"Das Buch (...) ist ein Kulturdokument ersten Ranges und etwas völlig Einzigartiges. Wer zu lachen liebt und wer sich, nachdenklich geworden, dieses Lachens nicht schämen will -: der lese dieses Buch." Kurt Tucholsky Ende des Jahres 1926 mietet sich ein Baron v. Korff für mehrere Nächte im Luxushotel "Erfurter Hof" ein. Der untadelige Herr mit den femininen Zügen erregt bald die Aufmerksamkeit der Hotelleitung. Nicht zuletzt als er in formvollendeter Manier das Personal über die unstatthafte Behandlung eines Gastes zurechtweist. Man wähnt ein Mitglied des Hohenzollernhauses vor sich zu haben. Ist das nicht Prinz Wilhelm von Preußen, Enkel des Exilkaisers, derzeit Student in Bonn, Mitglied des dortigen Corps Borussia? Im provinziellen Erfurt öffnen sich dem (vermeintlich) inkognito reisenden Prinzen alle Türen: die neue - und alte - Haute-Volée schart sich um den fashionablen Gast: ob antidemokratisch, erzkonservativ mit völkischem Einschlag à la Carl Eduard Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha oder opportunistisch-kratzbuckelnd wie die zahllosen Mandatsträger und Beamten der neuen Republik. Es hagelt Einladungen zu repräsentativen Empfängen, sinistren Bällen und blutigen Hasenjagden ... Die Autobiographie Domelas ist Prinzenkomödie und Lehrstück des Migrantenlebens zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts in einem, Burschenschaftsposse und Selbstbehauptungsdrama eines Staatenlosen inmitten einer janusköpfigen deutschen Nachkriegsgesellschaft. Sie enthält solch' eine Fülle scharfgeschnittener Schilderungen konträrer Sozialmilieus, dass den Zeitgenossen kaum anderes übrigblieb, als diesen Zauberspiegel wahrer Verhältnisse immer wieder zur Hand zu nehmen. Mit über hundertzwanzigtausend verkauften Exemplaren wird das Buch des "falschen Prinzen" zu einem Besteller der zwanziger Jahre, zu einem Klassiker deutschsprachiger Autobiographie, der von der schreibenden Zunft einhellig-enthusiastisch begrüßt wurde. Dass ausgerechnet ein phantasiebegabter Schwindler - allein oder im Autoren-Team mit Anwalt und Verleger - diese "wahren" Begebenheiten annotierte, tut nichts zur Sache. Wir halten es da mit Sling, der im Mai 1927 in der Vossischen Zeitung notierte: "Wenn Domela in diesen Schilderungen übertrieben haben sollte, und es wäre nur die Hälfte wahr, es bliebe doch fürchterlich!" So bleibt ein Buch, dem durch seine detailreiche Überlieferung der gesellschaftlichen Diskrepanzen - angesichts der immer tiefer werdenden Gräben in unserer heutigen Zeit -, eine beängstigende Aktualität zukommt. Oder vielmehr, wie es 1929 als Forderung Kurt Tucholskys an seine Nachfahren formuliert: "Was uns (...) fehlt, ist der Domela, der sich in fremde Kasten begibt und einen guten Bericht nach Hause bringt."
Dieser Download kann aus rechtlichen Gründen nur mit Rechnungsadresse in A, B, BG, CY, CZ, D, DK, EW, E, FIN, F, GR, HR, H, IRL, I, LT, L, LR, M, NL, PL, P, R, S, SLO, SK ausgeliefert werden.