Er war, so scheint es ihm, von Anfang an das egalste Kind der Welt. Das traurigste ... Das sprachloseste ... Dann, eines Morgens vor der U-Bahn, erhält Max von einem einarmigen Bettler ein unglaubliches Geschenk Und ein goldenes Ticket, mit dem er an Orte reisen kann, wo nur wenige hinkommen: die Refugien. Nur dort kann Max sich seiner Traurigkeit stellen, nur dort kann er sein Leben verändern und sein Herz retten. Versagt er, wird der mechanische Prinz, der Herrscher über die Refugien, ein schreckliches Pfand von ihm einbehalten, und, beinahe noch schlimmer, sein elendes Leben wird weitergehen wie bisher ... "
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 17.03.2003Mit dem goldenen Ticket in die Unterwelt
Eine phantastische Erzählung über eine Reise in die eigene Seele
Max erzählt dem Schriftsteller Andreas Steinhöfel seine Geschichte, damit er sie veröffentlicht und andere Kinder hoffen können: Darauf, dass auch sie ein goldenes Ticket für die Fahrt in die Unterwelt bekommen, um dem mechanischen Prinzen gewachsen zu sein und ihr Herz retten zu können.
Max will Kindern Mut machen, die in einer so schlimmen Situation sind, wie er es war. Die darum auch in Gefahr sind, dass ihre Seele irreparablen Schaden nimmt. Das goldene Ticket ist die Eintrittskarte in phantastische „Refugien” und die auserwählten Ticket-Besitzer erreichen sie über geheimnisvolle U-Bahn-Stationen in Berlin. Wenn sie ein Abenteuer erfolgreich bestanden haben, bekommen sie „Herzfinster”, sehr wirkungsvolle Mittel um den Wettlauf ums eigene Herz gegen den Eisenvogel zu gewinnen.
„Sein Herz retten” ist ein Bild für die Rettung der seelischen Gesundheit. Max selbst hat sich immer eingeredet, dass es ihm eigentlich gut geht, auch wenn seine Eltern sehr wenig Zeit für ihn haben. Schließlich ist er weder ein hungerndes Kind in Afrika noch leidet er unter einer unheilbaren Krankheit. Trotzdem wurden seine Trauer und sein Hass immer größer, ohne dass er sie benennen konnte. Die phantastischen Abenteuer in den Refugien der Berliner Unterwelt öffneten ihm die Augen über sich selbst und seinen besten Freund.
Phantastische Literatur kann – wie realistische auch – einfach dumm sein: ein nur zu bekannter Plot, eine Aneinanderreihung von Klischees, kaum mehr Gehalt als „die Guten besiegen die Bösen” oder „irgendeiner kommt und rettet entweder dich oder gleich die ganze Welt.” Und alles ist wieder gut. Der mechanische Prinz aber ist stimmig, klug und spannend geschrieben, voller poetischer Bilder. Die phantastischen Abenteuer, die ganz bewusst mit Elementen von Computerspielen durchsetzt sind, sind Abenteuer der Seele, führen Max in sein Unterbewusstsein, und mit jeder Aufgabe, die er löst, gewinnt er eine Schlacht im Kampf mit sich selbst.
Er besiegt seine lähmende Traurigkeit und seine gefrorene Wut, seine zum Schweigen verdammten Ängste und seinen Hass, der droht sich zu verselbstständigen. Eine Umsetzung des Seelenlebens in phantastische Bilder. Wer literarische Anspielungen genießt, wird Freude an Verknüpfungen und Querverweisen zu verwandten Geschichten wie Peter Pan oder (vielleicht noch deutlicher) zu Der Zauberer von Oz haben, an Sprachspielen und Namengebungen. Aber selbst wer nur aufregende Unterhaltung sucht mit frechen Dialogen und flapsigen Sprüchen und durchgehender Spannung, ist mit diesem Buch aufs Beste bedient.
Nach der Mitte der Welt und Defender haben die Leser von Andreas Steinhöfel etwas völlig anderes als diesen phantastischen, sehr spannenden Kinderroman erwartet. Aber die Geschichte vom mechanischen Prinzen, ein gelungenes Bild für Schicksal und individuelle Verantwortlichkeit, ist ihm gelungen. Das Buch ist ein „Herzfinster”, das gegen Selbstaufgabe, Gleichgültigkeit und Einsamkeit hilft, und es sollte unbedingt großzügig verschenkt werden. (ab 12 Jahre)
GABRIELA WENKE
ANDREAS STEINHÖFEL: Der mechanische Prinz. Carlsen Verlag 2003. 272 Seiten, 16 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
Eine phantastische Erzählung über eine Reise in die eigene Seele
Max erzählt dem Schriftsteller Andreas Steinhöfel seine Geschichte, damit er sie veröffentlicht und andere Kinder hoffen können: Darauf, dass auch sie ein goldenes Ticket für die Fahrt in die Unterwelt bekommen, um dem mechanischen Prinzen gewachsen zu sein und ihr Herz retten zu können.
