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„Es ist viel Raum in den Hautfalten des Buddha." Keith Stapperpfennig kommt aus einer einzigartigen Familie. Von der Mutter weiß er wenig, vom Vater gar nichts. Zusammen mit vier vermeintlichen Geschwistern wuchs er beim Großvater auf – mit immer neuen, immer jüngeren Großmüttern. In eine von ihnen hat Keith sich selbst verliebt. Zum Achtzigsten schenken die Enkel ihrem Großvater eine gemeinsame Reise an ein Ziel seiner Wahl. Als er sich China wünscht, will keiner ihn begleiten – am Ende bleibt es an Keith hängen. Der lehnt sich zum ersten Mal im Leben auf, verjubelt das Reisegeld und lässt…mehr

Produktbeschreibung
„Es ist viel Raum in den Hautfalten des Buddha." Keith Stapperpfennig kommt aus einer einzigartigen Familie. Von der Mutter weiß er wenig, vom Vater gar nichts. Zusammen mit vier vermeintlichen Geschwistern wuchs er beim Großvater auf – mit immer neuen, immer jüngeren Großmüttern. In eine von ihnen hat Keith sich selbst verliebt. Zum Achtzigsten schenken die Enkel ihrem Großvater eine gemeinsame Reise an ein Ziel seiner Wahl. Als er sich China wünscht, will keiner ihn begleiten – am Ende bleibt es an Keith hängen. Der lehnt sich zum ersten Mal im Leben auf, verjubelt das Reisegeld und lässt den Großvater alleine ziehen. Doch dann bekommt Keith von der jüngsten Großmutter einen Anruf, sein Opa sei im Westerwald gestorben. Er muss eine Geschichte aus dem Hut zaubern, die den Geschwistern glaubhaft macht, die Reise habe stattgefunden – und erfindet sein eigenes China. Doch je weiter sich Keith in seine Lügen verstrickt, desto deutlicher wird, dass er nicht als Einziger die Unwahrheit sagt. Tilman Rammstedt ist ein überwältigender Roman gelungen, so sprühend, rasant und urkomisch, dass man sich mit dem größten Vergnügen belügen lässt.
Autorenporträt
Tilman Rammstedt wurde 1975 in Bielefeld geboren und lebt in Berlin. Bei DuMont erschienen sein Debüt ¿Erledigungen vor der Feier¿ (2003) sowie die Romane ¿Wir bleiben in der Nähe¿ (2005) und ¿Der Kaiser von Chinä (2008). Neben vielen anderen Auszeichnungen (u.a. dem Förderpreis für grotesken literarischen Humor der Stadt Kassel) wurde Tilman Rammstedt mit dem Ingeborg-Bachmann-Preis und dem Annette-von-Droste-Hülshoff-Preis geehrt. Auszeichnungen 2009 Literaturpreis der Wirtschaft 2008
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.10.2008

Der Tod, diese Schweinerei, muss aufhören!

Zig Chinesen und kein Kontrabass: Tilman Rammstedts brachial komischer und tief humaner, bachmannpreisgekrönter Roman ist eine Reise ins China des Herzens, wo die fröhliche Wiedergeburt regiert.

Von Oliver Jungen

Bei uns macht das der Frosch. Leiter rauf, Leiter runter, immer schlecht gelaunt. In China ist die Wettervorhersage Sache Pu-tais, zu deutsch: Hanfsack. Hanfsack spaziert übers Land, so unbesorgt, dass es eine Lust ist. Schläft er auf Brücken, wird es sonnig; trägt er Holzsandalen, kommt Regen. Was ihn vom Frosch unterscheidet: Die Meteorologie ist bloß ein Hobby, denn eigentlich hat Hanfsack eine ganz andere Mission. Hanfsack lacht. Lacht, dass es nur so bebt, weil sein gewaltiger Bauch dabei auf die Erde trommelt. Lacht sich einen Ast, einen Baum, einen ganzen Maulbeerwald. Durch alle Dörfer lacht er, hochgradig ansteckend, zieht erst weiter, wenn niemand mehr widersteht.

