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Ichiro und sein bester Freund Hiro überleben den Atombombenabwurf auf Hiroshima. Verwundet und zerrüttet begeben sich die beiden Teenager auf die Suche nach ihren Familien. Schließlich finden sie Keiko, Hiros fünfjährige Schwester. Doch das kleine Mädchen geht in dem Chaos der völlig zerstörten Stadt verloren. Ihr Verbleib und Schicksal lässt Ichiro nicht mehr los, hatte er doch Hiro, kurz bevor dieser starb, versprochen, auf die Kleine aufzupassen. Einige Wochen später kehrt er zurück an den Ort des Grauens und begibt sich auf die Suche nach ihr. Überall hinterlässt er Origami-Papierkraniche…mehr

Produktbeschreibung
Ichiro und sein bester Freund Hiro überleben den Atombombenabwurf auf Hiroshima. Verwundet und zerrüttet begeben sich die beiden Teenager auf die Suche nach ihren Familien. Schließlich finden sie Keiko, Hiros fünfjährige Schwester. Doch das kleine Mädchen geht in dem Chaos der völlig zerstörten Stadt verloren. Ihr Verbleib und Schicksal lässt Ichiro nicht mehr los, hatte er doch Hiro, kurz bevor dieser starb, versprochen, auf die Kleine aufzupassen. Einige Wochen später kehrt er zurück an den Ort des Grauens und begibt sich auf die Suche nach ihr. Überall hinterlässt er Origami-Papierkraniche mit seiner Adresse – in der Hoffnung, dass Keiko überlebt hat …
Autorenporträt
Kerry Drewery ist Autorin der ›Cell 7‹-Trilogie, die in mehr als ein Dutzend Sprachen übersetzt wurde. Für ihre Bücher war sie für die CILIP Carnegie Medal nominiert und wurde mit dem North East Teen Book Award ausgezeichnet. Drewery lebt an der Ostküste Englands.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.11.2020

Wie stark doch das Leben ist!

Japans Stunde Null: Kerry Drewerys Hiroshima-Roman "Der letzte Papierkranich" schlägt einen Bogen über drei Generationen.

Von Steffen Gnam

Die Sonne geht auf, steigt höher. Leuchtet hell", so erlebt es der junge Mann in den Straßen von Hiroshima: "Anders als mein Herz. Mein Herz springt und fällt wieder herunter. Die Welt wird dunkel. Und mit ihr meine Seele." Die englische Autorin Kerry Drewery arbeitet in ihrem Roman "Der letzte Papierkranisch" oft mit dem Sonnenmotiv - als Symbol Japans, des makellosen Sommertags an jenem 6. August 1945 und des Blitzes der Atombombe, der infolge von Druck- und Hitzewelle, Feuersbrünsten und radioaktivem Fallout Zehntausende Menschen tötete, die Innenstadt Hiroshimas ausradierte und die Welt in ein "Davor" und "Danach" teilte.

Drewery erzählt auf zwei Ebenen: Die Rahmenhandlung ist geprägt vom Wunsch der jungen Mizuki, die Lebensgeschichte ihres von den Schatten der Vergangenheit bedrückten Opas Ichiro zu hören. Der zweite Teil handelt von der Freundschaft der Teenager Ichiro und Hiro, die sich gerade in Hiros Haus aufhalten, als die Bombe detoniert. Zunächst überleben beide Freunde schwer verletzt: Das Muster von Hiros Hemd ist in seine Haut eingebrannt. Doch ihre unmittelbare Sorge gilt neben ihren Müttern (ihre Väter dienen im Krieg) Hiros Schwester Keiko, die die Freunde im Kindergarten wähnen.

Die Stadtwanderungen durch Japans Stunde Null tragen Züge von Keiji Nakazawas Manga "Barfuß durch Hiroshima". Sie führen die Freunde in indirekten Evokationen des Grauens durch die zerbombte Stadt. Die Kuppel der Ausstellungshalle, die als Gerüst überlebt hat, ist ihr Orientierungspunkt. Beim Parcours durch das Inferno von Verletzten, Toten, Todgeweihten gilt das Primat eigenen Überlebens. Während vom Krankenhaus, in dem Hiros Mutter arbeitet, nur die "Eingangstür, die aufrecht wie ein Grabstein inmitten des Friedhofs einer Stadt steht", zurückbleibt und die Läden in Shintenchi, wo Ichiros Mutter arbeitet, dem Erdboden gleichgemacht wurden, finden sie die am Bein verletzte Keiko schließlich in einem Park unweit des Kindergartens. Mangaesk-apokalyptisch schildert Drewery die Flucht des Trios vor Feuer und Hitze zum Fluss, wo der schwerverletzte Hiro schließlich aufgibt und untergeht, nachdem Ichiro ihm versprach, auf Keiko aufzupassen: Er will sich mit ihr zum nächsten Krankenhaus aufmachen.

