Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 29.11.2016Mir sagt das Barock
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Wenn man von München aus nach Barcelona möchte, um auf der dortigen Weltausstellung reiche Frauen kennenzulernen, muss man irgendwann in Milano umsteigen. So tat es 1929 Ödön von Horváths Held Alfons Kobler. Im Zug von Verona war er mit dem Wiener Korrespondenten Schmitz, einem „Mann der Feder“, ins Gespräch gekommen. Ein Wort gibt das andere: „Aber das beste wird sein, wir bleiben am Bahnhof. Denn in Milano ist es um Mitternacht stockfinster, und wir werden nichts sehen vom gotischen Mailänder Dom usw. ...“ – „Ich bin auf Gotik sowieso nicht scharf.“ – „Mir sagt das Barock auch mehr.“ – „Mir sagt auch das Barock nichts.“ So sind die Werte entwertet, bestenfalls ein Nachhall, meistens nur Hauch. Sie sagen den im Lebenskampf Gehetzten nichts.
Für dieses Hörspiel aus dem Jahr 1992 (Fassung: Traugott Krischke, Regie: Claude Pierre Salmony) wurde Ödön von Horváths 1930 erschienener Roman „Der ewige Spießer“ ganz in Dialoge aufgelöst. Und diese werden auf beglückende Weise klug gespielt, unangestrengt und kunstvoll in einem. Da die soziologischen Kommentare des Erzählers, die erläuternden Kurzbiografien fehlen, müssen die Sprecher all dies mittels der Stimme, der Intonation ausdrücken. Das gelingt, und wie! Jörg Hube ist Alfons Kobler, Fritz Muliar spricht den Schmitz. Beide sind 2009 verstorben. In dieser Revue des Geredes mit dabei: Louise Martini, Walter Schmidinger, Peter Simonischek.
JBY
Ödön von Horváth: Der ewige Spießer. Hörspiel mit Jörg Hube, Louise Martini, Walter Schmidinger u.a. Christoph Merian Verlag, Basel 2016. 1 CD, 70 Minuten, 16,90 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Wenn man von München aus nach Barcelona möchte, um auf der dortigen Weltausstellung reiche Frauen kennenzulernen, muss man irgendwann in Milano umsteigen. So tat es 1929 Ödön von Horváths Held Alfons Kobler. Im Zug von Verona war er mit dem Wiener Korrespondenten Schmitz, einem „Mann der Feder“, ins Gespräch gekommen. Ein Wort gibt das andere: „Aber das beste wird sein, wir bleiben am Bahnhof. Denn in Milano ist es um Mitternacht stockfinster, und wir werden nichts sehen vom gotischen Mailänder Dom usw. ...“ – „Ich bin auf Gotik sowieso nicht scharf.“ – „Mir sagt das Barock auch mehr.“ – „Mir sagt auch das Barock nichts.“ So sind die Werte entwertet, bestenfalls ein Nachhall, meistens nur Hauch. Sie sagen den im Lebenskampf Gehetzten nichts.
Für dieses Hörspiel aus dem Jahr 1992 (Fassung: Traugott Krischke, Regie: Claude Pierre Salmony) wurde Ödön von Horváths 1930 erschienener Roman „Der ewige Spießer“ ganz in Dialoge aufgelöst. Und diese werden auf beglückende Weise klug gespielt, unangestrengt und kunstvoll in einem. Da die soziologischen Kommentare des Erzählers, die erläuternden Kurzbiografien fehlen, müssen die Sprecher all dies mittels der Stimme, der Intonation ausdrücken. Das gelingt, und wie! Jörg Hube ist Alfons Kobler, Fritz Muliar spricht den Schmitz. Beide sind 2009 verstorben. In dieser Revue des Geredes mit dabei: Louise Martini, Walter Schmidinger, Peter Simonischek.
JBY
Ödön von Horváth: Der ewige Spießer. Hörspiel mit Jörg Hube, Louise Martini, Walter Schmidinger u.a. Christoph Merian Verlag, Basel 2016. 1 CD, 70 Minuten, 16,90 Euro.
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»Der Roman besticht durch die Hellsichtigkeit, die im neuen Spießer bereits den Phänotypus des künftigen fanatischen Nazi aufscheinen lässt.« SÜDDEUTSCHE ZEITUNG