Als der junge Tomura einem Klavierstimmer bei der Arbeit lauscht, fühlt er sich durch den Klang in die hohen, rauschenden Wälder seiner Kindheit zurückversetzt, und fortan prägt die Leidenschaft für die Musik sein Leben. Er lernt das Handwerk des Klavierstimmens, doch bei aller Hingabe auf der Suche nach dem perfekten Klang ist da stets die Angst vor dem Scheitern. Als er das Klavier der beiden Schwestern Kazune und Yuni stimmen soll, muss er erkennen, dass es dabei um mehr geht als um technische Versiertheit. Und als er Kazune, die angehende Konzertpianistin, dann spielen hört, spürt er die Bestimmung seines Lebens: ihr Spiel zum Strahlen zu bringen.
Ein Roman voller Poesie über die alles verändernde Kraft der Musik.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.03.2021Zen und Klavierstimmen
Natsu Miyashitas Roman führt in die Welt der Musik
Der in Japan 2015 erschienene und 2018 von Kojiro Hashimoto verfilmte Roman "Der Klang der Wälder" von Natsu Miyashita ist eine Ode an die Musik und eine Initiation in die Welt der Klänge. Erzählt wird von den fünf Lehr- und Wanderjahren des jungen Tomura. Als er in der Oberschule einem Klavierstimmer bei der Arbeit zuschaut, spürt er in den dem Instrument entlockten Tönen den "Duft des Waldes bei Einbruch der Nacht" auf. Das Innenleben der Konzertflügel und die Poesie ihrer Magnolienknospen gleichenden Hämmer, die auf Stahlseiten treffen, lassen ihn nicht mehr los: Tomura besucht selbst eine Fachschule für Klavierstimmer und beginnt eine Ausbildung in einem Instrumentenhandel.
"Der Klang der Wälder" ist eine bezaubernde Parabel über Schönheits- und Sinnsuche, Beruf und Berufung, die Suche nach dem perfekten Klang und Lebensglück. Schlüsselszene in Tomuras Klavierstimmerkarriere ist die Begegnung mit den Zwillingsmädchen Yuni und Kazune. Die eine quirlig-hell, die andere dunkel-profund, bezeugt das Klavierspiel der Schwestern die Pole der Klangfarben. Allmählich gewinnt Tomura ein Gespür für Töne und Wellenlängen, Kundenwünsche und -beschwerden und Eindrücke vom "dissonanten Chaos" der Welt.
Die Geschichte spielt vor dem Dekor der eisigen Landschaft Hokkaidos und mit den Gegensätzen zwischen der Stadt, wohin Tomura zwecks Berufsausübung zog, und seiner Heimat in zivilisationsfernen, schöpfungsnahen, musikverwandten Bergwäldern. Die werden in Kazunes Klanglandschaften hörbar, die Tomura dem hellen Spiel von Yuni vorzieht. Die Autorin entwirft Analogien zwischen Baden im Wald und Klavierspiel, dem Warten eines Klaviers und spiritueller Übung in Achtsamkeit, Präzisionsmechanik und Göttlichkeit.
Eines Tages kehrt Tomura zu seiner sterbenden Großmutter in die von Landflucht geprägte nordjapanische Peripherie zurück. Als städtischer Klavierstimmer will er Archivar des Klanggedächtnisses der Wälder werden. Das Buch sinniert über die Klaviatur der Kulinarik, über den Umami-Geschmack der Nudelsuppen und über Klänge, Musikgeschichte und Zeitgeist: Der historisch immer höher angesiedelte Kammerton bekunde rastlose Gegenwart.
Miyashita porträtiert ihren Klavierstimmer als Philosophen und Menschenfreund. Seine Kollegen reagieren ganz unterschiedlich auf Tomuras Gretchenfrage "Welche Art von Klang streben Sie an?". Da wäre der pragmatische Akino, der aus Respekt vor dem Kunden, weil man sonst dessen Fehler heraushörte, auf sensibles Stimmen verzichtet. Oder Yanagis Ansatz, für eine Kundin, deren Tochter ehedem Klavier spielte, lieber den mit Erinnerungen verbundenen Originalton zu rekonstruieren statt des eigentlichen Klangoptimums. Und der Konzertstimmer Itadori, der Form und Farbe der Töne der Seele und dem Spiel des Virtuosen überlässt. Während die Zuhörer diesen mit Applaus überschütten, bleibt Itadori unbedacht.
Als Yuni eines Tages wegen einer Krankheit nicht mehr Klavier spielen kann, übernimmt Kazune die positiv-hellen Aspekte von deren Spiel und bündelt ihre Kräfte für eine Profikarriere. Der Roman mündet in ein Finale furioso, als die von Tomura unterstützte Kazune auf Yanagis Hochzeit spielt. So nähert sich ein Bildungsroman aus der Warte des Handwerks und mit philosophischem Rüstzeug dem Mysterium der Musik.
STEFFEN GNAM
Natsu Miyashita:
"Der Klang der Wälder". Roman.
