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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
© Perlentaucher Medien GmbH
Erinnerungen an die "Arbeit" am unvollendeten Berliner Flughafen BER
An diesem Freitag erscheinen zwei Bücher zum unvollendeten Berliner Flughafen BER, eines vom Architekten Meinhard von Gerkan, das andere von einem Unbekannten. Matthias Roth hat 18 Monate für die Flughafengesellschaft gearbeitet. Die im Buch beschriebenen Personen, heißt es am Anfang, existierten "so" nicht, Handlungen und Eigenschaften, Abteilungen und Funktionen, ja, die beschriebenen Orte und die genannten Zeiten seien "ausgetauscht" worden: Das wird wohl ein Jurist formuliert haben, um den Autor vor Nachstellungen von Kollegen zu schützen, die sich unvorteilhaft getroffen finden könnten.
Zeitungsleser werden sich von dem Büchlein wenig versprechen. Ein Referent im "Zentralen Controlling", was hätte der zu erzählen? Mitglieder des Aufsichtsrats, Vertreter der Gesellschafter, Mitglieder der Geschäftsführung und Politiker, die sich zur Aufsicht über die Baustelle berufen fühlen, streiten sich schließlich auf offener Bühne über den Zustand des Flughafens und die Verantwortung dafür.
In seinem neuen Job findet Roth nicht heraus, was er zu tun hat. Seine Kollegin, mit der er das Büro teilt, und sein unmittelbarer Vorgesetzter behaupten, es sei "unglaublich viel zu tun", doch schon am zweiten Tag zeigt sich, dass nichts zu tun ist. Der Chef fährt in Urlaub, die frustrierte Kollegin ödet ihn an mit ihrer Geschichte: Sie hat es von der Ansagerin am Flughafen Tegel bis zur Abteilungsleiterin in der Verwaltung geschafft, doch dann fiel die Mauer, die Flughäfen Schönefeld (Ost) und Tegel (West) wurden fortan gemeinsam verwaltet, und seitdem bezieht sie zwar ihr Gehalt, doch hat nichts zu tun und ist inzwischen regelrecht verkommen.
Zur gängigen Kritik an "denen da oben" gehört die Vorstellung, "die da unten" besäßen den Durchblick und verrichteten die eigentliche Arbeit. Anfangs vermutet man, dass auch Roth so eine Geschichte erzählt: Auf Seite 20, er schildert seinen fünften Arbeitstag, schreibt er, die "Steuerung von Unternehmen über Kennzahlen" sei verbreitet, doch "so weit ist der Flughafen noch nicht", und nach einer Woche hat er immer noch "keine Vorstellung davon, was meine Aufgaben sind". Doch in seinem 13. Monat beim Flughafen antwortet er auf die Frage, was er "denn hier so" mache: "Ich glaube, meine wichtigste Aufgabe ist, die Abteilung hier personell zu vergrößern", und der Leser weiß, dass es stimmt. "Wir sind Teil dieses unprofessionellen, unorganisierten, unstrukturierten und gleichgültigen Haufens", wissen seine Kollegen.
Als Autor tritt Roth betont harmlos auf, er beschreibt viel, analysiert wenig. Er sucht sich Arbeit, liest Zeitung im Büro, dehnt die Kaffeepausen aus, lernt Leute kennen, die wie er darunter leiden, nicht gebraucht zu werden, und schafft es nicht, eine Aufgabe zu bekommen. Im vierten Monat erhält er die Aufgabe, "eine Powerpoint-Folie anzufertigen zu der Fragestellung, ob die nördliche Landebahn dieses Jahr saniert werden soll oder erst in fünf Jahren zu dann höheren Kosten, aber auch gründlicher". Er braucht dafür eine Stunde - und im wirklichen Leben ist die Frage immer noch offen, und sie ist immer noch umstritten.
Allmählich versteht der Leser, dass er Roths Erlebnissen trauen darf und dass seine Beschreibungen ins Schwarze treffen und ebenso plausibel sind wie die Erklärung, der neue Flughafen BER könne wegen Mängeln im Brandschutz nicht in Betrieb gehen. Von einem Kollegen lernt er: "Der Aufsichtsrat kümmert sich nicht um die Gesellschaft, sofern nur irgendwann möglichst ohne Probleme ein neuer Flughafen da steht." Schließlich erringt er die Zuständigkeit für einen Risikobericht. Doch beim Versuch, eine Aufstellung der Risiken zu erarbeiten, hört er von allen Führungskräften - einschließlich von "Nr. 1" - dasselbe: "Es gibt keine Risiken." Aber es wird eine Beraterfirma eingeschaltet, denn Geld spielt keine Rolle. Matthias Roth, der heute in Kalifornien sein Geld verdient, schildert eine Firma, die zwar alle tiefen Umbrüche der vergangenen zwanzig Jahre überstanden hat, der jedoch - wie der Politik in Berlin - die Kraft zur Selbstreform fehlt.
MECHTHILD KÜPPER
Matthias Roth: Der Hauptstadtflughafen. Politik und Missmanagement. Ein Insider berichtet. Verlag zu Klampen, Springe 2013, 174 Seiten, 13,99 [Euro].
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