Wie jedes Jahr kehrt Elina Ylijaako in ihr Heimatdorf im Osten Lapplands zurück – eine bedrückende Einöde, die nach ihren ganz eigenen Regeln funktioniert. Dort hat sie drei Tage Zeit, um einen Hecht zu fangen. Doch dieses Jahr läuft nichts wie geplant. Als ein Wassermann in den Sümpfen erscheint und sich Elina in den Weg stellt, wird ihr Angelausflug plötzlich zu einem Abenteuer auf Leben und Tod. Währenddessen sucht eine Polizistin wegen Mordverdachts nach ihr und wird selbst in das mysteriöse Treiben magischer Gestalten hineingezogen. Magie und Realität verschwimmen, doch in Ostlappland scheint das niemanden zu wundern. In einem fulminanten Showdown gilt es einen Fluch zu brechen, der tief in Elinas Vergangenheit verwurzelt ist. Der Fluch des Hechts erzählt eine tragische Liebesgeschichte sowie eine Geschichte über die unberechenbare Macht der Natur, ihre Magie, und nicht zuletzt über den Menschen und was er mit der Natur anrichtet. Mit sprachlicher Virtuosität schafft es Karila in seinem Debütroman, dass seinen Leser:innen immer wieder das Lachen im Halse stecken bleibt. Nach Übersetzungen u. a. ins Französische, Arabische und Polnische erscheint nun endlich auch die Übersetzung auf Deutsch.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.05.2022Natürlich phantastisch
Juhani Karilas Roman "Der Fluch des Hechts"
Für die Beschreibung der finnischen Fauna, meint man, genügen die Worte "Mücken", "Rentiere" und "Elche". Aber da ist mehr, das verrät schon der Titel des pfiffigen Debütromans von Juhani Karila, "Der Fluch des Hechts". Und der Autor weiß nicht nur Fische beim Namen zu nennen: Er kennt auch Fichtenrüsselkäfer und Rinderbremsen, Libellen und Schwalben, Schneeammern, Zeisige und Ohrenlerchen, ja sogar mit Viechern, die uns wortschatzverkümmerten Mitteleuropäern vollkommen unbekannt sind, wie dem grunzenden Pejooni, riesenhaften Rabbatzen und hubschraubergroßen Streifenbeinen kennt er sich aus.
Die trifft man heute nicht mehr so häufig wie früher, sagen die Bewohner Ostlapplands: "Das kommt davon, wenn jeder Sommer wärmer is' als der davor." Aber es gibt sie, und wer klug ist, hat vor ihnen wie vor allen Wesen der Schöpfung Respekt.
Insbesondere mit dem Näck, einem jener Wassermänner, über die es in alten Büchern "im Wesentlichen" heißt, "dass man sich von ihnen fernhalten solle", ist nicht zu spaßen. Er ist hier oben, wo die wirkliche und die unwirkliche Welt ineinander übergehen, der Herr über viele Tümpel und Seen. Lenkt die Trecker ins Wasser, wenn er sich über die Bauern geärgert hat, sabotiert die Haken von Anglern, verwickelt Netzfischer ins eigene Garn. Kurzum: Er ist ein "nachtragendes Wesen".
Juhani Karilas phantastischen Roman darf man vor diesem Hintergrund nur ein Anglerbuch nennen, wenn man auch "Moby-Dick" als Anglerbuch bezeichnen würde. "Der Fluch des Hechts" erzählt von einem Kampf auf Leben und Tod. Eine verzweifelte junge Frau namens Elina Ylijaako versucht einen kolossalen Hecht aus dem Wasser zu ziehen - und begegnet dem Näck, der sich bei seinen Auftritten wie ein Opernstar inszeniert und als Schutzherr des Fisches aufspielt.
Auch ein Krimi deutet sich an: Die Polizistin Janatuinen ist Elina auf den Fersen. Die hartgesottene Mordermittlerin reist aus urbanen Gefilden in eine Region, wie seit Agent Cooper kein Agent mehr in die Provinz gereist ist. Sie staunt mit dem Leser über wortkarge Menschen, für die ein pelziges Pejooni-Monster in der Küche kein Grund für Panikattacken ist: "Hören Sie, wenn er Sie in den Schwitzkasten nimmt, kitzeln Sie ihn unter den Achseln." Und an Schlimmeres wie den Teufel und Hexen glaubt man hier sowieso, was sich unter anderem in einer gewissen Skepsis gegenüber studierten Leuten ausdrückt: "Freilich hat die's geschafft, ihre Kartoffeln ohne Gift zu ziehen, mit dem Teufel an ihrer Seite."
