diesem Buch auf die über einhundertjährige Geschichte des Deutschen Caritasverbandes e.V. zurück. Die Untersuchung, die sowohl die Methoden der Kirchen- und Sozialgeschichte als auch der Verbandsgeschichte einbezieht, stellt drei Charakteristika für das Wirken dieses großen kirchlichen Wohlfahrtsverbandes heraus: die Wahrung der konfessionellen Identität, die Entwicklung wissenschaftlicher Methoden (Caritaswissenschaft) und den Aufbau einer effizienten Organisation. Die Autorin beschreibt die Jahre der langwierigen Etablierung des Verbandes vor dem Ersten Weltkrieg und macht deutlich, wie sehr die Zeit der Weimarer Republik für seine Verwurzelung im dualen System der deutschen Wohlfahrtspflege entscheidend war. Das Buch zeigt somit einige der Voraussetzungen für das Überleben des Verbandes während des Dritten Reiches und trägt zum Verständnis seiner wichtigsten, auch heute noch geltenden Grundorientierungen bei.
Rezensionen aus dem Archiv für Sozialgeschichte online von Christoph Kösters (Im Original zu erreichen unter http://library.fes.de/fulltext/afs/htmrez/80992.htm)
Die Geschichte des deutschen Wohlfahrtsstaates von seinen Anfängen in der Kaiserzeit ist mittlerweile gut untersucht. Das gilt auch für die freie Wohlfahrtspflege und die Bedeutung, die den christlichen Kirchen als ihr Träger zukam. Auch kirchen- und katholizismusgeschichtlich ist das Feld der Caritas inzwischen abgesteckt. Auffällig blieb indes das Fehlen einer Geschichte des Deutschen Caritasverbandes (DCV), jener katholischen Dachorganisation, die seit ihrer Gründung 1897 die zahlreichen katholischen Aktivitäten bündelt, koordiniert und maßgeblich steuert.
Diese Lücke schloss bereits 1995 Catherine Maurers bei Jean-Marie Mayeur an der Pariser Sorbonne eingereichte Dissertation ,,Le catholicisme caritatif dans l`Allemagne du XXe siècle: le Deutscher Caritasverband entre affirmation confessionnelle et exigence scientifique". Ihre Kenntnis blieb jedoch auf einen kleinen Kreis von Spezialisten begrenzt. Die nunmehr vorliegende Übersetzung ermöglicht breiten Kreisen einen historisch ausgesprochen kundigen und sprachlich gelungenen Einblick in eine Caritasgeschichte, der in bester Tradition der französischen Sozial- und Mentalitätsgeschichtsschreibung steht. Für die deutschsprachige Ausgabe wurde das abschließende Literaturverzeichnis durch die wesentlichen, seit 1995 erschienenen Veröffentlichungen ergänzt.
Das Ziel der Untersuchung ist ebenso klar umrissen wie ambitioniert: Die Geschichte des DCV wird sowohl aus katholizismus- und wohlfahrtsgeschichtlicher als auch organisations- und wissenschaftsgeschichtlicher Perspektive untersucht. Über die übliche Verbandsgeschichte geht dieser Ansatz weit hinaus. Der DCV wird als Teilgeschichte des katholischen Milieus, seiner Strukturen und agierenden Eliten, seiner Konflikte und Soziologie sowie der identitätsstiftenden religiösen und wissenschaftlichen Selbstreflexion beschrieben und analysiert. Dazu stützt sich die Autorin auf ein breites Fundament der gut erhaltenen Archivüberlieferung des Verbandes und wertet dessen umfangreiches Schrifttum aus.
Die Studie ist chronologisch angelegt und klug gegliedert. Die Vorzüge der umfassenden sozial- und mentalitätsgeschichtlichen Perspektive werden auf Anhieb erkennbar: Das Gründungsjahr 1897 ist zwar ein bedeutsamer, aber nicht wesentlicher Einschnitt in der Geschichte des DCV. Der entscheidende Aufschwung des Verbandes ist mit dem Ersten Weltkrieg verknüpft, mit dem entsprechend auch der zweite Teil (S. 147-257) einsetzt. Im ersten Teil (S. 21-146) werden die Voraussetzungen analysiert, die eine Verbandsgründung erst ermöglichten. Im Ergebnis präsentiert Maurer keine lineare ,,Erfolgsgeschichte", sondern eine von zahlreichen strukturellen und mentalen Bedingungen ebenso wie von personellen Konstellationen abhängige Entwicklung, die gerade in der Entstehungsphase an Blockaden durch die kirchliche Hierarchie durchaus auch hätte scheitern können.