China ist da, wo alles andere aufhört. Es war schon da, bevor alles andere angefangen hat. China besteht aus Porzellan, aus Hüten, aus Papier, aus hüpfenden Schirmschatten, ist ein evolutionsgeschichtlicher Rülpser, ein pränatales Schnauben des Weltgeistes, der noch in keinen Spiegel geschaut hat. China ist überall, unter allem, hinter allem, ist das All selbst, wenn es sich kugelt vor Lachen, ist die Blüte der Kirsche, der Bauch des Buddhas, eine einzige Überforderung: "Man will ,Entschuldigung' sagen können, man will ,Nein, das daneben' sagen können, man will sich auskennen und Straßenschilder verstehen." China ist irgendwo in uns. Selbst im Frosch. Denn egalitär ist China ja auch, weil alles egal ist: "Wei-Dynastie, Sui-Dynastie, Tang-Dynastie, Hong-Dynastie, ganze Jahrhunderte purzelten durcheinander und waren mir vollkommen gleichgültig." Was soll heißen, es gibt seit Pu Yí keinen chinesischen Kaiser mehr? Es gibt dort gar nichts anderes als Kaiser, und einer steht gerade vor uns, beileibe kein unbedeutender, sondern ein unermesslicher, einer, der nicht altert, der so prallvoll mit Lebensübermut ist, dass er es sich sogar leisten kann, vorübergehend tot zu sein, nicht nur tot, sondern: tot im Westerwald.

Im Nebenberuf ist der Kaiser von China ein einarmiger Großvater, was man in diesem Fall getrost als "GV" abkürzen darf, denn seine Potenz scheint unerschöpflich. Er ist reines Glutamat: Mit diebischer Freude schnappt er seinem Lieblingsenkel die Freundinnen weg, bis dann, eines späten Tages, der Enkel dem Großvater die junge Geliebte ausspannt. Aber ist dem wirklich so? Vermacht der alte Weise sie ihm nicht vielmehr? Und schließt die Augen, wenn die beiden jungen Menschen sich vereinen, wozu sie offenbar nur in seinem Blickfeld in der Lage sind? Franziska heißt die Freundin des Helden, die eben noch seine Großmutter war, Keith heißt er selbst, einen Namen, den Franziska nicht in den Mund nimmt, lieber nennt sie ihn "Kapunkt", "Mick", "hin und wieder auch ,Dingens', was sie lustiger fand als ich". Keith hockt tagelang unter seinem Schreibtisch, Franziska zertrümmert Gegenstände, das Standesamt scheint eine Art Fluchtpunkt zu sein, während der Großvater einerseits tot im Westerwald liegt und andererseits quicklebendig durch China tingelt.

Aber was heißt schon einerseits und andererseits, wo doch alles eins ist, Yin und Yang. Nur was, bitte schön, ist hier los? Alles ist los, ist gelöst, explodiert in unserer Hand wie ein Chinaböller. Befreit regnen die Zeitungsschnipsel auf uns herab. Der Held, scheint es, steht nicht viel anders da als wir. Komplexität muss reduziert werden, mit dieser Hochzeit zum Beispiel - "dann wären immerhin Tatsachen geschaffen, das würde es einfacher machen". Und so einfach ist es: Tilman Rammstedts Roman ist ein Tempel, ein Affenzirkus, eine Liebeserklärung an die Phantasie, weil die Phantasie eine Liebeserklärung an das Leben ist. "Der Kaiser von China" ist ein Buch, das uns die richtige Station verpassen lässt, die richtige Bahn, die richtige Stadt, alles scheinbar Richtige, den Schlaf, den Einkauf, das Kino-Rendezvous, die Deadline; ein Roman, aus dem wir nicht aussteigen können, nicht bei diesem Tempo, der uns hochreißt, mitreißt, wegreißt, weit fort, und der uns erschüttert, weil wir plötzlich, Tränen lachend, hinter der irrwitzigen, kalligraphisch verzierten Fassade eine tiefe und freundliche Wahrheit erblicken, weil ein Buddha in seinem Inneren sitzt, Pu-tai selbst, der immer Wiedergeborene, Sonne und Regen im Hanfsack. Ein ganz und gar undeutsches Buch ist das, das nicht nur jeden Preis verdient, sondern bereits zwei bedeutende gewonnen hat, bevor es überhaupt erschienen ist. Ins Klagenfurter Seriositätenkabinett, diesen Porzellanladen, brach Rammstedt mit der Wucht einer Elefantenhorde ein.