Max will Kindern Mut machen, die in einer so schlimmen Situation sind, wie er es war. Die darum auch in Gefahr sind, dass ihre Seele irreparablen Schaden nimmt. Das goldene Ticket ist die Eintrittskarte in phantastische „Refugien” und die auserwählten Ticket-Besitzer erreichen sie über geheimnisvolle U-Bahn-Stationen in Berlin. Wenn sie ein Abenteuer erfolgreich bestanden haben, bekommen sie „Herzfinster”, sehr wirkungsvolle Mittel um den Wettlauf ums eigene Herz gegen den Eisenvogel zu gewinnen.
„Sein Herz retten” ist ein Bild für die Rettung der seelischen Gesundheit. Max selbst hat sich immer eingeredet, dass es ihm eigentlich gut geht, auch wenn seine Eltern sehr wenig Zeit für ihn haben. Schließlich ist er weder ein hungerndes Kind in Afrika noch leidet er unter einer unheilbaren Krankheit. Trotzdem wurden seine Trauer und sein Hass immer größer, ohne dass er sie benennen konnte. Die phantastischen Abenteuer in den Refugien der Berliner Unterwelt öffneten ihm die Augen über sich selbst und seinen besten Freund.
Phantastische Literatur kann – wie realistische auch – einfach dumm sein: ein nur zu bekannter Plot, eine Aneinanderreihung von Klischees, kaum mehr Gehalt als „die Guten besiegen die Bösen” oder „irgendeiner kommt und rettet entweder dich oder gleich die ganze Welt.” Und alles ist wieder gut. Der mechanische Prinz aber ist stimmig, klug und spannend geschrieben, voller poetischer Bilder. Die phantastischen Abenteuer, die ganz bewusst mit Elementen von Computerspielen durchsetzt sind, sind Abenteuer der Seele, führen Max in sein Unterbewusstsein, und mit jeder Aufgabe, die er löst, gewinnt er eine Schlacht im Kampf mit sich selbst.
Er besiegt seine lähmende Traurigkeit und seine gefrorene Wut, seine zum Schweigen verdammten Ängste und seinen Hass, der droht sich zu verselbstständigen. Eine Umsetzung des Seelenlebens in phantastische Bilder. Wer literarische Anspielungen genießt, wird Freude an Verknüpfungen und Querverweisen zu verwandten Geschichten wie Peter Pan oder (vielleicht noch deutlicher) zu Der Zauberer von Oz haben, an Sprachspielen und Namengebungen. Aber selbst wer nur aufregende Unterhaltung sucht mit frechen Dialogen und flapsigen Sprüchen und durchgehender Spannung, ist mit diesem Buch aufs Beste bedient.
Nach der Mitte der Welt und Defender haben die Leser von Andreas Steinhöfel etwas völlig anderes als diesen phantastischen, sehr spannenden Kinderroman erwartet. Aber die Geschichte vom mechanischen Prinzen, ein gelungenes Bild für Schicksal und individuelle Verantwortlichkeit, ist ihm gelungen. Das Buch ist ein „Herzfinster”, das gegen Selbstaufgabe, Gleichgültigkeit und Einsamkeit hilft, und es sollte unbedingt großzügig verschenkt werden. (ab 12 Jahre)
GABRIELA WENKE
ANDREAS STEINHÖFEL: Der mechanische Prinz. Carlsen Verlag 2003. 272 Seiten, 16 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.04.2003Peter Pan und die Currywurst
Andreas Steinhöfel macht aus Berlin eine Fantasy-Stadt
Der Mauerfall und die wiedergewonnene Hauptstadtfunktion haben Berlin auch für Jugendbuchautoren interessant gemacht. Andreas Steinhöfel nutzt in seiner neuen Erzählung das Labyrinth des Berliner U- und S-Bahn-Plans als literarisches Regelwerk, als inspirierenden Topos und als Handlungsort. Das ist ein glücklicher Griff, da die Berliner U-Bahn einer der bedeutenden poetischen Orte der Moderne ist. Steinhöfels Held Max bekommt ein goldenes Ticket geschenkt, mit dem er an einem sonst unsichtbaren veralteten Bahnhof zwischen Hohenzollernplatz und Spichernstraße aus- und in phantastische Refugien umsteigen kann. Die U-Bahn fuhr jahrzehntelang durch Geisterbahnhöfe, und obendrein gab es bis in die späten fünfziger Jahre tatsächlich einen Bahnhof zwischen Hohenzollernplatz und Wittenbergplatz, den Nürnberger Platz, der dann beim Ausbau des U-Bahn-Netzes durch die beiden Stationen Spichern- und Augsburger Straße ersetzt wurde.
