Ray und Elena lernen sich in einer dramatischen Nacht in New York kennen. Sie ist eine Fischerstochter aus dem Donaudelta, er ein erfolgloser Künstler, der noch an den Durchbruch glaubt. Sie muss die Asche ihrer Mutter nach Amerika bringen, er will erreichen, was sein Großvater für sich erhoffte. Ihre geheimnisvollen Lebenswege finden in jenem Augenblick zusammen, als sie sich entscheiden können, einander erzählend zu vertrauen. Ihre Familiengeschichten führen den Leser in die Welt New Yorks vor hundert Jahren und in das magische Universum des Donaudeltas. In seinem spannenden, an Fabulierlust und Überraschungen reichen Roman, der von 1899 bis in die Gegenwart reicht, lässt Catalin Dorian Florescu zwei Erzählstimmen abwechselnd zu Wort kommen. So entsteht das Bild eines fantastischen und harten Jahrhunderts zwischen dem Schwarzen Meer und der amerikanischen Metropole. Ein Roman voller Tragik und Komik, der gleichzeitig eine literarische Reverenz an die Fähigkeit des Menschen ist, sein Glück zu suchen, zu überleben und allen Widrigkeiten zum Trotz zu lieben.
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension
Martin Oehlen lobt die kräftigen Farben und den von den Figuren verkörperten Lebenswillen in Catalin Florescus Roman. Daneben begeistern ihn melancholische Landschaftszeichnungen, die schiere Menge an Szenen und Motiven und Florescus raffinierte Zusammenführung der Erzählstränge. Wie die Geschichten eines Immigrantenkindes in New York um 1900 und diejenigen dreier Frauen im Donaudelta schließlich vor der Kulisse von 9/11 zusammenkommen, scheint Oehlen spektakulär.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 06.10.2016Wo die Donau in den East River mündet
Catalin Dorian Florescu steigt in seinem Roman „Der Mann, der das Glück bringt“ auf die Leuchttürme am Schwarzen Meer – und schaut auf New York
Sulina, am mittleren Arm des Donaudeltas gelegen, ist ein alter Handelsort, in dem früher Weltdamen mit Hündchen und breiten Hüten spazierten, während ihre Männer die Kontore hüteten. Heute sind davon eine mückengeplagte Ansammlung eher schäbiger Fassaden und ein paar verrottende Schiffswracks geblieben, die das nur wenige Hundert Meter entfernte Schwarze Meer nie mehr erreichen werden.
Schon als die Mutter der Icherzählerin von Catalin Dorian Florescus neuem Roman „Der Mann, der das Glück bringt“, hier in einem Friseursalon arbeitet, ist der Glanz verfolgen. Doch noch reagieren die verbliebenen Bewohner auf den Prestige-Verlust ihres Städtchens mit Neugier auf den Rest der Welt. Gerade beschäftigt sie der spanische Bürgerkrieg. Die Fortschritte der Kampfhandlungen werden mit Fähnchen auf die Karte an der Wand des Friseursalons gepikst. Doch die Mutter der Erzählerin möchte weiter weg, am liebsten nach New York. Da wird klar, dass sie sich in den Delta-Sümpfen, in denen ihre eigene Mutter lebt, mit Lepra angesteckt hat.
Catalin Dorian Florescu, 1967 im rumänischen Timisoara geboren, war mit seinem Erstling „Wunderzeit“ von 2001 einer der ersten Nicht-Muttersprachler, die sich auf neue Weise in die deutsche Literatur einschrieben. Sie konnten nicht mehr als literarische Fremdarbeiter oder Gäste abgetan werden, die sich lieb bemüht hatten, Deutsch zu lernen. Schnell wurden sie als welthaltige Bereicherung der als schmalbrüstig-intellektuell verschrienen deutschen Szene gepriesen.