Worum geht es denn nun? Um scheinbar Alltägliches: Eine gemeinsame Reise schenken die Enkel dem alleinerziehenden Großvater, die natürlich doch wieder am Lieblingsenkel Keith hängenbleibt. Der aber beginnt sich zu sperren, als der Wunsch China lautet. Großvater greift zum großväterlichen Universalargument: "Ich sterbe", wobei Keith längst davon überzeugt ist, dass er das niemals tun wird: "Sein Ehrgeiz, nicht zu sterben, wurde nach und nach zu einer ausgewachsenen Obsession. Alle paar Tage mussten wir mit ihm zum Friedhof, wo er dann Grab um Grab abschritt und triumphierend ,Jünger', ,Viel jünger', ,Fast gleich alt' rief." Wie sagte schon Bazon Brock: "Der Tod muss abgeschafft werden, diese verdammte Schweinerei muss aufhören." Wütend wird Buddha Großvater nie, aber energisch, als der Enkel eine Fliege erschlagen hat, die ihn nervte: "Bei uns wird niemand erschlagen, weil er nervt." Keith also kommt Franziska näher. Sie verjubeln das Reisegeld, die Reise verschiebt sich, der Großvater, immer kränklicher nun doch, verschwindet, und Keith versteckt sich schlechten Gewissens unter dem Tisch. Postkarten aus China erreichen ihn, einem ganz eigenen China: "Das Bild des dicken goldenen Mannes war aus irgendeinem Reiseprospekt herausgerissen und notdürftig über eine Gratispostkarte geklebt worden, eine Ecke hatte sich bereits gelöst, ein Eisbär kam darunter zum Vorschein." Dann der Anruf, der den Tod des Großvaters im Westerwald mitteilt. Keith, der unter dem dominanten Großvater stets gelitten hat, nur kleinste Siege errang, wenn er ihn etwa in "Pete's Metal Eck" mitnahm, will diesen Tod aber doch nicht hinnehmen. Die Identifikation schiebt er hinaus. Stattdessen greift er zum Stift. Während er dem Großvater nur wenig mitzuteilen hat, acht Worte genau ("Lieber Großvater, du bist tot. Viele Grüße, Keith"), schreibt er seinen Geschwistern Briefe, in denen er von der gemeinsamen China-Reise berichtet. Wie diese Ebene, die ja innerhalb des Romans zugestanden erfundene, nun allmählich den Roman unterläuft und übernimmt, Tatsachen schafft, das ist so konsequent wie kunstvoll. Viele Aspekte der scheinbar echten Handlung - aber was soll da echter sein? - werden aufgenommen und neu interpretiert. Am beeindruckendsten wohl die weit ausholende Erzählung über Großvaters frühe Liebe Lian und wie diese zum Verlust seines Arms geführt hat. Eine wahnwitzige und selten zärtliche Liebesgeschichte blüht da lotoshaft vor uns auf: Lian ist ein weiches, gefühlvolles, todgeweihtes Monstrum. Der Großvater füttert sie mit "wagenradgroßen Pfannkuchen, ganzen Schubkarren voller Kartoffeln". Sie erleben das größte Liebesglück. Er will nicht, dass Lian stirbt, worauf diese antwortet, sie wolle auch nicht, dass er sterbe; das verspricht ihr der Großvater.

Eine Entschlossenheit fährt da in Keith, die ihn unter dem Tisch hervorjagt. Dann endlich, mitten in der Pathologie, bricht es aus ihm heraus, geschieht die Wandlung des Keith Stapperpfennig zum Chinesen: "Auf einmal musste ich anfangen zu lachen, ich konnte gar nicht mehr damit aufhören, die Tränen liefen mir die Wangen hinunter . . . dann prustete es wieder aus mir heraus, mein ganzer Körper bebte, meine Bauchmuskeln schmerzten, und ich war unglaublich erschöpft, und ich war unglaublich erleichtert." Tilman Rammstedts Roman ist eine einzige Verbeugung vor der Metaphysik der Komik. So nah ist man lange nicht an China herangekommen, das echte, poetische.

