Liebe, Feminismus, für den Helden dieses Buches ist das ab sofort das Gleiche. Er verliebt sich in eine Hardcore-Feministin. Das heißt: in Lichtgeschwindigkeit vom ignoranten Gewohnheitsmacho zum Judith-Butler-Exegeten, mit den entsprechenden Kollateralschäden bei Familie, Freunden und am Arbeitsplatz. Denn für die Gleichberechtigung kämpft er mit wirklich allen zur Verfügung stehenden Mitteln … Ein Roman für alle, die sich einig sind, dass sie Mario Barth scheiße finden, in Sachen Feminismus sonst aber bisweilen nicht weiterwissen.
Bevor er sich in Najwa verliebt, hat er keinen blassen Schimmer vom Feminismus. Er ist ein 08/15-Typ mit den üblichen Vorurteilen, blinden Flecken, problematischen Verhaltensweisen. Aber bei ihr geht er in eine harte Schule. Sein Blick auf die Welt verändert sich: Beeinträchtigungen, Ungerechtigkeiten, Diskriminierungen sind plötzlich überall, genau wie die Paradoxien und der Unmut, der ihm entgegenschlägt, sobald er nur wieder irgendwo vom grausamen Patriarchat anfängt. Wie kann er die Frauen in diesem Kampf am besten unterstützen? Ein Wutanfall seiner Mutter bringt ihn auf eine folgenschwere Idee.
Bevor er sich in Najwa verliebt, hat er keinen blassen Schimmer vom Feminismus. Er ist ein 08/15-Typ mit den üblichen Vorurteilen, blinden Flecken, problematischen Verhaltensweisen. Aber bei ihr geht er in eine harte Schule. Sein Blick auf die Welt verändert sich: Beeinträchtigungen, Ungerechtigkeiten, Diskriminierungen sind plötzlich überall, genau wie die Paradoxien und der Unmut, der ihm entgegenschlägt, sobald er nur wieder irgendwo vom grausamen Patriarchat anfängt. Wie kann er die Frauen in diesem Kampf am besten unterstützen? Ein Wutanfall seiner Mutter bringt ihn auf eine folgenschwere Idee.
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 07.09.2020Zu laut schreien
Wie ein feministisch gemeinter Roman schiefgehen kann
Es gibt Männer, die „helfen im Haushalt“, posten den Hashtag „#notallmen“ unter Berichte von sexualisierter Gewalt und interessieren sich für Frauenrechte, sobald sie eine Tochter haben. Kein Wunder, dass sich manche radikalfeministische Gruppe nicht auf männliche Solidarität verlässt. „Alle Männer sind Feinde“ war einer der Slogans radikaler Feministinnen der Sechzigerjahre, die US-amerikanische Redstockings-Bewegung erklärte in ihrem Manifest die „male supremacy“ zum Ursprung aller Unterdrückung. Und politische Lesben des Second-wave-Feminismus beschränkten ihre romantischen und sexuellen Verhältnisse aus politischer Überzeugung auf Frauen, um das Diktat der Heterosexualität aus dem Schlafzimmer zu verbannen. Ein Höhepunkt der geschlechts-separatistischen Überzeugung war das „SCUM Manifesto“, in dem Valerie Solanas 1967 eine aus den Ruinen des Patriarchats erwachsende, männerfreie Utopie entwarf.
Auch der spanische Autor Iván Repila scheint der Vorstellung einer dialektischen Überwindung des Patriarchats anzuhängen. In seinem Buch „Der Feminist“ durchläuft der Ich-Erzähler einen feministischen Crashkurs bei seiner Freundin. Vollkommen geflasht von der Omnipräsenz alltäglicher und struktureller Sexismen sucht er nach einem politischen Ausweg. Seine Lösung: Frauen müssen endlich der jahrhundertelang angestauten Wut auf Männer Luft machen. Er zettelt einen Kampf der Geschlechter an, es kommt zur heilsbringenden Revolution. Und der „Feminist“ wird zu einem Oxymoron – einem feministischen Superhelden.
