Am dunklen Nachthimmel der vormodernen Zeit sind Kometen äußerst eindrucksvoll und erschreckend. Als gleichzeitig nach Beschreibung, Erklärung und Deutung verlangende Naturereignisse und als zeichenhafte Phänomene des Wunderbaren werden sie zwischen 1530 und 1682 zu Kondensationspunkten intensiver Kommunikationsprozesse, die ihren literarischen Ausdruck in einer Flut von Kometenflugschriften finden. Anna Jerratsch analysiert diesen Kometendiskurs: Sie zeigt, dass gerade die vermeintlich irrationalen oder übernatürlichen Elemente des traditionellen Kometenbildes, z.B. der Theologie oder Astrologie, zu Katalysatoren eines Wissenswandels werden, indem sie umgedeutet, re-definiert und in das moderne Kometenbild integriert werden. Das zeittypische Nebeneinander von Altem und Neuem ist dabei nicht unverständliche Ambivalenz, sondern konstitutiv. Jerratsch kommt zu dem Schluss, dass es bei den Modernisierungsprozessen des Wissens im 17. Jahrhundert nicht primär um die Durchsetzung einer rationalen Methode gegenu?ber abergläubischen Irrwegen und den Geltungsanspru?chen einer fehlgeleiteten Religiosität ging, sondern vielmehr um die Wandlungsfähigkeit und Anpassungsfähigkeit von Wissenssystemen. Preisträgerin des 'Prix des Jeunes Historiens' der 'Académie Internationale d'Histoire des Sciences' 2021. Anna Jerratsch studierte Wissenschaftsgeschichte, Neuere Geschichte und Soziologie in Berlin und Warwick. Anschließend war sie Doktorandin am Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte und der Humboldt-Universität Berlin. Neben Astronomie- und Kosmologiegeschichte interessiert sie besonders der Zusammenhang von Wissenschaft und Religion in der Geschichte.
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