Nach einer konzentrierten einleitenden Skizzierung von Forschungsstand und Fragestellung werden im historischen Längsschnitt jene gesellschaftlichen und kirchlichen Entwicklungen beschrieben, die in Deutschland zur Gründung und Etablierung eines katholischen Dachverbandes für die vielfältigen caritativen Bewegungen und Organisationen führten. Die vielfältige katholische ,,caritative Renaissance" (S. 23) seit Beginn des 19. Jahrhunderts, die ohne Anstöße der kirchlichen Hierarchie erfolgte, war die entscheidende historische Voraussetzung. Diese Entwicklung war keineswegs spezifisch katholisch. Vielmehr nahm sie Impulse v. a. aus Frankreich auf und erfolgte in Deutschland im konkurrierenden Austausch mit protestantischen und philantropischen Bewegungen. Alle verband die Vorstellung, die auf der Schattenseite der Industrialisierung entstehende soziale Armutsfrage nicht nur als soziale oder politisc
Die Geschichte des deutschen Wohlfahrtsstaates von seinen Anfängen in der Kaiserzeit ist mittlerweile gut untersucht. Das gilt auch für die freie Wohlfahrtspflege und die Bedeutung, die den christlichen Kirchen als ihr Träger zukam. Auch kirchen- und katholizismusgeschichtlich ist das Feld der Caritas inzwischen abgesteckt. Auffällig blieb indes das Fehlen einer Geschichte des Deutschen Caritasverbandes (DCV), jener katholischen Dachorganisation, die seit ihrer Gründung 1897 die zahlreichen katholischen Aktivitäten bündelt, koordiniert und maßgeblich steuert.
Diese Lücke schloss bereits 1995 Catherine Maurers bei Jean-Marie Mayeur an der Pariser Sorbonne eingereichte Dissertation ,,Le catholicisme caritatif dans l`Allemagne du XXe siècle: le Deutscher Caritasverband entre affirmation confessionnelle et exigence scientifique". Ihre Kenntnis blieb jedoch auf einen kleinen Kreis von Spezialisten begrenzt. Die nunmehr vorliegende Übersetzung ermöglicht breiten Kreisen einen historisch ausgesprochen kundigen und sprachlich gelungenen Einblick in eine Caritasgeschichte, der in bester Tradition der französischen Sozial- und Mentalitätsgeschichtsschreibung steht. Für die deutschsprachige Ausgabe wurde das abschließende Literaturverzeichnis durch die wesentlichen, seit 1995 erschienenen Veröffentlichungen ergänzt.
Das Ziel der Untersuchung ist ebenso klar umrissen wie ambitioniert: Die Geschichte des DCV wird sowohl aus katholizismus- und wohlfahrtsgeschichtlicher als auch organisations- und wissenschaftsgeschichtlicher Perspektive untersucht. Über die übliche Verbandsgeschichte geht dieser Ansatz weit hinaus. Der DCV wird als Teilgeschichte des katholischen Milieus, seiner Strukturen und agierenden Eliten, seiner Konflikte und Soziologie sowie der identitätsstiftenden religiösen und wissenschaftlichen Selbstreflexion beschrieben und analysiert. Dazu stützt sich die Autorin auf ein breites Fundament der gut erhaltenen Archivüberlieferung des Verbandes und wertet dessen umfangreiches Schrifttum aus.
Die Studie ist chronologisch angelegt und klug gegliedert. Die Vorzüge der umfassenden sozial- und mentalitätsgeschichtlichen Perspektive werden auf Anhieb erkennbar: Das Gründungsjahr 1897 ist zwar ein bedeutsamer, aber nicht wesentlicher Einschnitt in der Geschichte des DCV. Der entscheidende Aufschwung des Verbandes ist mit dem Ersten Weltkrieg verknüpft, mit dem entsprechend auch der zweite Teil (S. 147-257) einsetzt. Im ersten Teil (S. 21-146) werden die Voraussetzungen analysiert, die eine Verbandsgründung erst ermöglichten. Im Ergebnis präsentiert Maurer keine lineare ,,Erfolgsgeschichte", sondern eine von zahlreichen strukturellen und mentalen Bedingungen ebenso wie von personellen Konstellationen abhängige Entwicklung, die gerade in der Entstehungsphase an Blockaden durch die kirchliche Hierarchie durchaus auch hätte scheitern können.
Nach einer konzentrierten einleitenden Skizzierung von Forschungsstand und Fragestellung werden im historischen Längsschnitt jene gesellschaftlichen und kirchlichen Entwicklungen beschrieben, die in Deutschland zur Gründung und Etablierung eines katholischen Dachverbandes für die vielfältigen caritativen Bewegungen und Organisationen führten. Die vielfältige katholische ,,caritative Renaissance" (S. 23) seit Beginn des 19. Jahrhunderts, die ohne Anstöße der kirchlichen Hierarchie erfolgte, war die entscheidende historische Voraussetzung. Diese Entwicklung war keineswegs spezifisch katholisch. Vielmehr nahm sie Impulse v. a. aus Frankreich auf und erfolgte in Deutschland im konkurrierenden Austausch mit protestantischen und philantropischen Bewegungen. Alle verband die Vorstellung, die auf der Schattenseite der Industrialisierung entstehende soziale Armutsfrage nicht nur als soziale oder politisc