Ein Buch zu männlichem Feminismus könnte gerade zur richtigen Zeit kommen. Nachdem dieses Jahr sogar im deutschen Privatfernsehen die Entertainer Joko und Klaas kostbare Sendezeit dem Thema Misogynie und Gewalt gegen Frauen widmeten, wäre eine literarische Vision zur konkreten feministischen Aktion von Männern ein plausibler Schritt. Der Titel „Der Feminist“ klingt vielversprechend, aber leider demonstriert Repila damit nur, dass außerhalb einer bestimmten Bubble immer noch das Missverständnis besteht, die Befreiung der Frau bedeute eine Befreiung vom Mann. Weil er dieser Logik verhaftet bleibt, muss sein feministischer Protagonist in letzter Konsequenz an dem Paradox seiner Existenz zu Grunde gehen.
Den meisten Feministinnen geht die Abschaffung des Mannes indes zu weit – und am Thema vorbei. Zu wichtig sind dann doch die Freunde, Söhne, Brüder, geliebten Männer. Die gesellschaftliche Spaltung in unterdrückte Frauen und unterdrückende Männer liegt vielleicht im Trend, zur Geschlechtergerechtigkeit trägt sie aber nichts bei, zumal sie andere, ebenso relevante Hierarchien verdeckt. Die afroamerikanische Autorin und Feministin Bell Hooks hat schon 1981 mit ihrem berühmten Buch „Ain’t I a woman“ auf die Intersektion von Feminismus und Rassismus hingewiesen: Sie als schwarze Frau sei in dem universalistischen „Frau“ weißer Feministinnen nicht mitgemeint. Und in „Feminist Theory. From Margin to Center“ machte sie 1984 deutlich, dass die Ablehnung des Mannes nicht die Lösung sein konnte: Wieso sollten sich schwarze Frauen von schwarzen Männern abwenden, mit denen sie gegen Jim Crow auf die Straße gegangen waren? Profitiert ein Arbeiter wirklich genauso vom System männlicher Vorherrschaft wie sein reicher Chef? Und lenkt die Konfrontation gegen Männer weiße, privilegierte Frauen nicht von ihrer Verantwortung in einer rassistischen Gesellschaft ab?
Queeren Identitäten wird die binäre Kampflogik erst recht nicht gerecht. Anstatt also essenzialistisch an einem Konflikt zwischen „dem Mann“ und „der Frau“ festzuhalten, will der neuere Feminismus heute für alle da sein. Er interessiert sich selbstverständlich auch für das cis-männliche Wohlbefinden. Eine ganze Reihe von Büchern der letzten Zeit, wie etwa „Boys don’t cry“ von Jack Urwin, legt den Fokus auf die Verletzungen, die ein Zwang zur Männlichkeit hinterlassen kann.
Die Hauptfigur von „Der Feminist“ dagegen entkommt seiner männlichen Sozialisierung nicht. Er streitet mit seinen Verwandten über Feminismus, kommt aber nicht auf die Idee, seine Mutter bei der Sorgearbeit zu entlasten. Stattdessen analysiert er von oben herab: „Doch sie weiß nicht, dass sie betrogen wurde. Dass man ihr eingeredet hat, Mutter und Gattin und Hausfrau zu sein, sei ihr Traum.“ Er hat Begriffe wie „mansplaining“ verinnerlicht, aber hört nicht auf, die Frauen in seinem Umfeld wie ein Marionettenspieler zu behandeln. Er schreckt um seines Plans willen nicht einmal vor frauenfeindlichen Aktionen und Gewalt zurück.
Absurde Wendungen, Übertreibungen und hyperaktives Erzählen legen eine satirische Lesart nahe. Das würde heißen, dass Repila den „Feministen“ als klägliches Mannsbild denunziert, das daran scheitert, seine Überzeugung anders als gewalttätig zu vertreten. Eine pessimistische Haltung, die einen männlichen Feminismus letztlich zur Unmöglichkeit erklärt. Nimmt man Repila hingegen beim Wort, dann entwirft er erst recht keinen Verbündeten, wie ihn Feministinnen gebrauchen könnten. Im Gegenteil, der erbarmungslose Einzelkämpfer, der die Frauen befreit, vereint die klassischen Charakteristika toxischer Superhelden.
