Diplomarbeit aus dem Jahr 2007 im Fachbereich Ethnologie / Volkskunde, Note: 2, Ludwig-Maximilians-Universität München (für Deutsche und vergleichende Volkskunde), Sprache: Deutsch, Abstract: In den meisten Märchen der BRÜDER GRIMM mit weiblichen Märchenhelden wird in irgendeiner Form der schwierige Prozess des Reifwerdens der Protagonistinnen thematisiert. Die Mädchen und jungen Frauen befinden sich entweder im pubertären Alter oder in der Entwicklungsphase und Ausbildung zur heiratsfähigen Frau, wobei "heiratsfähig" nicht allein das Alter der Frau meint, sondern vielmehr auf ihre innere bewusste und unbewusste Auseinandersetzung mit sich selbst hindeutet. Während dieses kurzen Ausschnitts in dieser wichtigen Lebensphase passieren auf recht unterschiedliche Art und Weise alle entscheidende Dinge für das weiter Leben der Mädchen: So schlafen sich die passive Dornröschen- und Schneewittchenfigur (KHM 50, KHM 53) gewissermaßen in den Hafen der Ehe hinein, ein Rapunzel (KHM 12) kann in völliger Abgeschiedenheit das Kommen eines Bräutigams, der sich dann noch als Sohn eines Königs entpuppt, erwarten. Die goldene Jungfrau in Frau Holle (KHM 24) hingegen erledigt allerlei Haus- und Hofarbeit in einer wundersamen Unterwelt und kommt schließlich als ausgereifte, ausgelernte Frau zurück nach Hause, wo ihr noch vor kurzem harte Gegenspielerinnen das Leben schwer gemacht hatten. Analog versucht auch ein Aschenputtel (KHM 21), die Zeit bis zur Eheschließung nicht ganz unbeteiligt und passiv an sich vorbei ziehen zu lassen: Sie vermag ihr Schicksal mithilfe übernatürlicher Helfer entscheidend zu beeinflussen, und ihr Engagement wird schließlich auch mit der Gunst des Prinzen belohnt, der sie als Gattin wählt und ihre beiden Stiefschwestern, deren Wangen nicht von Asche geschwärzt sind, verschmäht. Dies sind Geschichten, die meistens jungen Mädchen zu Hause oder in der Schule oder über die Medien, noch heute vor ihrem eigenen Reifeweg ins Erwachsenleben erzählt werden. Sie könnten zu diesem Zeitpunkt unterschiedliche Strategien oder abschreckende Modelle zur Bewältigung des oft holprigen und steinigen Wegs durch die Pubertät ins geschlechtsreife Alter darstellen. Möglicherweise fand der Modellcharakter für die nun schon erwachsene Frau der Moderne bereits statt und prägt deren Lebensgestaltung. Vielleicht erkennt sich die ein oder andere Frau der Gegenwart heute noch in einigen Verhaltensweisen der in dieser Arbeit vorgestellten Märchenheldinnen.
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