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Die Autobiografie des Theater- und Opernregisseurs Alfred Kirchner Von abenteuerlich absurden Begebenheiten, vom Bombenangriff auf seine Geburtsstadt in Schwaben, vom Nazikind auf dem Weg in alle Welt, auch zu den Bayreuther Festspielen und den damit verbundenen Symposion aller wichtigen israelischen Musikwissenschaftler und Komponisten; von den politischen Kämpfen in Stuttgart (RAF, Filbinger-Affäre) bis zu seinen Bühnenarbeiten mit Abbado, Harnoncourt und Rattle erzählt Alfred Kirchner - immer die Waage haltend zwischen Abgründigem und wunderbar Komischem. Kirchners Helfer ist dabei der Mann…mehr

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Produktbeschreibung
Die Autobiografie des Theater- und Opernregisseurs Alfred Kirchner Von abenteuerlich absurden Begebenheiten, vom Bombenangriff auf seine Geburtsstadt in Schwaben, vom Nazikind auf dem Weg in alle Welt, auch zu den Bayreuther Festspielen und den damit verbundenen Symposion aller wichtigen israelischen Musikwissenschaftler und Komponisten; von den politischen Kämpfen in Stuttgart (RAF, Filbinger-Affäre) bis zu seinen Bühnenarbeiten mit Abbado, Harnoncourt und Rattle erzählt Alfred Kirchner - immer die Waage haltend zwischen Abgründigem und wunderbar Komischem. Kirchners Helfer ist dabei der Mann von Pölarölara, den der Vierjährige erfunden hat, um sich gegen seine ältere Schwester zu behaupten. Anfangs nur vier Zentimeter groß, war er, dank seiner metallischen Härte, doch imstande, sich unter die Märklin-Eisenbahn zu werfen und sie zum Entgleisen zu bringen. In kühnen Sprüngen bewegt sich Kirchner vor und zurück in der Zeitreise, das Unwahrscheinliche mit der Wirklichkeit verknüpfend. Leben oder Theater?

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Autorenporträt
Alfred Kirchner, in Göppingen geboren, wurde auf deutschen Bühnen und im Wiener Burgtheater bekannt für Inszenierungen, die vom Theatertreffen Berlin bis nach New York weltweit eingeladen wurden. Uraufführungen von Martin Walser, Thomas Bernhard, Heiner Müller, Peter Turrini u.a.m. Wegweisendes Musiktheater mit Claudio Abbado, Nikolaus Harnoncourt, Michael Gielen, Simon Rattle.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.02.2020

Die Kuh muss auf die Bretter
Der Theater- und Opernregisseur Alfred Kirchner blickt zurück

"Herr Kirchner, ich hab so schöne Pornofilme, einer heißt ,Der Klempner', der andere ,Surprise Attack', sollten wir die nicht anschauen?", fragte Alfred Kirchner einst in Berlin der Schauspieler Curt Bois bei einem Stücklein Torte. Kirchner verneinte - und schreibt in seiner Autobiographie zerknirscht, an diesem Tag sei er nicht Welt-, sondern Kleinbürger gewesen.

Mal Kleinbürger, mal Weltbürger, dieser Dualismus scheint sich durch das ganze Leben des mittlerweile 82-jährigen Theatermannes gezogen zu haben. Einerseits ist Alfred Kirchner der Junge aus Göppingen an der Schwäbischen Alb geblieben. Andererseits hat er als Theatermann die ganze Welt gesehen, mit den wichtigen Bühnenmenschen der deutschen Nachkriegsgeschichte zu tun gehabt: mit Klaus Zehelein und Hermann Beil, mit Claus Peymann und Dieter Dorn, mit den Schauspielern Hannelore Hoger, Edith Clever, Bruno Ganz, mit Wolfgang Wagner und Claudio Abbado.

In dreißig Kapiteln blickt Kirchner unprätentiös auf die prätentiöse Theaterwelt. Eine Metapher für seine Selbstbehauptung wird der titelgebende "Mann von Pölarölara". Als kleiner Junge beschließt er nach einer Demütigung durch seine dominierende große Schwester, nur noch dieser Mann zu sein, den Namen hat er sich lautmalend ausgedacht. Er stellt sich vor, künftig wie das vier Zentimeter hohe Männchen seiner Märklin-Eisenbahn zu sein, das Züge entgleisen lassen kann und trotzdem selbst nicht kaputtgeht.

Kirchner wächst in den Kriegsjahren auf, erinnert sich an den Einmarsch der Amerikaner, an den ersten Schwarzen, den er sah, einen Soldaten, der ihm eine Blutorange schenkte. Der Jugendliche bewirbt sich trotz Hinkebein und schwäbelnder Sprache mutig an der Westberliner Schauspielschule Max Reinhardt und wird aufgenommen. Er trifft auf Aribert Reimann, Jazz und Helene Weigel, Bertolt Brechts Witwe, die ihrem bewundernden Zuhörer mit auf den Weg gibt, dass er immer die politische Dimension des Theaters beachten möge. Rein politisches Theater, das die politische Botschaft wichtiger findet als die ästhetische Umsetzung eines Stoffes, lehnt er allerdings ab.

Kirchner beginnt als Assistent von Peter Zadek am Theater Bremen, wird dann Oberspielleiter in Stuttgart unter der Intendanz von Claus Peymann. Zum Stadtgespräch wird seine Inszenierung von Wedekinds "Frühlings Erwachen" mit Gert Voss als nacktem Melchior (1974). Das Programmheft wird verboten, wegen einer freizügigen beigefügten Aufklärungsfibel, es geht vom Ministerpräsidenten Filbinger zum Oberbürgermeister und zurück. Schließlich wird das Heftchen zweigeteilt und kann einzeln gekauft werden. Ein Jahr später bugsiert Kirchner für die Komödie "Die Glückskuh" nach langwierigen Verhandlungen mit unterschiedlichen Bauern und dem Intendanten eine echte Kuh auf die Bühne. In Bochum, wohin Kirchner Claus Peymann folgt, gelingt es ihm 1979 mit einer Inszenierung der "Heiligen Johanna der Schlachthöfe", auch etliche Arbeiter in die 1750 Quadratmeter große Halle zu locken, "ein Wunschtraum für 68er".

Die Autobiographie zeichnet Kirchner als Mann für die kniffligen Fälle, als Vermittler zwischen der phantastischen uferlosen Theaterwelt und den Belangen der normalen Leute. Anlässlich der Uraufführung von Bernd Alois Zimmermanns "Die Soldaten" in Frankfurt 1980 gelingt es ihm, den Betriebsrat zu überzeugen, dass am Schluss alle Mitspieler den Wall hinunterkriechen. "Dazu sind sie eigentlich nicht verpflichtet" (Betriebsrat). Natürlich erzählt Kirchner auch von seiner Zeit mit Claus Peymann am Wiener Burgtheater, vom Skandal 1988 anlässlich der "Heldenplatz"-Aufführung von Thomas Bernhard und dem Misthaufen vor dem Theater.

Die Erzählung springt in Anekdoten vor und zurück, die Zeit im Leitungsteam des Berliner Schillertheaters, das der Senat aus Finanznot schließt, streift der Autor nur kurz. Diese Anekdoten bleiben freundlich, kurz, andeutend. Sein Rückblick auf ein Theaterleben ist unterhaltend und tut niemandem weh.

GRETE GÖTZE

Alfred Kirchner: "Der Mann von Pölarölara". Autobiografische Splitter.

Hollitzer Verlag, Wien 2019. 365 S., geb., 25,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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