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Chinas Weg zur Hightech-Supermacht
Ein wild fauchender Drache balanciert auf der Weltkugel, die in dichtem Linien-Gewirr die Netzwirtschaft zeigt - die muntere Szenerie auf dem Cover von Stephan Scheuers Buch steht für Chinas Weg in die digitale Weltherrschaft. Der in London und Peking ausgebildete Sinologe beschreibt, wie die chinesischen Internetgiganten Alibaba, Tencent und Baidu in wenigen Jahren den riesigen Heimatmarkt des bevölkerungsreichsten Landes der Erde aufrollten, ihre Konkurrenten in den Vereinigten Staaten, Europa und Deutschland abhängten und nun zum globalen Angriff auf die restliche Welt rüsten. Aus den Biographien von Jack Ma, Pony Ma und Li Robin erfahren wir, mit wie viel planvoller Beharrlichkeit die heute unermesslich reichen Gründer der drei Online-Riesen von Anfang an den langfristigen Erfolg ihrer jeweiligen Geschäftsideen im Auge hatten.
Der Buchtitel ist allerdings eher auf die weitreichenden Strategien des chinesischen Staates gemünzt, der den kommerziellen Siegeszug von "Big Data" in der Volksrepublik energisch für seine politischen Ambitionen nutzt. Denn dank des flächendeckenden digitalen Erfolgs chinesischer Technologieunternehmen sind mehr Informationen über jeden Einwohner des Landes verfügbar als je zuvor, und Peking ist im Begriff, mit diesen Daten sein Milliardenreich noch autoritärer als bisher in den Griff zu bekommen. "Big Brother trifft Big Data" - die Details dazu lassen dem Leser den Atem stocken.
Dabei ist beängstigend genug, was der Autor über den unaufhaltsamen Expansionsdrang der drei Digital-Mogule Jack Ma, Pony Ma und Robin Li zu berichten weiß. Die drei smarten Herren haben sich das Geschäft untereinander aufgeteilt und strotzen nur so von Selbstbewusstsein. Am bekanntesten im Westen ist Jack Ma, der mit Alibaba das Online-Handelsgeschäft betreibt. Sein Namensvetter Pony Ma dominiert mit Tencent Chat-Programme und Online-Spiele. Robin Li kontrolliert mit Baidu die Internetsuche. Der gigantische chinesische Digital-Markt von gut 700 Millionen Nutzern hat die drei Gründungen zu Megaunternehmen gemacht. Die gewaltigen Wachstumsraten motivieren, auch international Fuß zu fassen.
Alibaba-Gründer Jack Ma proklamiert als Ziel, in den nächsten 20 Jahren weltweit 2 Billionen Kunden mit Dienstleistungen zu versorgen, davon die Hälfte außerhalb Chinas. Sein Online-Konzern gehört seit Januar 2018 zu den mit 500 Milliarden Dollar bewerteten Technologie-Unternehmen. Schon jetzt wickelt Alibaba mehr Transaktionen ab als eBay und Amazon zusammen. Auch Tencent-Gründer Pony Ma steht glänzend da. Sein Kurzmitteilungsdienst WeChat erreicht rund 1 Milliarde Nutzer. Ursprünglich kupferte Pony Ma Ideen dafür im Ausland ab. Aber mittlerweile habe sich das Verhältnis komplett verschoben: "Technologiefirmen aus dem Silicon Valley schauen sich innovative Ansätze bei ihren Rivalen in China ab." So habe Whats-App seine Audio- und Video-Funktion erst drei Jahre nach WeChat eingeführt. Der in Amerika ausgebildete Informatiker Robin Li hatte Kopieren nie nötig. Er entwickelte seine erfolgreiche Suchmaschine Baidu selbst, plant ein weltweit führendes Unternehmen für Künstliche Intelligenz und tüftelt mit den deutschen Unternehmen Bosch und Continental an der besten Technik für selbstfahrende Autos.
"Baidu, Alibaba und Tencent sind die entscheidenden Treiber der technologischen Innovation in der Volksrepublik", resümiert Scheuer. Ihr Erfolg gründe sich jedoch nicht nur auf exzellente Ideen, aggressive Preise und Produkte, die im Gegensatz zu ausländischen Rivalen auf die speziellen Bedürfnisse chinesischer Nutzer eingingen und früh zusammen mit anderen Dienstleistungs-Angeboten bei einem einzigen Anbieter über Smartphone zu erreichen waren. Entscheidend für den rasanten Aufstieg von Alibaba, Tencent und Baidu seien staatliche Förderprogramme gewesen. Denn Peking schaffe seit langem mit dem systematischen Ausbau von schnellem mobilen Internet die nötigen Voraussetzungen für einen raschen Sprung vom einstigen Entwicklungsland in die weltgrößte Online-Wirtschaft. Dazu gehöre, dass die politische Führung über scharfe Zensur im Netz internationalen Unternehmen den Zugang zum chinesischen Markt erschwere und damit eigenen Digital-Unternehmen einen geschützten Raum biete.
Wegen der strengen amtlichen Vorgaben müssen auch Tencent, Baidu und Alibaba Tausende Zensoren beschäftigen und täglich ihre Plattformen von unerwünschten Inhalten säubern. Doch zum Erfolgsgeheimnis der Unternehmer Ma und Li gehört politisches Wohlverhalten und die Bereitschaft, technologisch zu kooperieren: "Wer in China Geschäfte machen will, muss sich unterordnen." Nicht unbotmäßig aufzufallen gilt auch für jeden Einwohner im Land. Essentiell für die Behörden wird der Zugriff auf alle Überwachungskameras und Telefonate im Land sein. Um die gewaltigen Datenmengen zu bewältigen, brauchen sie die Unterstützung von Technologie-Experten wie Alibaba, Tencent und Baidu.
Die Auswirkungen der regierungsamtlichen Verbindung von Big Data und staatlicher Steuerung in der Volksrepublik erstrecken sich über die chinesischen Technologieunternehmen bis nach Europa. Scheuer mahnt deshalb, vor allem über elementare Fragen der Datensicherheit und die Bedeutung von Landesgrenzen in der digitalen Welt nachzudenken: "Big Data ermöglicht Peking, eine Kontrolle aufzubauen, wie es sie noch nicht gegeben hat. Europa muss dagegenhalten." Google sieht das offenbar weniger eng. Zur Rückkehr nach China auf den größten Digital-Markt der Erde arbeiten dort angeblich zweihundert Entwickler an einer Suchmaschine mit eingebauter Zensur. Sie soll sensible Begriffe wie "Menschenrechte" oder "Demokratie" herausfiltern und die Fragesteller bei der Anmeldung mit der Mobilfunknummer ihres Smartphones registrieren. Das Projekt läuft unter dem Tarnnamen "Dragonfly".
ULLA FÖLSING.
Stephan Scheuer: Der Masterplan. Chinas Weg zur Hightech-Weltherrschaft, Verlag Herder, Freiburg, Basel, Wien 2018, 224 Seiten, 22 Euro
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
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