Studienarbeit aus dem Jahr 2004 im Fachbereich Germanistik - Linguistik, Note: 1,0, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (Sprache und Information, Abt. Allgemeine Sprachwissenschaft), Veranstaltung: Hauptseminar Morphologischer Wandel, Sprache: Deutsch, Abstract: Sprachwandel ist ein ganz besonderes Phänomen. Jede Sprache verändert sich kontinuierlich, ohne dass diese Veränderungen den jeweiligen Sprechern wirklich bewusst sind. Trotzdem trägt jeder Sprecher eigens zum Wandel einer Sprache bei. Verschiedene Varianten linguistischer Einheiten werden von einzelnen Sprechern verwendet und von anderen wiederum aufgegriffen. Sprachwandel ist ein also ein interaktiver Prozess der sich in allen Bereichen einer Sprache vollzieht, in der Phonologie, der Morphologie und der Syntax, sowie auch in der Semantik, wobei Veränderungen in einem Bereich Auswirkungen auf andere haben kann. Sprachwandeln hängt also sehr eng mit Sprachvariation des Sprachsystems und dessen Sprechergemeinschaft zusammen. Das Phänomen des Sprachwandels ist seit etwa 150 Jahren Kerngegenstand der Historischen Linguistik mit ihren wichtigsten Vertretern H. Bopp und J. Grimm. Da dieser Bereich der Linguistik zur gleichen Zeit wie auch die Evolutionstheorie Charles Darwins entstand, ist es kaum verwunderlich, dass sich die Historische Linguistik die Erkenntnisse der Evolutionsbiologie zu Nutze machte. Sprachen wurden als eigenständige Organismen mit eigener Entwicklungsgeschichte angesehen, die es zu erforschen und zu rekonstruieren galt. Dazu entstanden seitdem zahlreiche Theorien, die z.T. sogar miteinander konkurrieren, so zum Beispiel die Natürlichkeitstheorie, die Markiertheitstheorie und soziolinguistische Ansätze. Diese Theorien finden auch im Deutschen ihre Anwendung, um Erklärungsansätze für Sprachwandelprozesse anzubieten, da sich wie in allen Sprachen auch im Deutschen stetige Veränderungen im Sprachgebrauch abzeichnen. Eine aktuelle Entwicklungstendenz ist unter anderem der Wandel vom synthetischen hin zum analytischen Sprachbau. Gerade im Bereich von Kasus, Tempus und Modus werden immer häufiger periphrastische Konstruktionen anstelle der komplexen Flexionssysteme bevorzugt. Im Kasussystem ersetzt der Dativ in Verbindung mit der Präposition „von“ immer häufiger den Genitiv. Das periphrastische Perfekt verdrängt langsam das Präteritum in seiner Funktion als Erzähltempus. Im modalen Bereich wird der im Deutschen besonders auffällige Formenreichtum des Konjunktivs heute zunehmend auf die periphrastische „würde“-Konstruktion reduziert, was die Frage nach der Präsenz der synthetischen Formen im Lexikon aufwirft.