Die Geschichte „Stockheim kommt“ rafft die Ereignisse jenes Augenblicks zusammen, da ein ehemaliger Gutsbesitzer in „sein“ Bördedorf „heimkehrt“. Der Großvater, ehemals Dorfschmied, wird vom Enkel alarmiert und eilt - die Szene, da man das Gutsland ausmaß und verteilte, noch in bester Erinnerung - zur Gutshaus-Allee, wo er Stockheim dann auch begegnet ... Die das Taschenbuch einleitende Erzählung „Der Hirt“ ist älteren Datums, packend geschrieben, und skizziert mit einer atemberaubenden Geschichte die Tage in den Monaten, die die Bodenreform zur Konsequenz hatten. „Nichts von dem, was ich bisher erzählte, ist von meinen persönlichen Erlebnissen und Erfahrungen jemals so entfernt gewesen wie die Geschichte des Hirten... Als sie dann erschien, wollten sie manche Kritiker gar nicht haben. Nach dem Zimmermann Balla war der Hirt Godefred für sie etwas sehr Ungehöriges meinerseits. Ich allerdings habe meine weltanschaulichen und künstlerischen Positionen niemals verengen wollen und sie stets so weit zu spannen versucht, daß sie alle Menschen in meinem Lande erreichen, mit denen ich lebe und für die ich schreibe. Zu ihnen gehören die Gatts genauso wie die Godefreds. Für mich persönlich war die Geschichte vom Hirten überdies der Beweis, daß meine Phantasie noch intakt ist. In der innigen Umarmung mit dem jederzeit härteren Realismus geht es ihr wie jedem Brautpaar: Sie empfindet Freude am Schöpferischen. Später freilich, 1990, müssen wohl gewisse neudeutsche Buchgeschäftler meinen damaligen Kritikern nachgekrochen sein. Wie Tausende und aber Tausende Bände Literatur, die in der DDR gedruckt worden sind, warfen sie auch den HIRTEN auf die Müllkippe. Mit der Erzählung STOCKHEIM KOMMT verhält es sich anders. Sie entstand erst in diesen Tagen, und bei ihr bedurfte es kaum noch der „Phantasie“. Ich brauchte nur dem „härteren Realismus“, ja mehr, der brutalen junkerlich-kapitalistischen Realität, wie sie jetzt allerorten unser Land überfällt, nachzugehen, um sie skizzenhaft festzuhalten. Und da ich selbst einmal als Junge von einem Gutsherrn, weil ich von seinem Feld eine Mohrrübe stahl, mit Schüssen verscheucht wurde, ist mir diese Geschichte sehr nahe, könnte mein eigenes Erlebnis sein. Freunde rieten mir, beide Erzählungen gemeinsam in einem Band zu veröffentlichen, da sie sich durchaus vertrügen. Mir scheint es inzwischen ebenfalls so, doch überlasse ich es wie stets meinen Lesern, welche Parallelen zwischen beiden Texten sie ziehen möchten.“ Erik Neutsch 1998