Warum, merkt man auch in Florescus neuem Roman: „In Sulina begann die warme Saison mit dem Selbstmord der Vögel. Die Wachteln versammelten sich jeden Frühling an der Mündung des Flusses und zogen in der Dämmerung weite Kreise über das Wasser und den Strand.“ Ohne Scheu stattet Florescu seine Romane mit Dramatik und hohem Ton aus. Zwei Leuchttürme gibt es in Sulina, „aber nur der rechte wurde den Vögeln zur Falle. Sie stießen mit voller Wucht gegen das Glas und fielen bewusstlos ins Wasser oder sie schafften es noch bis zum Strand. Das Meer, das von Grün zu Schwarz wechselte, war spiegelglatt.“
Warum es der grüne Leuchtturm ist, der die Vögel anzieht, wird nicht erklärt. Aber genügend alltägliche Details lassen die Welt vorstellbar werden, die hier in die deutsche Sprache gebracht wird. Der grüne Leuchtturm „stand am Ende eines der beiden Deiche, die den Fluss noch einige Hundert Meter ins Schwarze Meer hinein säumten. Die alte, inkontinente Donau sollte ihr Innerstes nicht direkt am Ufer ausscheiden und die Mündung verstopfen.“
Schon seit einiger Zeit beschränkt sich Florescu nicht mehr darauf, seine Literatur aus den Stoffen seiner Herkunftswelt zu gewinnen, aus Rumänien oder der Schweiz, wo er aufwuchs, seit er fünfzehn ist. Mit seinem zweiten Schauplatz New York geht er diesmal aufs große Ganze. Zwei alternierende Icherzähler – eine Frau aus dem Donaudelta und ein New Yorker – erzählen sich ihre Lebensgeschichte, an einem welthistorisch nicht unbedeutenden Tag, dem 9. September 2001.
Die Frau, die den Einsturz der Türme draußen miterlebt, flüchtet sich in ein Theater, in dem gerade ein verkrachter Stimmenimitator probt, so vertieft in seine Arbeit, dass er die staubbedeckte Frau kaum wahrnimmt. Diese Erzählsituation wird erst gegen Ende des Romans klar, der rumänische und der New Yorker Erzählstrang verlaufen lange nur nebeneinander, aber der Stimmenimitator ist der Enkel des Mannes, dessen Geschichte am Beginn des Romans steht. Es ist die Geschichte eines einfachen Jungen, der sich in der Bronx als Zeitungsausträger durchschlägt. Er scheint weder Vater noch Mutter zu haben und ist darauf angewiesen, vom einen oder anderen Gauner zu lernen.
Das könnte sehr gut funktionieren, das Hauptproblem des Romans aber ist, dass Florescu für New York, wen wundert’s, über eine weniger neue, eigenständige Sprache verfügt, als für das Donaudelta, das nur wenige kennen. Zum Auftakt heißt es: „Der Fluss nahm die Toten sanft auf, als ob er wusste, dass es besondere Tote waren. Der East River, so ungestüm er sein konnte, lag in der Morgendämmerung wie ein breiter, bleierner Streifen. Er war geduldig, er wollte den Menschen nicht ins Handwerk pfuschen.“ Florescus Sprache ist auch hier nicht schwach: die Sanftheit des ungestümen East River – eine schöne Beobachtung, aber der „breite, bleierne Streifen“ und die „Geduld“ des Flusses holen ihn wieder ins bekannte Bild zurück.
Leider ist der Roman nicht arm an solch zweischneidigen Stellen, an denen der Leser von einer Zeile zur anderen zwischen den Eindrücken „zu dick aufgetragen“ und „eigenständig gesehen“ schwankt. Das gilt für beide Schauplätze, das Donaudelta ebenso wie New York. Da gibt es eine wunderbare Geschichte, in welcher der schlaue New Yorker aus Geldnot beinahe zum Sohn eines orthodoxen Juden mutiert. Und dann wieder Annäherungen an den Kitsch, wenn die Siedlung der Leprakranken im Delta schaurig ausgemalt wird.
Der Autor selbst wird das alles als Vision, Fantasie, Sprachmagie begreifen, aber ein wenig mehr Bändigung des Erzähldrangs hätte diesem Buch nicht geschadet. Sie hätte vielleicht geholfen, die Stimme des Autors gegenüber den Imitationen von Authentizität eigenständiger hervortreten zu lassen.
