Athen, 63 Jahre vor Zeitrechnung. Die Leiche eines Jungen wird in einem Lagerhaus in Piräus gefunden. Der Arzt Demetrios wird zu dem Fall gerufen. Schnell befindet er sich mitten in einer Affäre, die ihn und seine Familie zu zerstören droht. Alle Spuren führen nach Rom woraus er auf Lebenszeit verbannt worden war."Der Grieche" ist die Fortsetzung des Buches "Der Römer" von Lasse Holm, ein Politthriller aus der Antike, der vom Niedergang Roms erzählt.-
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.04.2017Leben geben, Leben nehmen
Krimis in Kürze: Annas, Holm, Strukul, Hamilton
Da steht einer am Fenster zum Hof. Natürlich nicht, um Verstöße wider die Mülltrennung zu beobachten. Später hängen Plakate an einer Mauer, die das Gesicht eines Mannes und das Wort "Mörder" zeigen. Man ahnt schnell, dass Max Annas, bevor er Kriminalromane zu schreiben begann, auch als Film- und Musikkritiker gearbeitet hat. "Illegal" (Rowohlt, 240 S., geb., 19,95 [Euro]) ist sein dritter Roman. Er erzählt eine Geschichte, die in unsere Welt passt. Kodjo, der junge Ghanaer, lebt schon seit ein paar Jahren in Berlin, er war verheiratet und hatte Arbeit als Historiker. Nach Scheidung und Kündigung ist er in die Illegalität gerutscht, mit einem Küchenjob, einem Überlebensnetzwerk, einer deutschen Freundin und einem Dachboden in einem leerstehenden Haus. Das funktioniert - bis er einen Mord beobachtet. Und vom Mörder gesehen wird.
So wird aus der dauerhaften, unbestimmten Bedrohung eine konkrete Verfolgung. Annas entwickelt daraus einen spannenden, zügig erzählten Plot, er wechselt die Perspektiven, er hat erkennbar recherchiert im Milieu jener Menschen, die immer zugleich sichtbar sind und unsichtbar sein müssen. Die Charaktere allerdings sind ein wenig flächig geraten, da gibt er sich bei den Porträts zu rasch mit dem nächstliegenden Strich zufrieden. Vielleicht käme das Buch eher zu sich, wenn aus ihm ein Drehbuch würde. Dann wäre bloß die Frage, ob die deutschen Filmförderer nicht einen anderen Schluss verlangen würden.
Sehr fern von unserer Welt und Zeit ist es, wovon der Däne Lasse Holm erzählt. "Der Römer" heißt der erste, "Der Grieche" (Osburg Verlag, 456 S., br., 12.- [Euro]) der zweite Roman des hauptberuflichen Designers und Illustrators. Beider Held ist der Arzt Demetrios, der Sulla behandelte und das römische Bürgerrecht erlangte. Kein klassischer Ermittler, aber ein Mann mit praktischen und logischen Kenntnissen, um aus rätselhaften Todesfällen und anderen komplizierten Sachverhalten Schlüsse zu ziehen. Das ist ein hermeneutisch sinnvoller Ansatz, weil er nicht einfach moderne Lösungsmuster auf antike Verhältnisse projiziert, wie das so viele Römer-Krimis tun.
Wenn "Der Grieche" beginnt, ist Cicero Konsul und Catilina steht vor der Tür, doch die berühmte Verschwörung aus dem Jahr 63 vor Christus ist zunächst nur ein Hintergrund. Ein ziemlich beliebter Hintergrund übrigens, der auch schon die Romane von Robert Harris, Steven Saylor oder John Maddox Roberts inspiriert hat. Vor Rom jedoch gibt es Morde in Athen, Demetrios' Exilort, und komplizierte Familienverhältnisse. Man muss ein Faible für dieses Antiken-Setting haben, um Feuer zu fangen. Denn es ist schwer zu entscheiden, ob es an Übersetzung und Lektorat liegt oder an der Sprache des Originals, dass manches holpert und stolpert. Das Glossar hätte auch ein bisschen mehr Präzision vertragen. Aber schon wegen Holms einfallsreicher und durch Quellen nicht einfach aus der Welt zu schaffenden Sicht auf Ciceros Anteil an der Catilinarischen Verschwörung lohnt sich die Lektüre.
