Kein Ausweg aus dem Kreis
Die Geschichte begleitet den Lebensweg der Jesidin und Heilerin Aziza. Sie lebt in einem Umfeld, das von Zwangskonvertierung der jesidischen Bevölkerung hin zum Islam geprägt ist und der gnadenlosen Verfolgung eines scheinbar religiös motivierten Sheikhs. Das Netzwerk
und der Einfluss dieses grausamer bösen Mannes bedeutet eine dunkle Zukunft für die verschleppte,…mehrKein Ausweg aus dem Kreis
Die Geschichte begleitet den Lebensweg der Jesidin und Heilerin Aziza. Sie lebt in einem Umfeld, das von Zwangskonvertierung der jesidischen Bevölkerung hin zum Islam geprägt ist und der gnadenlosen Verfolgung eines scheinbar religiös motivierten Sheikhs. Das Netzwerk und der Einfluss dieses grausamer bösen Mannes bedeutet eine dunkle Zukunft für die verschleppte, junge Aziza. Ihre Fähigkeit zu Heilen und durch Visionen Dinge zu sehen, die anderen verborgen bleiben wird durch den Sheikh schamlos für seine Zwecke ausgenutzt. Aziza ist ein beeindruckend starkes Mädchen, das gelernt hat ihre Gefühle sehr gut zu beherrschen und Kraft aus ihrer religiösen Überzeugung schöpft. Die Rollen der Figuren sind nicht immer eindeutig, wer unterstützt und wer ist wann bedrohlich? Verrat und Kalkül sind jeder Figur eigen.
Ein wenig erinnerte mich die Geschichte an ein orientalisches Märchen und orientiert sich doch an einer realen Figur, was der Autor im Nachwort ausführt. Die Visionen der Protagonistin konnte ich nicht immer nachvollziehen. Interessant sind die Erklärungen zur Geschichte des osmanischen Reichs bis in die 50er Jahre und den religiösen und machtpolitischen Konflikten der verschiedenen Gruppen.
Ich finde, dass das Bild des Kreises eine gelungene Allegorie für den Inhalt der Geschichte ist. Die Kreise, die sich immer enger um die Protagonistin ziehen, die politisch und machtgetriebenen Kreise aus denen es scheinbar kein Entrinnen gibt, der Kreis als Fessel für die zwangskonvertierten Frauen und der Kreis als unerbittliche religiöse Begrenzung der Jesiden, die den Schritt darüber nicht wagen.
Bedrückend finde ich den starken Aktualitätsbezug der in der Geschichte liegt: da denkt man, dass Religion den Menschen Gutes tun und Mut machen sollte. Stattdessen ging und geht es den sogenannten Religionsführern um Macht, Unterdrückung, Unterwerfung, legitimiertes Enteignen, Schinden bis hin zum Tod. Gerade Frauen sind nahezu in jeder Religion benachteiligt. Genau dieses Bild nimmt die Geschichte auf, in der Figur der starken Aziza, die dennoch ihrer eigenen Überzeugung folgt.
Mein Fazit: „Der Kreis“ ist eine lesenswerte, atmosphärische Geschichte mit realem geschichtlichen Bezug und einem sehr guten Sprachstil.