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Die Perspektive eines deutschen Soziologen
Johannes Berger ist emeritierter Soziologe an der Universität Mannheim. Er zählt seit Jahren zur Minderheit der deutschen Soziologen, die Kenntnis von und Interesse an ökonomischen Theorien haben, die glauben, dass Ökonomen und Soziologen voneinander lernen können - vor allem Soziologen von Ökonomen. Hier legt er eine Analyse von Markt und Marktwirtschaft vor, die in neun Kapiteln auf früher publizierten Aufsätzen aufbaut. Vor allem in den letzten beiden Kapiteln ist die Überarbeitung nicht gründlich genug gewesen, um lästige Wiederholungen zu vermeiden. Aber man sollte die Bewertung des Buches nicht davon abhängig machen.
Berger sieht in freien Märkten einen Steuerungsmechanismus mit großem Leistungspotential. Märkte sind für ihn offene soziale Beziehungen. Sie sind effizient und lenken Ressourcen in die ertragreichste Verwendung, sie sichern "den schonenden Umgang mit der Ressource Altruismus", sie versöhnen individuelle und gemeinsame Interessen. Während das erste Kapitel Soziologen in ökonomische Grundgedanken einführt, werden im zweiten bis siebten Kapitel soziologische Standardthemen wie Solidarität, Gleichheit und Gerechtigkeit behandelt. Berger vertritt den Standpunkt, dass der gesellschaftliche Solidaritätsbedarf eine "historisch variable Größe" und in Marktwirtschaften geringer als anderswo ist, dass man den Gestaltwandel der Solidarität nicht mit deren Abbau verwechseln sollte.
Die Ausführungen zu Gleichheit und Gerechtigkeit unterscheiden zwischen scheinbarer und echter Ungleichheit, so beim Einkommensvergleich von Professoren und Hilfskräften, wo der Ausgangspunkt bei zwanzig zu eins liegt. Nach Berücksichtigung relevanter Faktoren (Arbeitszeit, Ausbildung, Familienstand, Steuerbelastung) ist der größte Teil des Unterschiedes verschwunden. Für Berger bauen offene Wettbewerbsmärkte Ungleichheiten tendenziell ab. Im siebten Kapitel wird das am Beispiel der Globalisierung illustriert. Für Einkommensunterschiede macht Berger soziale Schließungstendenzen und unterschiedliche Anfangsausstattungen verantwortlich. Während er gegenüber ökonomischen Erkenntnissen sehr offen ist, scheut er vor Einbeziehung der Erkenntnisse der Psychologie zurück.
In den beiden letzten Kapiteln und teilweise auch im fünften vertritt Berger die Auffassung, dass Institutionen zwar über die Anreize wesentlich die wirtschaftliche Entwicklung beeinflussen. Er gibt aber zu bedenken, dass die Institutionenökonomik mit ihrer Betonung der Eigentumsrechte das kulturelle Klima von Gesellschaften und dessen Beitrag zum technischen Fortschritt vernachlässigt. Neben den Eigentumsrechten möchte Berger Aufklärung, Säkularisierung und die Verbreitung des wissenschaftlichen Weltbildes für die erstmalige Überwindung der Massenarmut im Westen verantwortlich machen. Das ist ein diskussionswürdiger, aber zu skizzenhaft vorgetragener Gedanke.
Das Buch ist sehr lesenswert. Soziologen profitieren vom Nachhilfeunterricht in Ökonomik. Ökonomen bietet das Buch die Außenansicht ihres Faches durch einen Sympathisanten. Außerdem haben Ökonomen wie Friedrich von Hayek darauf hingewiesen, dass man nicht nur Ökonomik verstehen sollte, um ein guter Ökonom zu sein.
ERICH WEEDE
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
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