- Tilman Rammstedt: "Der Kaiser von China". Roman. DuMont Verlag, Köln 2008. 192 S., geb., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 18.12.2008

Das Sterben lässt er sich nicht bieten
Tricksen, erfinden, jonglieren: Tilman Rammstedts Roman „Der Kaiser von China”
Der Bielefelder Tilman Rammstedt wird als der erste Bachmann-Preisträger einer neuen Ära in die Literaturgeschichte eingehen. Nicht nur wurde ja dem Klagenfurter Wettlesen in diesem Sommer eine schlankere, fernsehschnittigere Form verpasst, sondern es siegte auch erstmals ein Text, der vornehmlich ob seiner humoristischen Qualitäten gefeiert wurde, und zwar von Jury und Publikum gleichermaßen. Überprüft man jene Entscheidung auf ihre Winterfestigkeit, so erscheint die preisgekrönte Ouvertüre des Romans „Der Kaiser von China” zwar für Bachmann-Verhältnisse ungewöhnlich locker und kurzweilig, aber so furios witzig, wie seinerzeit suggeriert wurde, ist sie denn doch nicht. Wer liest, statt zu lauschen, braucht anfangs sogar einiges an Wohlwollen und Geduld, um in die Geschichte hineinzufinden, die von einem jungen Mann mit dem unaussprechlichen Namen Keith Stapperpfennig und seinem exzentrischen Großvater handelt.
Dass der Enkel wochenlang unter dem Schreibtisch haust, weil er sich davor gedrückt hat, den Senior nach China zu begleiten, wirkt als Einstieg ziemlich konstruiert. Dass der muntere alte Herr sich so sehnlich wünscht, das Reich der Mitte kennenzulernen, ruft wiederum zwiespältige Erinnerungen an den olympiabedingten China-Hype hervor, der ja längst wieder Schnee von gestern ist. Umso mehr gilt es wohl, das Augenmerk auf Qualitäten zu richten, die der Roman als Ganzes jenseits kurzlebiger Aktualitäten, aber auch jenseits der ihm attestierten sprühenden Rasanz und brüllenden Komik tatsächlich besitzt. Und die sind eher so beschaffen, dass man sie mit dem stillvergnügten Grinsen der einst als Nippes beliebten, kopfnickenden Pappchinesen in Verbindung bringen möchte.
Der Großvater, ja, der ist schon eine gut ausgedachte Nummer – achtzigjährig, alleinerziehend verantwortlich für fünf mehr oder weniger miteinander verwandte Geschwister, einarmig, eigensinnig und derart alterspotent, dass die Großmütter, die er seinen Schützlingen nach Hause bringt, immer jünger werden. Zum runden Geburtstag bekommt er eine Reise geschenkt, das Ziel darf er selber wählen, und sein Lieblingsenkel Keith, so beschließt es der Familienrat, soll mit ihm fahren. Der aber will partout nicht nach China, unter anderem deshalb, weil er sich gerade in Franziska, seine bisher jüngste Großmutter, verliebt hat. Für den Opa indes kommt, aus zunächst dunklen Gründen, keine andere Destination in Betracht. Es scheint ihm überdies zu pressieren, denn seit kurzem kündigt sich bei ihm mit diversen Symptomen ein natürlicher Vorgang an, den er bis dato strikt und erfolgreich von sich gewiesen hat – das Sterben.
Tod im Westerwald
Was tun? Keith lässt den Großvater allein aufbrechen, versteckt sich unter dem Schreibtisch und verfasst fiktive Reiseberichte, die er als Beweismittel an seine Geschwister sendet. Der alte Schwerenöter ist nur bis in den Westerwald gekommen (irgendwie die falsche Richtung!), als ihn der Sensenmann dahinrafft. Gewohnheitsmäßig hat er dem Lieblingsenkel fast täglich eine Postkarte geschickt; als die vorletzte eintrifft, eine pseudochinesisch überklebte Westerwald-Vedute, ist er schon tot.
