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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
© Perlentaucher Medien GmbH
Böden sind eine knappe und - in Zeitdauern, wie sie für Menschen bedeutsam sind - nicht erneuerbare Ressource von ökologischem und ökonomischem Wert. Es dürfte nur wenigen bewusst sein, in welchem Ausmaß die Menschheit von den Leistungen des Bodens profitiert. Böden speichern Wasser und Kohlenstoff, sie sind ein komplexer Lebensraum, der eine erstaunliche biologische Vielfalt beherbergt, sie regeln die natürlichen Kreisläufe von organischen und mineralischen Stoffen und sichern unsere Ernährung.
Welch drastische Folgen ein Missbrauch des Bodens haben kann, zeigt beispielhaft der "Dust Bowl", der in den Dreißigerjahren des vergangenen Jahrhunderts große Teile der Great Plains, ursprünglich trockene Kurzgras-Prärien östlich der Rocky Mountains, verwüstete. Die Rodung des Präriegrases und Anbaumethoden, die nicht an das trockene Klima angepasst waren, führten während einer Dürreperiode zur massiven Erosion des Mutterbodens. Viele mussten ihr Land verlassen, und der stark betroffene Bundesstaat Oklahoma verlor fünfzehn Prozent seiner Bevölkerung.
Es stellt sich allerdings die Frage, ob Lehren aus dieser Erfahrung gezogen wurden. Extremwetterereignisse wie Dürren und Starkregen - deren Auftreten mit dem Klimawandel zunimmt - verstärken die Bodenerosion. In den Industrieländern geht die Bodenversiegelung nahezu ungebremst weiter, für sie werden wertvolle Ackerflächen und auch für den Schutz der biologischen Vielfalt wichtige Flächen geopfert.
Die Journalistinnen Tanja Busse und Christiane Grefe beschreiben in ihrem Buch, welche Ansprüche an den Boden gestellt werden - er soll dem Ackerbau dienen, Flächen für Wind- und Solarkraftwerke, Wohnungen und Gewerbe bieten, Schauplatz des Natur- und Artenschutzes sein -, und fragen, ob und wie sich all dies in Einklang bringen lässt. Die Abhandlung beginnt mit einer kurzen Einführung in die Entstehung, Biologie und ökologische Bedeutung von Böden. Schon hier zeigt sich, wie komplex und fragil die in Jahrtausenden wachsende Bodenstruktur ist - diese dünne Schicht spielt für das Funktionieren von Ökosystemen nämlich eine zentrale Rolle.
Es gibt noch viel über Böden zu erforschen. Groß sind etwa die Wissenslücken mit Blick auf die Vielfalt jener Mikroorganismen, die Böden bewohnen. Ebenso müsste genau geklärt werden, wie die Fähigkeit des Bodens, Kohlenstoff zu speichern, von landwirtschaftlichen Anbaumethoden beeinflusst wird. Die Autorinnen benennen dafür jene Leute, die ein gesteigertes Interesse an den zunehmend knappen Flächen haben, was nicht selten zu Auseinandersetzungen führt: Landwirte, Stromerzeuger, Autofahrer, Investoren, Naturschützer. Regierungen und Verwaltungen wiederum begünstigen derzeit oft Stromerzeuger oder den Wohnungsbau - auf Kosten der Landwirtschaft und des Naturschutzes.
Tanja Busse und Christiane Grefe bieten keine einfachen Antworten, vielmehr zeigen sie, wie schwierig es auf kommunaler, Landes- und Bundesebene ist, die verschiedenen legitimen Ansprüche an den Boden abzuwägen und Lösungen für die Konflikte zu finden. Interessen des Gemeinwohls wie Schutz von Wasser, Klima und biologischer Vielfalt haben in normalen Verfahren einen niedrigen Stellenwert; die Naturschutzbehörden dürfen natürlich warnen, aber diese Warnungen müssen nicht berücksichtigt werden.
Der Konkurrenzkampf um Land und Böden ist mithin groß, die finanziellen Interessen liegen auf der Hand. Man denke an den verstärkten Anbau sogenannter "flex crops", etwa Soja oder Zuckerrohr, die als Nahrung aber auch als Tierfutter oder Brennstoff dienen können. Zudem wird in Zeiten niedriger Zinsen intensiv in Grund und Boden investiert, was auf Kosten unabhängiger Landwirte geschieht. Dies passiert auch bei uns, in Brandenburg etwa sind nur ein Drittel der landwirtschaftlich genutzten Flächen im Besitz der Landwirte, die den Boden bewirtschaften.
Versuche, regional ansässige Landwirte im Grundstücksverkehr gesetzlich zu bevorzugen, scheitern immer wieder, wie etwa kürzlich der Entwurf des sächsischen Agrarstrukturgesetzes. Das liegt auch daran, dass die Bauernschaft gespalten ist in jene, die vom Verkauf an außerlandwirtschaftliche Käufer profitieren möchten, und solche, die unabhängige Landwirte vor Investoren schützen wollen. Busse und Grefe zeigen zudem, dass Landnutzungskonflikte in Afrika und Südasien nicht losgelöst von Entwicklungen in Europa betrachtet werden können.
Lösungen für diese Konflikte sehen die Autorinnen in Agroforstwirtschaft, Schwammstädten, Entsiegelungsprämien und Bodensteuern. Es gehe nicht mehr um eine Versöhnung von Ökologie und Ökonomie, sondern jetzt gelte "Ecology First". Anders seien die Krisen des Anthropozäns nicht mehr zu meistern. Die Bewahrung des Bodens sei grundlegend für die Bewahrung und den Schutz unseres Wohlstands. Diese Vorschläge sind durchaus erwägenswert, ob sie aber im augenblicklichen politischen Klima mehrheitsfähig sind, darf bezweifelt werden. THOMAS WEBER
Tanja Busse und Christiane Grefe: "Der Grund". Die neuen Konflikte um unsere Böden - und wie sie gelöst werden können.
Verlag Antje Kunstmann, München 2024.
240 S., geb., 24,- Euro.
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