Diese Kriminalerzählung hat eigentlich alles, was ich von einem guten Buch erwarte: Sie ist mit viel sprachlichem Geschick geschrieben, lässt den Leser in eine andere Welt, bzw. in diesem Fall in eine andere Zeit, eintauchen, bietet eine spannende Handlung und wirft einen kritischen Blick auf die
(damalige) Gesellschaft. Der Roman profitiert sicherlich von den fundierten Kenntnissen der Autorin,…mehrDiese Kriminalerzählung hat eigentlich alles, was ich von einem guten Buch erwarte: Sie ist mit viel sprachlichem Geschick geschrieben, lässt den Leser in eine andere Welt, bzw. in diesem Fall in eine andere Zeit, eintauchen, bietet eine spannende Handlung und wirft einen kritischen Blick auf die (damalige) Gesellschaft. Der Roman profitiert sicherlich von den fundierten Kenntnissen der Autorin, die Geschichte studiert hat, und auch sprachlich gelingt es der Autorin meiner Einschätzung nach sehr gut, diese Zeit für den Leser aufleben zu lassen. Er spielt zu einer Zeit, als sich eine der größten hausgemachten Katastrophen der Menschheitsgeschichte anbahnte: der Erste Weltkrieg. Für mich eine recht ungewöhnliche und erfreuliche Mischung aus Kriminalroman und historischem Roman - bisher kannte ich für diese Zeit leider nur Ben Eltons Kriminalroman "First Casualty", dabei scheint mir gerade die Beschäftigung mit dieser Zeit sehr wichtig, um vergangene Fehler nicht zu wiederholen. Der Prolog enthält die Aufzeichnungen eines Offiziers, geschrieben in zackiger Sprache von einem Menschen, der offenbar nicht in der Lage ist, seine Mitmenschen zu verstehen und der ihnen daher lieb- und respektlos begegnet. Hier zeigt sich das große sprachliche Talent der Autorin, die den Schreibstil eines solchen Menschen brillant und authentisch wirkend imitiert. Danach ändert sich der Ton, die eigentliche Erzählung beginnt: Ein Kellner will sich im Lokal Neptun mit einer anderen Person zu einer Geldübergabe treffen. Er träumt von einem neuen Leben ohne Katzbuckeln, doch dazu soll es nicht mehr kommen: Er wird durch ein Telefonat aus dem Lokal gelockt und ermordet ... Kommissär Reitmeyer nimmt die Ermittlungen auf und erhält sehr zu seiner Überraschung Unterstützung von einer Jugendfreundin, die, was ihre angesehene Familie auf keinen Fall erfahren darf, heimlich in der Pathologie arbeitet. Gut gefiel mir, dass der Leser am Ende erfuhr, wie es mit einigen der Hauptpersonen weiterging. Wenn man als Leser die zwischen den Seiten doch etwas vertraut gewordenen Personen ausgerechnet zu diesem alles durcheinander wirbelnden Zeitpunkt der Weltgeschichte verlässt, macht man sich schließlich doch große Sorgen, wie ihr Leben wohl weitergehen würde, auch wenn es sich natürlich um fiktive Personen handelt. Obwohl ich somit über diesen Roman nur Positives zu berichten habe, hat er leider aus Gründen, die ich selbst nicht ganz verstehen kann, mein Herz nicht erreicht. Vielleicht ist es der enge Horizont der Gesellschaft, der mich abschreckt, vielleicht liegt es daran, dass mir Kommissär Reitmeyer bis zum Schluss fremd blieb, vielleicht habe ich das Buch aber auch einfach zum falschen Zeitpunkt gelesen und vielleicht wird es mir beim erneuten Lesen besser gefallen. Diese Chance der zweiten Lektüre werde ich ihm aber auf jeden Fall geben, denn diese Autorin hat sehr viel Talent!