Die Frage nach angemessenem Engagement der Männer im Feminismus ist berechtigt, der Hinweis auf Widersprüchlichkeiten auch. Das Dilemma, lautstark für feministische Anliegen einstehen zu wollen, ohne weniger laute Menschen dadurch zu verdrängen, bleibt bestehen. Iván Repila reagiert auf diese Herausforderung mit einem platten Muskelspiel.
NORA NOLL
Warum sollten sich schwarze
Frauen von schwarzen Männern
abwenden wollen?
Iván Repila: Der Feminist. Roman. Aus dem
Spanischen von
Matthias Strobel.
Suhrkamp, Berlin 2020.
216 Seiten, 16 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Wie ein feministisch gemeinter Roman schiefgehen kann
Es gibt Männer, die „helfen im Haushalt“, posten den Hashtag „#notallmen“ unter Berichte von sexualisierter Gewalt und interessieren sich für Frauenrechte, sobald sie eine Tochter haben. Kein Wunder, dass sich manche radikalfeministische Gruppe nicht auf männliche Solidarität verlässt. „Alle Männer sind Feinde“ war einer der Slogans radikaler Feministinnen der Sechzigerjahre, die US-amerikanische Redstockings-Bewegung erklärte in ihrem Manifest die „male supremacy“ zum Ursprung aller Unterdrückung. Und politische Lesben des Second-wave-Feminismus beschränkten ihre romantischen und sexuellen Verhältnisse aus politischer Überzeugung auf Frauen, um das Diktat der Heterosexualität aus dem Schlafzimmer zu verbannen. Ein Höhepunkt der geschlechts-separatistischen Überzeugung war das „SCUM Manifesto“, in dem Valerie Solanas 1967 eine aus den Ruinen des Patriarchats erwachsende, männerfreie Utopie entwarf.
Auch der spanische Autor Iván Repila scheint der Vorstellung einer dialektischen Überwindung des Patriarchats anzuhängen. In seinem Buch „Der Feminist“ durchläuft der Ich-Erzähler einen feministischen Crashkurs bei seiner Freundin. Vollkommen geflasht von der Omnipräsenz alltäglicher und struktureller Sexismen sucht er nach einem politischen Ausweg. Seine Lösung: Frauen müssen endlich der jahrhundertelang angestauten Wut auf Männer Luft machen. Er zettelt einen Kampf der Geschlechter an, es kommt zur heilsbringenden Revolution. Und der „Feminist“ wird zu einem Oxymoron – einem feministischen Superhelden.
Ein Buch zu männlichem Feminismus könnte gerade zur richtigen Zeit kommen. Nachdem dieses Jahr sogar im deutschen Privatfernsehen die Entertainer Joko und Klaas kostbare Sendezeit dem Thema Misogynie und Gewalt gegen Frauen widmeten, wäre eine literarische Vision zur konkreten feministischen Aktion von Männern ein plausibler Schritt. Der Titel „Der Feminist“ klingt vielversprechend, aber leider demonstriert Repila damit nur, dass außerhalb einer bestimmten Bubble immer noch das Missverständnis besteht, die Befreiung der Frau bedeute eine Befreiung vom Mann. Weil er dieser Logik verhaftet bleibt, muss sein feministischer Protagonist in letzter Konsequenz an dem Paradox seiner Existenz zu Grunde gehen.
Den meisten Feministinnen geht die Abschaffung des Mannes indes zu weit – und am Thema vorbei. Zu wichtig sind dann doch die Freunde, Söhne, Brüder, geliebten Männer. Die gesellschaftliche Spaltung in unterdrückte Frauen und unterdrückende Männer liegt vielleicht im Trend, zur Geschlechtergerechtigkeit trägt sie aber nichts bei, zumal sie andere, ebenso relevante Hierarchien verdeckt. Die afroamerikanische Autorin und Feministin Bell Hooks hat schon 1981 mit ihrem berühmten Buch „Ain’t I a woman“ auf die Intersektion von Feminismus und Rassismus hingewiesen: Sie als schwarze Frau sei in dem universalistischen „Frau“ weißer Feministinnen nicht mitgemeint. Und in „Feminist Theory. From Margin to Center“ machte sie 1984 deutlich, dass die Ablehnung des Mannes nicht die Lösung sein konnte: Wieso sollten sich schwarze Frauen von schwarzen Männern abwenden, mit denen sie gegen Jim Crow auf die Straße gegangen waren? Profitiert ein Arbeiter wirklich genauso vom System männlicher Vorherrschaft wie sein reicher Chef? Und lenkt die Konfrontation gegen Männer weiße, privilegierte Frauen nicht von ihrer Verantwortung in einer rassistischen Gesellschaft ab?
