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Während der Dreharbeiten zu "Shoah" hatte Claude Lanzmann 1985 in Rom Benjamin Murmelstein interviewt, den letzten Vorsitzenden des "Judenrates" in Theresienstadt. Doch für diese Aufnahmen fand Lanzmann in seinem monumentalen Werk keine Verwendung. Erst viel später, nach Murmelsteins Tod im Jahr 1989, machte er aus ihnen den Film "Der Letzte der Ungerechten", der 2013 in Cannes uraufgeführt wurde. Jetzt ist der ungeschnittene Text als Buch erschienen. Es ist noch viel dramatischer und brutaler als der Film, bei dem Mimik und Gesten und die Selbstinszenierung des Regisseurs von den Worten ablenken. Es geht um Auschwitz, um die Moral der Judenräte und die Spielräume, die ihnen verblieben. Bei seinem Prozess nach dem Krieg drohte Murmlstein die Todesstrafe, die Gershom Scholem damals befürwortete. Als Eichmann verurteilt wurde, merkt Murmelstein an, sei Scholem dagegen unter denen gewesen, die gegen die Exekution protestierten, "ein bisschen kapriziös" nennt er ihn. Auch Hannah Arendt kommt nicht gut weg in diesem Interview, das Murmelstein als "letzte öffentliche Gefahr" in seinem Leben empfindet: "Ich habe vor Ihnen auch keine Angst." Lanzmann ist von der Gegenwehr und der Intelligenz dieses Mannes fasziniert, berauscht sich auch an seiner eigenen Deutungshoheit und beansprucht wie üblich das letzte Wort: "Ja, Sie sind ein Tiger." Es ist der von ihm erteilte posthume und überzeugende Freispruch für Benjamin Murmelstein.
J. A.
Claude Lanzmann: "Der Letzte der Ungerechten".
Rowohlt Verlag, Reinbek 2017. 126 S., br., 12,90 [Euro].
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