Die Handlung folgt nun abwechselnd der manischen Anglerin Elina, die mit der Gegend vertraut ist, und Kriminalhauptmeisterin Janatuinen, der selbst die Verwendung elementarster Überlebenswerkzeuge wie einer elektrischen Fliegenklatsche erklärt werden muss. Es ist ein Plot voller Merkwürdigkeiten und Rätsel, die Karila als gewiefter Erzähler nicht schneller als nötig enthüllen mag.
Und immer stärker tritt der phantastische Charakter des Buches zutage - laut Autor inspiriert von den Monsterjagden des Videospiels "Witcher 3 - The Wild Hunt" sowie vor allem "Rehepapp ehk November", einer grotesken Dorfgeschichte des estnischen Schriftstellers Andrus Kivirähk, die mit Elementen des Volksglaubens spielt (und unter dem Namen "November" 2017 verfilmt worden ist).
Das Ergebnis ist ein locker erzähltes, Sagenhaftes mit Selbstausgedachtem und einer kleinen Liebesgeschichte zusammenbindendes Abenteuer. Nach hinten raus lässt sich der junge Autor, der aus Nordfinnland stammt und in Helsinki lebt, von seiner Fabulierfreude zu arg mitreißen. Aber genau diese Fabulierfreude, die auch in einer ungewöhnlichen Rahmenhandlung zum Ausdruck kommt, einem Flug des Erzählers auf Lappland zu und von Lappland fort, macht den Schmöker andererseits so besonders. Gar nicht erst zu reden von Karilas verschmitztem, auf Nichtfinnen sofort superfinnisch wirkendem Humor.
"Wenn ich jetzt sage, dass ich letzte Nacht gesehen habe, wie aus einem Mülleimer ein nackter Mann gestiegen ist, der den Kopf eines Einhorns hatte und Flügel, mit denen er abgehoben ist wie eine Elster, würdet ihr mich dann für vollkommen verrückt halten?", fragt die Polizistin Janatuinen irgendwann einen schrulligen Bewohner von Lappland. Die überzeugende Antwort lautet: "Es gibt Seltsameres auf dieser Welt." MATTHIAS HANNEMANN
Juhani Karila: "Der Fluch des Hechts". Roman.
Aus dem Finnischen von Maximilian Murmann. Homunculus Verlag, Erlangen 2022. 304 S., geb., 24,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Juhani Karilas Roman "Der Fluch des Hechts"
Für die Beschreibung der finnischen Fauna, meint man, genügen die Worte "Mücken", "Rentiere" und "Elche". Aber da ist mehr, das verrät schon der Titel des pfiffigen Debütromans von Juhani Karila, "Der Fluch des Hechts". Und der Autor weiß nicht nur Fische beim Namen zu nennen: Er kennt auch Fichtenrüsselkäfer und Rinderbremsen, Libellen und Schwalben, Schneeammern, Zeisige und Ohrenlerchen, ja sogar mit Viechern, die uns wortschatzverkümmerten Mitteleuropäern vollkommen unbekannt sind, wie dem grunzenden Pejooni, riesenhaften Rabbatzen und hubschraubergroßen Streifenbeinen kennt er sich aus.
Die trifft man heute nicht mehr so häufig wie früher, sagen die Bewohner Ostlapplands: "Das kommt davon, wenn jeder Sommer wärmer is' als der davor." Aber es gibt sie, und wer klug ist, hat vor ihnen wie vor allen Wesen der Schöpfung Respekt.
Insbesondere mit dem Näck, einem jener Wassermänner, über die es in alten Büchern "im Wesentlichen" heißt, "dass man sich von ihnen fernhalten solle", ist nicht zu spaßen. Er ist hier oben, wo die wirkliche und die unwirkliche Welt ineinander übergehen, der Herr über viele Tümpel und Seen. Lenkt die Trecker ins Wasser, wenn er sich über die Bauern geärgert hat, sabotiert die Haken von Anglern, verwickelt Netzfischer ins eigene Garn. Kurzum: Er ist ein "nachtragendes Wesen".