Queeren Identitäten wird die binäre Kampflogik erst recht nicht gerecht. Anstatt also essenzialistisch an einem Konflikt zwischen „dem Mann“ und „der Frau“ festzuhalten, will der neuere Feminismus heute für alle da sein. Er interessiert sich selbstverständlich auch für das cis-männliche Wohlbefinden. Eine ganze Reihe von Büchern der letzten Zeit, wie etwa „Boys don’t cry“ von Jack Urwin, legt den Fokus auf die Verletzungen, die ein Zwang zur Männlichkeit hinterlassen kann.
Die Hauptfigur von „Der Feminist“ dagegen entkommt seiner männlichen Sozialisierung nicht. Er streitet mit seinen Verwandten über Feminismus, kommt aber nicht auf die Idee, seine Mutter bei der Sorgearbeit zu entlasten. Stattdessen analysiert er von oben herab: „Doch sie weiß nicht, dass sie betrogen wurde. Dass man ihr eingeredet hat, Mutter und Gattin und Hausfrau zu sein, sei ihr Traum.“ Er hat Begriffe wie „mansplaining“ verinnerlicht, aber hört nicht auf, die Frauen in seinem Umfeld wie ein Marionettenspieler zu behandeln. Er schreckt um seines Plans willen nicht einmal vor frauenfeindlichen Aktionen und Gewalt zurück.
Absurde Wendungen, Übertreibungen und hyperaktives Erzählen legen eine satirische Lesart nahe. Das würde heißen, dass Repila den „Feministen“ als klägliches Mannsbild denunziert, das daran scheitert, seine Überzeugung anders als gewalttätig zu vertreten. Eine pessimistische Haltung, die einen männlichen Feminismus letztlich zur Unmöglichkeit erklärt. Nimmt man Repila hingegen beim Wort, dann entwirft er erst recht keinen Verbündeten, wie ihn Feministinnen gebrauchen könnten. Im Gegenteil, der erbarmungslose Einzelkämpfer, der die Frauen befreit, vereint die klassischen Charakteristika toxischer Superhelden.
Die Frage nach angemessenem Engagement der Männer im Feminismus ist berechtigt, der Hinweis auf Widersprüchlichkeiten auch. Das Dilemma, lautstark für feministische Anliegen einstehen zu wollen, ohne weniger laute Menschen dadurch zu verdrängen, bleibt bestehen. Iván Repila reagiert auf diese Herausforderung mit einem platten Muskelspiel.
NORA NOLL
Warum sollten sich schwarze
Frauen von schwarzen Männern
abwenden wollen?
Iván Repila: Der Feminist. Roman. Aus dem
Spanischen von
Matthias Strobel.
Suhrkamp, Berlin 2020.
216 Seiten, 16 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Nein, da ist Nora Noll gar nicht einverstanden, das erfahren wir schon am Beginn ihrer Besprechung. Dass ein Mann Feminist sein könne, dass ein männlicher Feminismus sogar einigermaßen notwendig sei, gesteht sie sofort zu. Aber in diesem Roman scheint der Protagonist von Anfang an über seine eigenen Füße zu stolpern, scheint eher macho-mäßig von der Befreiung der Frau zu dröhnen und wenig Feingefühl an den Tag legen zu dürfen. Zwar hält die Kritikerin für möglich, dass der Autor alles auch satirisch gemeint haben könnte. Dann aber missfällt ihr zutiefst, dass man einen ganzen Roman schreibt, in dem man nur die Kläglichkeit eines solchen Mannes "denunziert".
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
»Iván Repilas großartiges Buch schließt mit einer fiktiven wissenschaftlichen Analyse, die einige Jahre nach den Geschehnissen im Buch spielt und lässt dabei einige weiterführende Fragen offen. Denkanstöße gibt Der Feminist auf jeden Fall zur Genüge.« Alica Ouschan ORF 20200928