Ein Streifzug durch acht Landschaften: Wald und Wiese, Moor und Heide, Felder und Flüsse, Berge und Küsten - literarisch, naturkundlich, historisch -, die uns prägen, so wie wir sie seit Jahrtausenden geprägt haben. Wir leben in ihnen, wir leben von ihnen, und das seit Jahrtausenden. Jeder glaubt sie zu kennen - aber wer sind unsere Landschaften wirklich? Was macht ihren Charakter aus, ihre Wechselbeziehung zu uns Menschen? Wer verkörpert sie perfekt? Sind sie Ödnis oder Idylle, eher Geborgenheit oder abweisende Macht? Was an unserem Landschaftsbild ist Erfahrung, was Projektion? Der unheimliche Wald, das gefährliche Moor, die helle und fröhliche Blumenwiese, die fruchtbaren Felder, die karge Heide, die übermütigen Flüsse, das unbezwingbare Meer mit seinen Küsten oder die herausfordernden Berge? Wo findet man noch unberührte Natur, was ist Menschenwerk, welche Ökosysteme sind sogar von menschlicher Bewirtschaftung abhängig? Wie haben Bewohner, Besucher und Eroberer eine Landschaft geformt und geprägt? Und vor allem: Wie ist dieser vielfältige Lebensraum über Jahrtausende hinweg von Menschen erlebt und beschrieben worden? Ein literarischer, biologischer und historischer Streifzug durch acht Landschaften, von der Küste bis zum Gebirge - eine Einladung zum Nachlesen, Miterleben und Augenaufmachen.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.06.2023Vorhölle oder Idyll
"Orte können wechseln, das wahre Zuhause ist dein Körper", sagt die Künstlerin Marina Abramovic. Dennoch fühlt sich nicht jeder Körper an jedem Ort zu Hause. Manchen sind die Berge ein Graus; andere fürchten das Meer eher, als dass sie es lieben; Moor und Heide sind auch nicht jedermanns Geschmack. Machen Feld und Wiese alle Menschen glücklich? Oder die Flüsse mit ihrem hohen Symbolgehalt? Und natürlich der Wald, das germanische Urgestrüpp, seit die Römer frech geworden. Was dem einen sein Idyll und Seelentröster, ist dem anderen die Vorhölle. Wie die Bedeutung der Landschaft sich entwickelte, erkundet die ungemein belesene Susanne Wiborg in diesem klugen Buch, das aus historischen und naturkundlichen Quellen schöpft und literarische Stimmen von Goethe bis Marlitt, Tucholsky bis Bachmann zu den heimischen Landschaften und ihrer prägenden Atmosphäre zitiert. In vorindustrieller Zeit wappnete man sich gegen die Natur, die sowieso tat, was sie wollte: das ungnädige Moor, das unbeeindruckte Meer ("verschmutzen geht immer, verändern nicht"). Als Feldmark wurde Landschaft genutzt und respektiert; verklärt wurde sie erst in der Romantik, "doitsch" erst durch Ideologisierung, großflächig zerstört in denkbarer Zeit. Starke Worte findet Wiborg da zum Thema Wolf, dem Fetisch eines idealisierenden Naturschutzes und Überlebenskünstler, der Weidetiere, die eine gewachsene, artenreiche Kulturlandschaft erhalten, meuchelt. Soweit sei die Sehnsucht nach heiler Natur gediehen, dass einer, der an jedem Autobahnkreuz zurecht käme, zum "Ablasstier für unsere kollektiven Umweltsünden" mutierte. Der Wolf, so Wiborg, sollte sich hier lieber nicht zu Hause fühlen. letz
"Der glückliche Horizont - Was uns
Landschaft bedeutet" von Susanne Wiborg, Verlag Antje Kunstmann, München 2023.
360 Seiten. Gebunden, 25 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Orte können wechseln, das wahre Zuhause ist dein Körper", sagt die Künstlerin Marina Abramovic. Dennoch fühlt sich nicht jeder Körper an jedem Ort zu Hause. Manchen sind die Berge ein Graus; andere fürchten das Meer eher, als dass sie es lieben; Moor und Heide sind auch nicht jedermanns Geschmack. Machen Feld und Wiese alle Menschen glücklich? Oder die Flüsse mit ihrem hohen Symbolgehalt? Und natürlich der Wald, das germanische Urgestrüpp, seit die Römer frech geworden. Was dem einen sein Idyll und Seelentröster, ist dem anderen die Vorhölle. Wie die Bedeutung der Landschaft sich entwickelte, erkundet die ungemein belesene Susanne Wiborg in diesem klugen Buch, das aus historischen und naturkundlichen Quellen schöpft und literarische Stimmen von Goethe bis Marlitt, Tucholsky bis Bachmann zu den heimischen Landschaften und ihrer prägenden Atmosphäre zitiert. In vorindustrieller Zeit wappnete man sich gegen die Natur, die sowieso tat, was sie wollte: das ungnädige Moor, das unbeeindruckte Meer ("verschmutzen geht immer, verändern nicht"). Als Feldmark wurde Landschaft genutzt und respektiert; verklärt wurde sie erst in der Romantik, "doitsch" erst durch Ideologisierung, großflächig zerstört in denkbarer Zeit. Starke Worte findet Wiborg da zum Thema Wolf, dem Fetisch eines idealisierenden Naturschutzes und Überlebenskünstler, der Weidetiere, die eine gewachsene, artenreiche Kulturlandschaft erhalten, meuchelt. Soweit sei die Sehnsucht nach heiler Natur gediehen, dass einer, der an jedem Autobahnkreuz zurecht käme, zum "Ablasstier für unsere kollektiven Umweltsünden" mutierte. Der Wolf, so Wiborg, sollte sich hier lieber nicht zu Hause fühlen. letz
"Der glückliche Horizont - Was uns
Landschaft bedeutet" von Susanne Wiborg, Verlag Antje Kunstmann, München 2023.
360 Seiten. Gebunden, 25 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main