Die deutsche Verfassungsordnung wird durch die Einwirkung des europäischen Unionsrechts zunehmend europäisiert. Diese bekannte These erörtert Oliver Dörr am Beispiel der Rechtsschutzgarantie des Grundgesetzes (Art. 19 Abs. 4 GG) und untersucht sie vor allem auf ihre praktischen Konsequenzen hin. Die durch den 'Integrationshebel' des Grundgesetzes bewirkte Öffnung der nationalen Rechtsordnung verändert die Verfassungsnorm sowohl im Tatbestand als auch in bezug auf die vorgesehene Rechtsfolge, die Gewährleistung effektiven Gerichtsschutzes. Dabei ist zu unterscheiden zwischen dem Rechtsschutz zur Durchsetzung von Gemeinschaftsrecht, der vor allem von dessen innerstaatlichem Wirkungsanspruch getragen ist, und deutschem Rechtsschutz zur Abwehr von Gemeinschaftsrecht, der ganz wesentlich an die verfassungsrechtlichen Schranken der europäischen Integration anknüpft. Im ersten Bereich erweist sich Art. 19 Abs. 4 GG als ein wesentliches Instrument zur verfassungsrechtlichen Sanktionierung unmittelbar wirksamen Gemeinschaftsrechts. Er garantiert für alle auf europäischer Ebene gewährten subjektiven Rechte den Rechtsweg zu den nationalen Gerichten und modifiziert zu diesem Zweck die verfassungsrechtlichen Vorgaben für das deutsche Prozeßrecht. Davon betroffen ist in gewissem Umfang auch das Verfassungsbeschwerdeverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht. In seiner Abwehrdimension gewährleistet Art. 19 Abs. 4 GG dem einzelnen einen effektiven Rechtsschutz zur Durchsetzung der Integrationsschranken des Grundgesetzes. Die Untersuchung zeigt auf, inwieweit deutsche Gerichte in diesem Zusammenhang (noch) zuständig sein können. ist Professor für Öffentliches Recht, Europarecht, Völkerrecht und Rechtsvergleichung an der Universität Osnabrück.
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