HANS-PETER KUNISCH
Catalin Dorian Florescu: Der Mann, der das Glück bringt. Roman. C. H. Beck Verlag, München 2016. 325 Seiten, 19,95 Euro. E-Book 15,99.
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Catalin Dorian Florescu steigt in seinem Roman „Der Mann, der das Glück bringt“ auf die Leuchttürme am Schwarzen Meer – und schaut auf New York
Sulina, am mittleren Arm des Donaudeltas gelegen, ist ein alter Handelsort, in dem früher Weltdamen mit Hündchen und breiten Hüten spazierten, während ihre Männer die Kontore hüteten. Heute sind davon eine mückengeplagte Ansammlung eher schäbiger Fassaden und ein paar verrottende Schiffswracks geblieben, die das nur wenige Hundert Meter entfernte Schwarze Meer nie mehr erreichen werden.
Schon als die Mutter der Icherzählerin von Catalin Dorian Florescus neuem Roman „Der Mann, der das Glück bringt“, hier in einem Friseursalon arbeitet, ist der Glanz verfolgen. Doch noch reagieren die verbliebenen Bewohner auf den Prestige-Verlust ihres Städtchens mit Neugier auf den Rest der Welt. Gerade beschäftigt sie der spanische Bürgerkrieg. Die Fortschritte der Kampfhandlungen werden mit Fähnchen auf die Karte an der Wand des Friseursalons gepikst. Doch die Mutter der Erzählerin möchte weiter weg, am liebsten nach New York. Da wird klar, dass sie sich in den Delta-Sümpfen, in denen ihre eigene Mutter lebt, mit Lepra angesteckt hat.
Catalin Dorian Florescu, 1967 im rumänischen Timisoara geboren, war mit seinem Erstling „Wunderzeit“ von 2001 einer der ersten Nicht-Muttersprachler, die sich auf neue Weise in die deutsche Literatur einschrieben. Sie konnten nicht mehr als literarische Fremdarbeiter oder Gäste abgetan werden, die sich lieb bemüht hatten, Deutsch zu lernen. Schnell wurden sie als welthaltige Bereicherung der als schmalbrüstig-intellektuell verschrienen deutschen Szene gepriesen.
Warum, merkt man auch in Florescus neuem Roman: „In Sulina begann die warme Saison mit dem Selbstmord der Vögel. Die Wachteln versammelten sich jeden Frühling an der Mündung des Flusses und zogen in der Dämmerung weite Kreise über das Wasser und den Strand.“ Ohne Scheu stattet Florescu seine Romane mit Dramatik und hohem Ton aus. Zwei Leuchttürme gibt es in Sulina, „aber nur der rechte wurde den Vögeln zur Falle. Sie stießen mit voller Wucht gegen das Glas und fielen bewusstlos ins Wasser oder sie schafften es noch bis zum Strand. Das Meer, das von Grün zu Schwarz wechselte, war spiegelglatt.“
Warum es der grüne Leuchtturm ist, der die Vögel anzieht, wird nicht erklärt. Aber genügend alltägliche Details lassen die Welt vorstellbar werden, die hier in die deutsche Sprache gebracht wird. Der grüne Leuchtturm „stand am Ende eines der beiden Deiche, die den Fluss noch einige Hundert Meter ins Schwarze Meer hinein säumten. Die alte, inkontinente Donau sollte ihr Innerstes nicht direkt am Ufer ausscheiden und die Mündung verstopfen.“
Schon seit einiger Zeit beschränkt sich Florescu nicht mehr darauf, seine Literatur aus den Stoffen seiner Herkunftswelt zu gewinnen, aus Rumänien oder der Schweiz, wo er aufwuchs, seit er fünfzehn ist. Mit seinem zweiten Schauplatz New York geht er diesmal aufs große Ganze. Zwei alternierende Icherzähler – eine Frau aus dem Donaudelta und ein New Yorker – erzählen sich ihre Lebensgeschichte, an einem welthistorisch nicht unbedeutenden Tag, dem 9. September 2001.
