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Hat man dieses Buch gelesen, versteht man, warum es so viele schlechte Reisebücher gibt. Weil diese keine Reiseliteratur sind, sondern nur Reisebeschreibungen, die über das Nacherzählen des Erlebten nicht hinausweisen. Ganz anders "Der Leuchtturm" von Paolo Rumiz. Rumiz, 1947 in Triest geboren, hat als Journalist über das sich auflösende Jugoslawien geschrieben und als Schriftsteller und Journalist die Welt bereist, auch gerne zu Fuß. So spazierte er auf der Via Appia von Rom nach Brindisi. Rumiz ist also gerne und viel unterwegs und hat sich für dieses Buch eine strenge Klausur auferlegt: Er verbrachte einige Wochen auf einer Leuchtturminsel. Dort gab es nichts, außer diesem Leuchtturm, einem Esel, einem Huhn und zwei Leuchtturmwächtern. Die Insel ist kaum mehr als ein Felshaufen im östlichen Mittelmeer. Rumiz schreibt also über seine erste Reise, bei der er sich nicht vom Fleck rührt. Und entfaltet dabei ein Leporello an Innen- und Außenwelten. Auf der Insel befällt ihn der Sog des Nichts, der stetige Wind jage einen, so der Autor, "in die unerforschten Höhlen deines Ichs". Rumiz schreibt in der Tradition seines Triestiner Kollegen Claudio Magris, in der Tradition gebildeter, über alle Grenzen blickender Mitteleuropäer, jedoch im Gegensatz zu Magris, der sich an der Donau aufarbeitete, lässt Rumiz den Blick übers Meer wandern. In diesem, dem Mittelmeer, sieht er das Verbindende, nicht das Trennende. Während er also auf der einsamen Insel sitzt, sinniert er über diesen Kulturraum, seine Mythen, seine Küche und Küsten, seine Sprachen, seine Leuchttürme. Rumiz schreibt vom "mare mostrum", ein gewisser hoher Ton ist ihm zu eigen, aber er scheut sich nicht, Alltägliches zu beschreiben, und der Zorn ergreift ihn über die Überfischung, die Kriege und vor allem angesichts der Lage der Flüchtlinge. Erstaunlicherweise ist das Buch auch spannend, etwa wenn Rumiz von Schirokko erzählt, dem wütenden Wind. Und unterhaltsam. Rumiz rekapituliert ältere Reisen, etwa seine vergebliche Suche nach einem Leuchtturm in Point Hope im äußersten Norden Alaskas. Es soll einmal einen gegeben haben. Auf sein Nachfragen lachen ihn die Einheimischen aus. Wer brauche einen Leuchtturm, wenn das Meer das eine halbe Jahr über zugefroren ist und im anderen halben Jahr die Sonne nicht untergehe? Und übers Schreiben schreibt er auch. Er erzählt von einer Bar in Triest, in der Kapitäne von Stürmen und Schiffen erzählen. Mit einem von ihnen trinke er gerne ein Glas Malvasier und gesteht: Da Schriftsteller nichts anderes täten, "als die Geschichten zu klauen, die andere erzählen", suche er oft diese Gesellschaft, "um geschickt etwas mitgehen zu lassen". Wir Leser danken ihm den Diebstahl.
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"Der Leuchtturm" von Paolo Rumiz. Folio Verlag, Wien 2017. 159 Seiten. Gebunden, 20 Euro.
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