Aus dem Japanischen von Sabine Mangold. Suhrkamp Verlag, Berlin 2021. 238 S., geb., 20,-[Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Natsu Miyashitas Roman führt in die Welt der Musik
Der in Japan 2015 erschienene und 2018 von Kojiro Hashimoto verfilmte Roman "Der Klang der Wälder" von Natsu Miyashita ist eine Ode an die Musik und eine Initiation in die Welt der Klänge. Erzählt wird von den fünf Lehr- und Wanderjahren des jungen Tomura. Als er in der Oberschule einem Klavierstimmer bei der Arbeit zuschaut, spürt er in den dem Instrument entlockten Tönen den "Duft des Waldes bei Einbruch der Nacht" auf. Das Innenleben der Konzertflügel und die Poesie ihrer Magnolienknospen gleichenden Hämmer, die auf Stahlseiten treffen, lassen ihn nicht mehr los: Tomura besucht selbst eine Fachschule für Klavierstimmer und beginnt eine Ausbildung in einem Instrumentenhandel.
"Der Klang der Wälder" ist eine bezaubernde Parabel über Schönheits- und Sinnsuche, Beruf und Berufung, die Suche nach dem perfekten Klang und Lebensglück. Schlüsselszene in Tomuras Klavierstimmerkarriere ist die Begegnung mit den Zwillingsmädchen Yuni und Kazune. Die eine quirlig-hell, die andere dunkel-profund, bezeugt das Klavierspiel der Schwestern die Pole der Klangfarben. Allmählich gewinnt Tomura ein Gespür für Töne und Wellenlängen, Kundenwünsche und -beschwerden und Eindrücke vom "dissonanten Chaos" der Welt.
Die Geschichte spielt vor dem Dekor der eisigen Landschaft Hokkaidos und mit den Gegensätzen zwischen der Stadt, wohin Tomura zwecks Berufsausübung zog, und seiner Heimat in zivilisationsfernen, schöpfungsnahen, musikverwandten Bergwäldern. Die werden in Kazunes Klanglandschaften hörbar, die Tomura dem hellen Spiel von Yuni vorzieht. Die Autorin entwirft Analogien zwischen Baden im Wald und Klavierspiel, dem Warten eines Klaviers und spiritueller Übung in Achtsamkeit, Präzisionsmechanik und Göttlichkeit.
Eines Tages kehrt Tomura zu seiner sterbenden Großmutter in die von Landflucht geprägte nordjapanische Peripherie zurück. Als städtischer Klavierstimmer will er Archivar des Klanggedächtnisses der Wälder werden. Das Buch sinniert über die Klaviatur der Kulinarik, über den Umami-Geschmack der Nudelsuppen und über Klänge, Musikgeschichte und Zeitgeist: Der historisch immer höher angesiedelte Kammerton bekunde rastlose Gegenwart.
Miyashita porträtiert ihren Klavierstimmer als Philosophen und Menschenfreund. Seine Kollegen reagieren ganz unterschiedlich auf Tomuras Gretchenfrage "Welche Art von Klang streben Sie an?". Da wäre der pragmatische Akino, der aus Respekt vor dem Kunden, weil man sonst dessen Fehler heraushörte, auf sensibles Stimmen verzichtet. Oder Yanagis Ansatz, für eine Kundin, deren Tochter ehedem Klavier spielte, lieber den mit Erinnerungen verbundenen Originalton zu rekonstruieren statt des eigentlichen Klangoptimums. Und der Konzertstimmer Itadori, der Form und Farbe der Töne der Seele und dem Spiel des Virtuosen überlässt. Während die Zuhörer diesen mit Applaus überschütten, bleibt Itadori unbedacht.
Als Yuni eines Tages wegen einer Krankheit nicht mehr Klavier spielen kann, übernimmt Kazune die positiv-hellen Aspekte von deren Spiel und bündelt ihre Kräfte für eine Profikarriere. Der Roman mündet in ein Finale furioso, als die von Tomura unterstützte Kazune auf Yanagis Hochzeit spielt. So nähert sich ein Bildungsroman aus der Warte des Handwerks und mit philosophischem Rüstzeug dem Mysterium der Musik.
STEFFEN GNAM
Natsu Miyashita:
"Der Klang der Wälder". Roman.
Aus dem Japanischen von Sabine Mangold. Suhrkamp Verlag, Berlin 2021. 238 S., geb., 20,-[Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensent Steffen Gnam lässt sich von diesem im Original bereits 2015 erschienenen und 2018 verfilmten Roman von Natsu Miyashita ins "Mysterium" der Klänge entführen. Der Kritiker folgt hier fünf Jahre lang den "Lehr- und Wanderjahren" des Klavierstimmers Tomura durch die verschneite Landschaft Hokkaidos, begleitet diesen zu den verschiedensten Menschen und auf der Suche nach Sinn. Vor allem die Begegnung mit den beiden Mädchen Yuni und Kazune, die mit ihren gänzlich unterschiedlichen Temperamenten die gegensätzlichen "Pole der Klangfarben" markieren, bestimmt den Roman, meint der Kritiker, der hier neben Lektionen in "Achtsamkeit und Göttlichkeit" auch in die "Klaviatur der Kulinarik" eingeführt wird. Diese mit reich philosophischen Reflexionen gefüllte "Parabel" bedeutet für Gnam pures Leseglück.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Der Klang der Wälder ist eine bezaubernde Parabel über Schönheits- und Sinnsuche, Beruf und Berufung, die Suche nach dem perfekten Klang und Lebensglück.« Steffen Gnam Frankfurter Allgemeine Zeitung 20210316