Die Frau, die den Einsturz der Türme draußen miterlebt, flüchtet sich in ein Theater, in dem gerade ein verkrachter Stimmenimitator probt, so vertieft in seine Arbeit, dass er die staubbedeckte Frau kaum wahrnimmt. Diese Erzählsituation wird erst gegen Ende des Romans klar, der rumänische und der New Yorker Erzählstrang verlaufen lange nur nebeneinander, aber der Stimmenimitator ist der Enkel des Mannes, dessen Geschichte am Beginn des Romans steht. Es ist die Geschichte eines einfachen Jungen, der sich in der Bronx als Zeitungsausträger durchschlägt. Er scheint weder Vater noch Mutter zu haben und ist darauf angewiesen, vom einen oder anderen Gauner zu lernen.
Das könnte sehr gut funktionieren, das Hauptproblem des Romans aber ist, dass Florescu für New York, wen wundert’s, über eine weniger neue, eigenständige Sprache verfügt, als für das Donaudelta, das nur wenige kennen. Zum Auftakt heißt es: „Der Fluss nahm die Toten sanft auf, als ob er wusste, dass es besondere Tote waren. Der East River, so ungestüm er sein konnte, lag in der Morgendämmerung wie ein breiter, bleierner Streifen. Er war geduldig, er wollte den Menschen nicht ins Handwerk pfuschen.“ Florescus Sprache ist auch hier nicht schwach: die Sanftheit des ungestümen East River – eine schöne Beobachtung, aber der „breite, bleierne Streifen“ und die „Geduld“ des Flusses holen ihn wieder ins bekannte Bild zurück.
Leider ist der Roman nicht arm an solch zweischneidigen Stellen, an denen der Leser von einer Zeile zur anderen zwischen den Eindrücken „zu dick aufgetragen“ und „eigenständig gesehen“ schwankt. Das gilt für beide Schauplätze, das Donaudelta ebenso wie New York. Da gibt es eine wunderbare Geschichte, in welcher der schlaue New Yorker aus Geldnot beinahe zum Sohn eines orthodoxen Juden mutiert. Und dann wieder Annäherungen an den Kitsch, wenn die Siedlung der Leprakranken im Delta schaurig ausgemalt wird.
Der Autor selbst wird das alles als Vision, Fantasie, Sprachmagie begreifen, aber ein wenig mehr Bändigung des Erzähldrangs hätte diesem Buch nicht geschadet. Sie hätte vielleicht geholfen, die Stimme des Autors gegenüber den Imitationen von Authentizität eigenständiger hervortreten zu lassen.
HANS-PETER KUNISCH
Catalin Dorian Florescu: Der Mann, der das Glück bringt. Roman. C. H. Beck Verlag, München 2016. 325 Seiten, 19,95 Euro. E-Book 15,99.
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"Ein Genuss!"
Ulrich Dombrowsky, Das Magazin der 5 plus, 2016
"Ein couragierter, inbrünstiger Erzähler."
Rainer Moritz, NZZ, 3. Mai 2016
"Lebenspralles Erzählfeuerwerk."
Manfred Papst, NZZ am Sonntag, 27. März 2016
"Ein Jahrhundertpanorama aus Sicht der kleinen Leute."
Stephan Lohr, Spiegel Online, Februar 2016
"Dies ist ein Roman, der es nicht nur verdient, sondern auch verlangt, mehr als einmal gelesen zu werden."
Undine Materni, Sächsische Zeitung, 8. Februar 2016
Ulrich Dombrowsky, Das Magazin der 5 plus, 2016
"Ein couragierter, inbrünstiger Erzähler."
Rainer Moritz, NZZ, 3. Mai 2016
"Lebenspralles Erzählfeuerwerk."
Manfred Papst, NZZ am Sonntag, 27. März 2016
"Ein Jahrhundertpanorama aus Sicht der kleinen Leute."
Stephan Lohr, Spiegel Online, Februar 2016
"Dies ist ein Roman, der es nicht nur verdient, sondern auch verlangt, mehr als einmal gelesen zu werden."
Undine Materni, Sächsische Zeitung, 8. Februar 2016