Es ist ein nicht unbedingt verwandtes Faible, das man haben muss, um sich an dem Pulp-Stil von Matteo Strukul zu erfreuen, obwohl es in der Antike mindestens so drastisch, blutig und gewaltsam zuging wie im Norditalien von heute, wo chinesische Triaden und, nun ja, altes Geld in Gestalt von traditionellen Mafiosi aufeinanderprallen. Und Strukul, der auch schon Comicszenarien geschrieben hat, lässt es in "Mila" (Suhrkamp, 206 S., br., 8,99 [Euro]) wirklich krachen. An der Titelheldin mit flammender roter Mähne, Kampfsport- und Schusswaffenexpertise hätte auch Tarantino viel Spaß, und es ist auch hilfreich, wenn man "Grindhouse" von Tarantino und seinem Blutsbruder Roberto Rodriguez kennt, sich "Mila" als Prosa-Äquivalent dazu vorzustellen. Wobei diese rothaarige Rächerin natürlich auch eine ferne Schwester von Uma Thurmans Braut in "Kill Bill" ist. Wie gesagt, man muss das mögen, und wenn man das tut, kommt man hier auf seine Kosten.
Eher klassisch, seriöser, ohne deswegen langweilig zu sein, ist Steve Hamiltons Thriller "Das zweite Leben des Nick Mason" (Droemer, 336 S., br., 14.- [Euro]). Ein Mann kommt vorzeitig aus dem Knast frei. Der Unterweltherrscher von Chicago, der aus der Haft regiert, hat dafür gesorgt. Nick Mason ist ein Dieb, aber kein Mörder. Jetzt soll er ein Killer werden. Er will seine Frau und seine Tochter zurück. Statt Freiheit hat er bedingte Bewegungsfreiheit. Ein Cop ahnt, was da läuft. Um sein Leben zurückzubekommen, muss Mason Leben nehmen. Das ist ein Tausch, der nie aufgehen kann. Er weiß das, weil er intelligent ist; er handelt, weil er sich gegen sein Schicksal auflehnt. Das ist eine harte, klare Struktur. Ihr entsprechen Sprache und Tempo des Romans bis zum Schluss.
PETER KÖRTE
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Krimis in Kürze: Annas, Holm, Strukul, Hamilton
Da steht einer am Fenster zum Hof. Natürlich nicht, um Verstöße wider die Mülltrennung zu beobachten. Später hängen Plakate an einer Mauer, die das Gesicht eines Mannes und das Wort "Mörder" zeigen. Man ahnt schnell, dass Max Annas, bevor er Kriminalromane zu schreiben begann, auch als Film- und Musikkritiker gearbeitet hat. "Illegal" (Rowohlt, 240 S., geb., 19,95 [Euro]) ist sein dritter Roman. Er erzählt eine Geschichte, die in unsere Welt passt. Kodjo, der junge Ghanaer, lebt schon seit ein paar Jahren in Berlin, er war verheiratet und hatte Arbeit als Historiker. Nach Scheidung und Kündigung ist er in die Illegalität gerutscht, mit einem Küchenjob, einem Überlebensnetzwerk, einer deutschen Freundin und einem Dachboden in einem leerstehenden Haus. Das funktioniert - bis er einen Mord beobachtet. Und vom Mörder gesehen wird.
So wird aus der dauerhaften, unbestimmten Bedrohung eine konkrete Verfolgung. Annas entwickelt daraus einen spannenden, zügig erzählten Plot, er wechselt die Perspektiven, er hat erkennbar recherchiert im Milieu jener Menschen, die immer zugleich sichtbar sind und unsichtbar sein müssen. Die Charaktere allerdings sind ein wenig flächig geraten, da gibt er sich bei den Porträts zu rasch mit dem nächstliegenden Strich zufrieden. Vielleicht käme das Buch eher zu sich, wenn aus ihm ein Drehbuch würde. Dann wäre bloß die Frage, ob die deutschen Filmförderer nicht einen anderen Schluss verlangen würden.
