Fallada versteht es, dem Leser Berliner Milieu- und Zeitschilderungen detailgenau und uberaus anschaulich zu vermitteln. Die Hauptfigur geht zuruck auf den Droschenkutscher Gustav Herrmann, der im Jahre 1928 mit Pferd und Wagen eine spektakulare Fahrt von Berlin nach Paris und zuruck unternommen hatte, um auf den Niedergang des Droschkengewerbes aufmerksam zu machen. Bei Fallada heit der Protagonist Gustav Hackendahl, ist 1914 zu Beginn der Geschichte ein wohlhabender und strenger Mann mit militarischer Vergangenheit, der seine Frau, seine funf Kinder und seine Lohnkutscher samt dreiig Pferden mit eiserner Hand regiert. Mit dem 1. Weltkrieg beginnt der stetige Niedergang der Familie, sowohl in wirtschaftlicher wie auch in sozialer Hinsicht, der sich in der Zeit der Inflation und vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Konflikte in der Weimarer Republik fortsetzt. Der Ausloser des Unheils ist aber der alte Hackendahl selbst, dessen tyrannische Harte das Schicksal seiner Kinder mageblich mitbeeinflusst: der vom Vater fur weich und schwach gehaltene Sohn Otto fallt an der Westfront, dessen vom Vater bevorzugter Bruder Erich entwickelt sich zum gewissenlosen Finanzbetruger, die Tochter Sophie wird zur kalt berechnenden alten Jungfer, deren Schwester Eva zur horigen Sklavin eines Berliner Ganoven und Zuhalters. Einzig der jungste Sohn Heinz hat bis zum Ende der Handlung noch Kontakt zu dem knorrigen Patriarchen, gerat jedoch wie so viele seiner Zeitgenossen in die unheilvolle Spirale der Dauerarbeitslosigkeit. Gustav Hackendahl selbst, der zusatzlich zu seiner fortschreitenden personlichen Verarmung all diese Schlage mit stoischem Gleichmut zu verdauen scheint, gesteht sich bis zum Schluss nicht wirklich ein, seiner Familie gegenuber versagt zu haben, verschanzt sich hinter seinem selbstgeschaffenen Nimbus der Unbeugsamkeit und einem fur immer uberlebten Preuentum. So wirkt denn ausgerechnet der Schluss des Buches, eben die beruhmte Fahrt nach Paris, auf der ihm alle zujubeln, ein bisschen wie eine freundliche Reminiszenz an die Wertvorstellungen der Kaiserzeit, und das ist schade. Fallada jedoch deshalb eine einseitig verklarende Sichtweise der alten Ordnung zu unterstellen, ware schon aus autobiografischen Grunden verfehlt, hatte doch der Autor selbst ein offenbar tief gestortes Verhaltnis zum eigenen Vater, landete wegen Betrugereien, die seine Drogensucht finanzieren sollten, zeitweilig gar im Gefangnis und litt zeitlebens unter psychischen Problemen. Das noch heute Beeindruckende an Falladas Roman "e;Der eiserne Gustav"e; ist zum einen die Analogie des erzahlten Familiengeschehens zur geschichtlichen Entwicklung des deutschen Volkes in jenen Jahren, zum anderen die literarische Aufarbeitung fataler Abhangigkeitsverhaltnisse zu Menschen, Drogen und falschen Gotzen: Erichs beginnender Groenwahn aufgrund seines zeitweiligen Erfolges als Schieber und Finanzhai, die fast schon absurde Unterwurfigkeit Evas gegenuber ihrem Peiniger Eugen und die blinde Verliebtheit des blutjungen Heinz in die leichtlebige und raffiniert-herrschsuchtige Tinette sind allesamt an- und aufruhrend ausgefuhrte Schilderungen von Schwache, von unzugelbarem Suchtverhalten.. Die Darstellung des Lebensweges der Hackendahlschen Kinder, hinter dem die Haupthandlung um den alten Droschkenkutscher mitunter ganz zurucktritt, ist ungemein plastisch und unlarmoyant, der Leser erhalt am Beispiel der Protagonisten einen detailreichen Einblick in die Berliner Lebensverhaltnisse vor, wahrend und nach dem 1. Weltkrieg. An Lokalkolorit spart der Autor nicht, der berlinische Dialekt ist kennzeichnend fur die Dialoge (der alte Hackendahl pflegt ihn mit fortschreitendem sozialen Abstieg immer intensiver) und sorgt humorvoll und respektlos fur eine mildere Rezeption der Figur des eisernen Gustav durch den Leser.
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