Wo Worte nicht ausreichen, zeigen die Illustrationen von Natsko Seki wie etwa "Ein Bogen aus Sonnenlicht" umherfliegende Gegenstände, die Auflösung des Bewusstseins und jeder Subjektivität im alles verschlingenden Weiß. Auch in seiner Sprache lebt das Antikriegsmanifest von starker Symbolik, wenn etwa der japanische Klassiker "Die Geschichte vom Prinzen Genji" als Roman um Liebe und Schuld, ein Präsent von Ichiros Vater, unversehrt bleibt vom "Blitz" und als Talisman und Überlebenszeichen der Zivilisation Ichiros Odyssee begleitet.

Die Szene, als Ichiro, der Keiko nicht mehr tragen kann, sie in bester Absicht neben einer ausgebrannten Straßenbahn zurücklässt, um im Krankenhaus Hilfe zu holen, sieht er noch Jahrzehnte später als seinen Sündenfall an: Weil er dort bleiben muss und später gar als Schwerverletzter nach Tokio verlegt wird, kann er sich nicht weiter um Keiko kümmern.

Wieder etwas genesen, reist Ichiro mit dem Zug nach Hiroshima, über einen Monat nach der Bombe. Mit einer Liste von Anlaufstellen macht er sich auf die Suche nach Keiko. Drewery zeichnet Bilder des Neubeginns: Waisenkinder "klettern Schutthügel empor und springen über die Gräben dazwischen". Ichiro findet Keiko nicht. Er hinterlegt an Schulen, Notunterkünften und Waisenhäusern mit seiner Adresse beschriftete Papierkraniche für Keiko - in Anspielung auf den Brauch, dass, wer tausend Kraniche faltet, einen Wunsch frei hat.

Der zweite Teil der Rahmenhandlung führt nach Großvaters Jugendgeschichte und -beichte zum alten Ichiro und der Enkelin Mizuki zurück. Der lyrische Epilog schildert die Krux und Befindlichkeit Überlebender: "Nebelschwaden hängen über dem Boden, ziehen langsam vorbei wie Geister, die die Verlorenen suchen." Mizuki, die auf einer Überlebenden-Website auf Keikos Namen und Adresse stößt, fordert Opa zur Spritztour im Auto auf.

Die schönste Stelle im Roman ist schließlich die, als Ichiro und seine Enkelin vor dem Anwesen Keikos im Auto verweilen, unsicher, ob sie die Richtige ist, doch geborgen im Himmel der Illusion erfüllter Suche, im "hoffnungsvollen Nichts".

So kreist der Roman tiefenscharf um Schuld, Scham und Heilung. "Ein einziger Lichtblitz hat alles verändert", konstatiert die Erzählerin. Doch zuletzt ist es die Hoffnung, die noch im Atomzeitalter siegt: "Wie zart das Leben ist. Wie zerbrechlich. Und auch wie stark der menschliche Geist."

Kerry Drewery: "Der letzte Papierkranich". Eine Geschichte aus Hiroshima. Roman.

Aus dem Englischen von Meritxell Janina Piel. Arctis Verlag, Hamburg 2020. 304 S., geb., 19,- [Euro]. Ab 14 J.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Gar nicht überzeugt ist Rezensentin Franziska Augstein von dieser Geschichte. Die Begeisterung der Autorin für alles Japanische hat sie zu vielen stilistischen Anverwandlungen, darunter Haikus und philosophische Sentenzen, verleitet, die in ihrer Symbolkraft die Kritikerin jedoch ebenso wenig überzeugen wie die Psychologie der Figuren. Außerdem, so fragt sie, müsste dort, wo so viel von den Schuldgefühlen eines Überlebenden die Rede ist, nicht auch von den USA gesprochen werden, die die Bombe auf Hiroshima abwarf?