Sehr fern von unserer Welt und Zeit ist es, wovon der Däne Lasse Holm erzählt. "Der Römer" heißt der erste, "Der Grieche" (Osburg Verlag, 456 S., br., 12.- [Euro]) der zweite Roman des hauptberuflichen Designers und Illustrators. Beider Held ist der Arzt Demetrios, der Sulla behandelte und das römische Bürgerrecht erlangte. Kein klassischer Ermittler, aber ein Mann mit praktischen und logischen Kenntnissen, um aus rätselhaften Todesfällen und anderen komplizierten Sachverhalten Schlüsse zu ziehen. Das ist ein hermeneutisch sinnvoller Ansatz, weil er nicht einfach moderne Lösungsmuster auf antike Verhältnisse projiziert, wie das so viele Römer-Krimis tun.
Wenn "Der Grieche" beginnt, ist Cicero Konsul und Catilina steht vor der Tür, doch die berühmte Verschwörung aus dem Jahr 63 vor Christus ist zunächst nur ein Hintergrund. Ein ziemlich beliebter Hintergrund übrigens, der auch schon die Romane von Robert Harris, Steven Saylor oder John Maddox Roberts inspiriert hat. Vor Rom jedoch gibt es Morde in Athen, Demetrios' Exilort, und komplizierte Familienverhältnisse. Man muss ein Faible für dieses Antiken-Setting haben, um Feuer zu fangen. Denn es ist schwer zu entscheiden, ob es an Übersetzung und Lektorat liegt oder an der Sprache des Originals, dass manches holpert und stolpert. Das Glossar hätte auch ein bisschen mehr Präzision vertragen. Aber schon wegen Holms einfallsreicher und durch Quellen nicht einfach aus der Welt zu schaffenden Sicht auf Ciceros Anteil an der Catilinarischen Verschwörung lohnt sich die Lektüre.
Es ist ein nicht unbedingt verwandtes Faible, das man haben muss, um sich an dem Pulp-Stil von Matteo Strukul zu erfreuen, obwohl es in der Antike mindestens so drastisch, blutig und gewaltsam zuging wie im Norditalien von heute, wo chinesische Triaden und, nun ja, altes Geld in Gestalt von traditionellen Mafiosi aufeinanderprallen. Und Strukul, der auch schon Comicszenarien geschrieben hat, lässt es in "Mila" (Suhrkamp, 206 S., br., 8,99 [Euro]) wirklich krachen. An der Titelheldin mit flammender roter Mähne, Kampfsport- und Schusswaffenexpertise hätte auch Tarantino viel Spaß, und es ist auch hilfreich, wenn man "Grindhouse" von Tarantino und seinem Blutsbruder Roberto Rodriguez kennt, sich "Mila" als Prosa-Äquivalent dazu vorzustellen. Wobei diese rothaarige Rächerin natürlich auch eine ferne Schwester von Uma Thurmans Braut in "Kill Bill" ist. Wie gesagt, man muss das mögen, und wenn man das tut, kommt man hier auf seine Kosten.
Eher klassisch, seriöser, ohne deswegen langweilig zu sein, ist Steve Hamiltons Thriller "Das zweite Leben des Nick Mason" (Droemer, 336 S., br., 14.- [Euro]). Ein Mann kommt vorzeitig aus dem Knast frei. Der Unterweltherrscher von Chicago, der aus der Haft regiert, hat dafür gesorgt. Nick Mason ist ein Dieb, aber kein Mörder. Jetzt soll er ein Killer werden. Er will seine Frau und seine Tochter zurück. Statt Freiheit hat er bedingte Bewegungsfreiheit. Ein Cop ahnt, was da läuft. Um sein Leben zurückzubekommen, muss Mason Leben nehmen. Das ist ein Tausch, der nie aufgehen kann. Er weiß das, weil er intelligent ist; er handelt, weil er sich gegen sein Schicksal auflehnt. Das ist eine harte, klare Struktur. Ihr entsprechen Sprache und Tempo des Romans bis zum Schluss.
PETER KÖRTE
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