Wie der junge Keith sich mit Trauer, Gewissensbissen und Großvaterliebe herumschlägt, das hat Tilman Rammstedt menschenfreundlich und melancholisch-heiter in Literatur für die ganze Familie umgesetzt. Die Affäre mit Franziska hingegen bleibt blass und erweckt den Eindruck einer Pflichtübung nach dem Motto „kein Mittdreißiger-Roman ohne Sex”. Gleich jenen bunten chinesischen Papierblumen aber, die im Wasserglas aus einer langsam sich öffnenden Muschel emporwachsen, entfaltet sich das Fabuliertalent des Autors in seinem doppelt fingierten Tagebuch aus Peking, Xi’an, Luoyang, Shanghai und Fenghuang, von dem es in einer Nachbemerkung bescheiden heißt: „Alles, was in den Schilderungen Chinas der Wahrheit entsprechen mag, entstammt dem Reiseführer Lonely Planet China.”
Was ist Wahrheit? Und müssen Reiseführer-Verfasser heutzutage eigentlich noch die Länder besuchen, über die sie schreiben, um dem touristischen Schlussverkauf des Planeten den letzten Schub zu geben? Solche Fragen schießen uns wie Feuerwerkskörper aus Tilman Rammstedts abenteuerlichen, scheinbar lebensprallen Chinoiserien entgegen, die gewürzt sind mit den trockenen bis sarkastischen Kommentaren des Großvaters. Apropos prall – in das Chop-Suey aus Lektüre, Fiktion und Wirklichkeit hat der Reiseschwindler auch noch Großvaters große Liebe hineinphantasiert, das Geheimnis seiner immerwährenden China-Sehnsucht: Er konnte Lian nicht vergessen, die stärkste oder auch dickste Frau der Welt, die einst ihre Fleischmassen und Körperkräfte in einem Wanderzirkus zur Schau stellte, schließlich ein Opfer ihrer ungesunden Ernährung wurde und kurz vor dem Ableben noch ihren Traum vom Seiltanzen verwirklichte.
Tilman Rammstedts Begabung zeigt sich dort, wo er hemmungslos erfindet, dick aufträgt, trickst und jongliert. Sobald sein Erzählen in alltäglichere Sphären absinkt, fällt es ihm schwerer, den Leser bei Laune zu halten. Das aber ist, wie der jüngste Bachmann-Wettbewerb gezeigt hat, sogar in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur von immer größerer Bedeutung. Die gelbe Gefahr, den alles verschlingenden Drachen China jedenfalls hat der Preisträger uns, nicht zuletzt durch die altchinesische Höflichkeit, mit der die „Weltsensation” Lian und der Großvater noch in intimsten Situationen über einen Dolmetscher kommunizieren, wieder ein ganzes Stück sympathischer gemacht. KRISTINA MAIDT-ZINKE
TILMAN RAMMSTEDT: Der Kaiser von China. Roman. DuMont Buchverlag, Köln 2008. 192 Seiten, 17,90 Euro.
Das Reich der Mitte hat seit je eine Neigung zu kleinen Spielfiguren Foto: LAIF
Tilman Rammstedt Foto: Peter Peitsch
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Kristina Maidt-Zinke mag nicht vorbehaltlos einstimmen in den Chor derer, die Tilman Rammstedts Roman "Der Kaiser von China" in den Himmel jubeln. Sie zeigt etwas mehr Zurückhaltung gegenüber dem diesjährigen Bachmann-Preisträger, ohne dessen Roman schlecht zu machen. Die "sprühende Rasanz" und die "brüllende Komik", die dem Werk attestiert werden, hat sie allerdings nicht wahrgenommen. Dessen Qualitäten lassen sie eher an das "stillvergnügte Grinsen der einst als Nippes beliebten, kopfnickenden Pappchinesen" denken. Anfänglich hat sie sich gar ein wenig schwer getan, in die Geschichte zu finden, scheint ihr doch gerade der Auftakt recht konstruiert. Gefallen hat sie besonders an der Figur des skurrilen Großvaters gefunden. Die Trauer, Gewissensbisse und Großvaterliebe, die dessen Lieblingsenkel Keith, der nicht mit nach China reisen wollte, nach dem Tod des Großvaters quälen, findet Maidt-Zinke "menschenfreundlich und melancholisch-heiter" umgesetzt. Keiths Affäre mit Franziska wirkt auf sie dagegen eher farblos und bemüht. Gleichwohl bescheinigt sie dem Autor Fabuliertalent, das sich besonders im fingierten Tagebuch aus China entfaltet. Hier, wo Rammstedt "hemmungslos erfindet, dick aufträgt, trickst und jongliert", sieht sie die Stärken des Buchs.

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