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 28.12.2020

Flucht im Feuer
Schuld im Schatten der Atombombe
Was passiert nach einem atomaren Feuersturm? Ein junger Japaner namens Ichiro - er erzählt diese Geschichte – , sein Freund und dessen kleine Schwester Keiko erleben am 6. August 1945, wie in Hiroshima die Atombombe explodiert. Die beiden jugendlichen Männer erleiden schwere Brandverletzungen. In Sichtweite brennt alles lichterloh. Das Feuer frisst sich fort und kommt näher. Sie müssen rennen. Der Ich-Erzähler bemerkt: „Worte genügen nicht, um auszudrücken, was wir gerade erleben.“ Der Asphalt kocht unter ihren Füßen. Mit Müh und Not erreichen sie den Fluss. Dessen Wasser steigt, bald wird man nicht mehr stehen können. Zu Tode geschwächt, gibt der Freund seine kleine Schwester Keiko in Ichiros Hände. Dann übergibt er sein Leben dem Wasser.
Weil bis dahin kein dramaturgischer Knoten geknüpft wurde, hätte es an sich nicht allzu viele Seiten gebraucht, um so weit zu kommen. Was in der Wirklichkeit ein Leben prägen kann, ist in der Erzählung sehr oft schwierig zu vermitteln. Die Flucht vor dem Feuer, so einfühlsam und zart sie geschildert ist, ähnelt bis zur 81. Seite ein wenig den minutenlangen Verfolgsjagden in Action-Filmen. In „Der letzte Papierkranich“ geht es so weiter: Ichiro hält die kleine Keiko in den Armen und will sie retten: „Es ist ein Grund für mich zu kämpfen.“ Dann kämpft er sich, mit ihr als Bürde, weiter voran Richtung Krankenhaus. Schließlich aber verlassen ihn die Kräfte. Er setzt das Kind ab und verspricht ihm: Er werde Hilfe holen. Das misslingt.
Es folgen Monate der Pflege in einem Spezialhospital unter den Händen einer hübschen, lieben amerikanischen Krankenschwester. Es folgt ein Leben (er hat die Krankenschwester geheiratet). Und während all der Zeit hat er jeden Tag immer einen Gedanken: Er ist schuldig. Er hat seinen Freund nicht gerettet, der gestorben ist dafür, dass er dessen kleine Schwester rette. Und die hat er auch nicht gerettet. Immer wieder erzählt die Autorin von seinen Schuldgefühlen: „Meine Schuld lastet zu schwer auf mir, als dass ich glücklich sein könnte.“ Das Gefühl von Schuld – unabhängig davon, was genau das Individuum getan oder eben nicht getan hat – ist und war in Japan sehr viel ausgeprägter als in Europa. Wenn in einem japanischen Unternehmen etwas grundlegend falsch gemacht worden war, nahm in jedem Fall der Chef die Schuld auf sich (so war es jedenfalls noch in den 90er-Jahren). Deutschen Lesern indes mag es recht unverständlich sein, warum jemand sich schuldig fühlen sollte, nachdem seine Physis beim besten Willen nicht mehr mitmachte. Zudem versäumt Kerry Drewery zu schildern, wie der tagein, tagaus vom Gefühl der Schuld besessene Ichiro überhaupt einen ordentlichen, liebevollen Ehemann abgeben kann, solange er Keiko nicht gefunden hat.
Die britische Autorin ist so vernarrt in alles Japanische, dass sie manche Passagen in ihrem Buch in der Form von Haikus hat setzen lassen – bloß dass echte Haikus keine für einen Roman nötige Information übermitteln. Alles geht gut aus. Auch Weisheiten werden auf Sonderseiten vermittelt, diese zum Beispiel: „Wag es zu wünschen, zu versprechen, zu träumen, zu hoffen, immer." Gefaltete Papierkraniche spielen eine symbolische Rolle. Welche, das mögen die Leser selbst herausfinden. Was die Schuldfrage angeht, ergibt sich allerdings ein großes Loch, zu groß für jeden netten Papierkranich, kratergroß: Wenn jemand über den Abwurf der Atombombe über Hiroshima schreibt und Wesentliches über Schuld sagen will, dann sollte diese Autorin bitteschön auch die Frage aufwerfen, inwieweit die Vereinigten Staaten Schuld auf sich luden, als sie Hiroshima auslöschten. (ab 14 Jahre)
FRANZISKA AUGSTEIN
Kerry Drewery: Der letzte Papierkranich – Eine Geschichte aus Hiroshima. Mit Illustrationen von Natsko Seki. Aus dem Englischen von Meritxell Janina Piel. Artrium Verlag (Arctis), Hamburg 2020.
304 Seiten, 19 Euro.
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»Diese Geschichte, die zwischen dem heutigen Japan und 1945 wechselt, ist so herzerwärmend wie herzzerreißend. Kerry Drewery hat die menschliche Erfahrung einer beispiellosen Katastrophe auf wunderbare Weise vermittelt.« The Scotsman