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Eine Warnung vor Draghi aus österreichischer Sicht
Markus Krall ist promovierter Volkswirt mit langjähriger praktischer Erfahrung in der Banken- und Versicherungswirtschaft. Er ist überzeugter Anhänger von Marktpreisen, die Knappheiten anzeigen und Anreize zu deren Überwindung setzen. Politische Eingriffe in die Preisgestaltung sind meist schädlich und führen die Akteure systematisch in die Irre. Das gilt auch für den Preis des Geldes, den Zins, den die Europäische Zentralbank (EZB) nach Auffassung Kralls nach unten manipuliert. Nach Krall sind wir auf dem Weg von der Marktwirtschaft in die Planwirtschaft. Für eine Marktwirtschaft sollte eine Staatsquote in der Nähe von 25 Prozent reichen.
Mit einem Churchill-Zitat deutet Krall an, dass man den Rechtsstaat nicht nur mit zu wenig, sondern mehr noch mit zu vielen Gesetzen untergraben kann. Er erinnert auch daran, dass der Rechtsstaat nicht nur die Bürger, sondern auch die Staatsgewalt einschränken sollte. Ohne die Möglichkeit von Marktversagen zu leugnen, besteht Krall doch darauf, dass die Wissensvoraussetzungen für erfolgreiche Planwirtschaft nie gegeben sind. Menschen machen Fehler, Banker auch. Vor allem bei Großbanken entsteht daraus das Problem des "too big to fail". Aber keine Bank kann Fehlentscheidungen mit vergleichbarer Tragweite wie Zentralbanken fällen, in Europa also die EZB.
Die EZB ist problematisch konstruiert. Die Stimmrechte sind völlig unabhängig von den Haftungspflichten. Deutschland haftet viel, aber Malta oder Zypern haben das gleiche Stimmgewicht, ohne in vergleichbarem Ausmaß haften zu können. Die Mehrheit liegt bei den wirtschaftlich schwachen und hilfsbedürftigen Ländern. Die EZB-Politik hat in Wesentlichen zwei kurzfristige und einen langfristigen Effekt: Kurzfristig führt das - genau wie die Rettungsmaßnahmen des ESM und die Targetkredite - zu einer innereuropäischen Umverteilung von Ländern mit positiven Handelsbilanzen und relativ soliden Haushalten, wie Deutschland und den Niederlanden, hin zu den mediterranen Ländern mit negativen Handelsbilanzen und Haushaltsdefiziten.
Außerdem kauft es tatsächlich Zeit für die Südländer, aber nicht um notwendige Reformen endlich anzupacken, sondern um diese auf die lange Bank zu schieben. Langfristig müssen nach Krall die Politik der EZB und die Euro-Rettung Europa in die Katastrophe führen, wobei allerdings die Reihenfolge von Deflation und Hyperinflation genau wie deren voraussichtliche Zeitpunkte unklar bleiben. Auch die positive Nebenwirkung des für die ehemaligen Hartwährungsländer unterbewerteten Euros, die Exporterleichterung, hält Krall eher für ein Problem als für einen Segen. Häufige kleinere Aufwertungen der D-Mark waren für die Exportindustrie leichter verkraftbar, als es eine große Aufwertung der neuen D-Mark nach dem Crash und Ende des Euros sein könnte.
Auch kurzfristig kann - immer nach Krall - die Politik der EZB nicht erfolgreich sein. Denn sie weitet zwar die Zentralbankgeldmenge kräftig aus, aber die Niedrigzinspolitik gefährdet die Stabilität vieler europäischer Banken und reduziert deren Fähigkeit zur Kreditvergabe. Weil die Buchgeldmenge wesentlich größer als die Zentralbankgeldmenge ist, nützt die Ausweitung der Zentralbankgeldmenge wenig zur Deflationsbekämpfung, wenn sie von einem Rückgang der Buchgeldmenge begleitet wird. Haupteffekt der Geldpolitik ist bisher die Vermögenspreisinflation, die nur den Vermögenden (bisher) nutzt und damit indirekt den oft beklagten Zuwachs der Populisten fördert.
Ähnlich unproduktiv sind die Regulierung der europäischen Banken und die Stresstests. Das kostet zwar eine Menge Geld und beschäftigt die Banken auf unproduktive Weise, bringt aber wenig. Am deutlichsten sieht man das bei Stresstests. Bestandene Tests schließen nicht aus, dass eine Bank schon kurze Zeit später am Rand des Abgrunds steht. Die Nullzinspolitik erleichtert zwar jetzt angeschlagenen Unternehmen das Überleben, das Ende der Nullzinspolitik würde dann aber eine umso größere Pleitewelle auslösen. Die würde über Kreditausfälle auf die ohnehin angeschlagenen Banken zurückwirken.
Neben Vorwort, Prolog und Epilog besteht das Buch aus acht Kapiteln, wovon die ersten sechs die oben angedeuteten Gedanken entwickeln und das siebte Deutschland mit einem Hedgefonds vergleicht, der alles auf eine Karte setzt, nämlich das zweifelhafte Überleben des Euros. Das letzte Kapitel beschreibt einen Weg aus der Falle, den die Politik aber nicht gehen wird und nicht will. Elemente des Auswegs wären ein "debt for equity swap", ein Abbau der die Kosten treibenden Bankenregulierung, auch eine Änderung des Arbeitsrechts, damit die Banken zur Kostensenkung Mitarbeiter leichter entlassen können, Reformen bei der EZB und den Target-Verbindlichkeiten, generell mehr wirtschaftliche Freiheit und weniger Planwirtschaft in Europa.
Das Buch will zumindest stellenweise eine Polemik und keine wissenschaftliche Auseinandersetzung sein. Auch wer eher mit österreichisch als keynesianisch inspirierten Theorien sympathisiert, kann dennoch befürchten, dass Krall einen besseren Blick für die Schwächen und Ungewissheiten hat, die mit der keynesianisch beeinflussten EZB-Politik verbunden sind, als für die Ungewissheiten der eigenen Vorstellungen. Weil Krall die dominante Richtung des wirtschaftlichen Denkens kritisiert und im Interesse des Erkenntnisfortschritts gerade dominante Paradigmata Kritik benötigen, weil das krankhafte Konsensbedürfnis der politischen Korrektheit zunehmend die Wissenschaft infiziert und gefährdet, darf man allerdings hoffen, dass der stellenweise schrill geratene Weckruf Kralls die Politik und die Wissenschaft an die Ungewissheit und Unsicherheit ökonomischer Theorien erinnert. Kralls Überzeugung, dass die Anhäufung von Schulden und die Übernahme der Haftung für fremde Schulden ohne Obergrenze eine dubiose Vorbereitung auf eine unsichere Zukunft ist, hat die Plausibilität für sich. ERICH WEEDE
Markus Krall: Der Draghi-Crash. Die Geldpolitik als Wegbereiter der finanziellen Katastrophe. München 2017. FinanzBuch Verlag, 180 Seiten, 17,99 Euro.
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