Juhani Karilas phantastischen Roman darf man vor diesem Hintergrund nur ein Anglerbuch nennen, wenn man auch "Moby-Dick" als Anglerbuch bezeichnen würde. "Der Fluch des Hechts" erzählt von einem Kampf auf Leben und Tod. Eine verzweifelte junge Frau namens Elina Ylijaako versucht einen kolossalen Hecht aus dem Wasser zu ziehen - und begegnet dem Näck, der sich bei seinen Auftritten wie ein Opernstar inszeniert und als Schutzherr des Fisches aufspielt.
Auch ein Krimi deutet sich an: Die Polizistin Janatuinen ist Elina auf den Fersen. Die hartgesottene Mordermittlerin reist aus urbanen Gefilden in eine Region, wie seit Agent Cooper kein Agent mehr in die Provinz gereist ist. Sie staunt mit dem Leser über wortkarge Menschen, für die ein pelziges Pejooni-Monster in der Küche kein Grund für Panikattacken ist: "Hören Sie, wenn er Sie in den Schwitzkasten nimmt, kitzeln Sie ihn unter den Achseln." Und an Schlimmeres wie den Teufel und Hexen glaubt man hier sowieso, was sich unter anderem in einer gewissen Skepsis gegenüber studierten Leuten ausdrückt: "Freilich hat die's geschafft, ihre Kartoffeln ohne Gift zu ziehen, mit dem Teufel an ihrer Seite."
Die Handlung folgt nun abwechselnd der manischen Anglerin Elina, die mit der Gegend vertraut ist, und Kriminalhauptmeisterin Janatuinen, der selbst die Verwendung elementarster Überlebenswerkzeuge wie einer elektrischen Fliegenklatsche erklärt werden muss. Es ist ein Plot voller Merkwürdigkeiten und Rätsel, die Karila als gewiefter Erzähler nicht schneller als nötig enthüllen mag.
Und immer stärker tritt der phantastische Charakter des Buches zutage - laut Autor inspiriert von den Monsterjagden des Videospiels "Witcher 3 - The Wild Hunt" sowie vor allem "Rehepapp ehk November", einer grotesken Dorfgeschichte des estnischen Schriftstellers Andrus Kivirähk, die mit Elementen des Volksglaubens spielt (und unter dem Namen "November" 2017 verfilmt worden ist).
Das Ergebnis ist ein locker erzähltes, Sagenhaftes mit Selbstausgedachtem und einer kleinen Liebesgeschichte zusammenbindendes Abenteuer. Nach hinten raus lässt sich der junge Autor, der aus Nordfinnland stammt und in Helsinki lebt, von seiner Fabulierfreude zu arg mitreißen. Aber genau diese Fabulierfreude, die auch in einer ungewöhnlichen Rahmenhandlung zum Ausdruck kommt, einem Flug des Erzählers auf Lappland zu und von Lappland fort, macht den Schmöker andererseits so besonders. Gar nicht erst zu reden von Karilas verschmitztem, auf Nichtfinnen sofort superfinnisch wirkendem Humor.
"Wenn ich jetzt sage, dass ich letzte Nacht gesehen habe, wie aus einem Mülleimer ein nackter Mann gestiegen ist, der den Kopf eines Einhorns hatte und Flügel, mit denen er abgehoben ist wie eine Elster, würdet ihr mich dann für vollkommen verrückt halten?", fragt die Polizistin Janatuinen irgendwann einen schrulligen Bewohner von Lappland. Die überzeugende Antwort lautet: "Es gibt Seltsameres auf dieser Welt." MATTHIAS HANNEMANN
Juhani Karila: "Der Fluch des Hechts". Roman.
Aus dem Finnischen von Maximilian Murmann. Homunculus Verlag, Erlangen 2022. 304 S., geb., 24,- Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensent Matthias Hannemann lacht sich scheckig mit Juhani Karilas Roman aus der nordfinnischen Pampa. Wo Wassermänner über Fische wachen, riesenhafte Rabbatze ihr Unwesen treiben und eine urbane Mordermittlerin über Provinzgepflogenheiten stolpert wie dereinst Agent Cooper, gibt es für Hannemann was zu lachen und zu lernen. Über Flora und Fauna und wortkarge, merkwürdige Leute und darüber inwieweit das Fantastische Teil des Faktischen sein kann. Die Balance zwischen Krimi, Fantasy und Lovestory gelingt dem Autor überzeugend, findet Hannemann, auch wenn Karila "nach hinten raus" ein bisschen zu sehr drauflosfabuliert.
© Perlentaucher Medien GmbH
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