Das sind aber schon Steinhöfels subtilste Annäherungen an den realen historischen Ort. Die mütterliche Currywurst-Wirtin im Wedding und die Kreuzberger Taubenfrau als Schutzengel der emotional unterprivilegierten Kinder stammen aus der Requisite des Folklore-Kitschs. Wer Neukölln in den Ostteil der Stadt verlegt, kennt die Stadt nicht gut genug, um souverän mit ihren Subtexten zu spielen, auch wenn er in der Bergmannstraße wohnt und gern im Café am Neuen See sitzt. Damit plaudere ich keine Heimlichkeiten des Autors aus, sondern folge den Angaben des Erzählers, eines Wiedergängers von J. M. Barries Peter Pan. Er beglaubigt die Handlung, kommentiert sie behutsam, bricht manches ironisch, löst und stellt Rätsel und wird am Ende mit dem goldenen Ticket für die eigene Bewährungsreise ins Anderland belohnt.
Für dessen Refugien bietet Berlin nur ein wenig Lokalkolorit, daher kommt dem Autor auch nicht der scharfsichtige Blick des Fremden auf die Stadt zugute. Die geheimnisvolle Weiche, die die U-Bahn rückwärts zum Geisterbahnhof fahren läßt, führt den Helden in viel ältere, vertraute allegorische Seelenlandschaften: in die Wüste und zum Tränensee dicht beim Eis des Zornes, in den Wald, vor das verschlossene Tor und durch die Dornenhecke, in Sumpf und Hochgebirge und schließlich zum Turm der Herzen. Den mythischen Orten entsprechen die märchenhaften Handlungsstrukturen und Symbole. Magische Helfer - der einarmige Bettler, das junge Mädchen, die alte Frau, die mütterliche Frau, das Kind, der Doppelgänger-Freund - geben Rat, bieten Widerstand zur rechten Zeit und statten Max mit Gaben aus, die Steinhöfel hübsch dunkel Herzfinster nennt: Feder, Tränenkrüglein, Schwert, Spindel.
Den Jungen treibt familiäres Elend von zu Hause fort - elterliche Gleichgültigkeit und ewiger Streit. Auf der Kippe zwischen sensiblem Opfer und aggressivem, coolem Täter, als den Max sich sein Alter ego, den heimlichen Freund Jan, phantasiert, durchlebt er eine Entwicklungskrise wie all die Mythen- und Märchenhelden, die in die Welt hinaus, ins eigene Lebensabenteuer wandern müssen und wollen. Die zur inneren Reifung notwendigen Bewährungsproben setzen psychotherapeutische Maximen in Szene: die Gefahr, sich narzißtisch in die eigene Traurigkeit zu versenken, die Bewältigung der Angst durch die Konfrontation mit dem Ängstigenden, die Erleichterung durch das Herausschreien von Frustrationen, die Besinnung auf glückliche Augenblicke. Max besteht auch die Probe auf die Tugenden Mitleid und Sanftmut und begreift schließlich, daß er in sich selbst den größten Widersacher zu überwinden hat.
Der Herr dieser Prüfungen ist der mechanische Prinz, ein androgyner Eisenherz, der den Bogen zwischen den archetypischen Landschaften und dem Maschinenlabyrinth der Großstadt schlägt und mit diversen Fantasy-Tricks aufwartet. Über sich selbst spricht er mit den Worten des biblischen Gottes: Ich bin, der ich bin, eine blasphemische Anmaßung. Sie wäre akzeptabel, wenn Steinhöfel den Therapeuten als Gott der Epoche demaskieren wollte. Aber darauf zielt seine zahme Ironie nicht, sein Verhältnis zur phantastischen Therapie ist ungebrochen. Daher wirkt das biblische Zitat nur unsensibel und respektlos. Nicht alle großen Worte eignen sich gleichermaßen für das intertextuelle Spiel, mit dem der ehrgeizige Autor seine Geschichte intellektuell aufrüstet. Von Dante über Hauff bis zum Kollegen Zoran Drvenkar und den eigenen Büchern reicht der Zitatenschatz. Den Lateinklassenschülern und -absolventen aller Altersstufen geben seine Anagramme kleine poetische Rätselaufgaben. Solch reizvolle Details, die grundlegende Idee und der gelungene Auftakt einerseits, die forcierten und sentimentalen Passagen andererseits bewirken einen zwiespältigen Eindruck und den Wunsch, das Spiel würde beim Durchfahren der Station Merlan noch einmal zu einem anderen Verlauf starten.
GUNDEL MATTENKLOTT
Andreas Steinhöfel: "Der mechanische Prinz". Carlsen Verlag, Hamburg 2003. 272 S., geb., 16,- [Euro]. Ab 12 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Andreas Steinhöfel macht aus Berlin eine Fantasy-Stadt
Der Mauerfall und die wiedergewonnene Hauptstadtfunktion haben Berlin auch für Jugendbuchautoren interessant gemacht. Andreas Steinhöfel nutzt in seiner neuen Erzählung das Labyrinth des Berliner U- und S-Bahn-Plans als literarisches Regelwerk, als inspirierenden Topos und als Handlungsort. Das ist ein glücklicher Griff, da die Berliner U-Bahn einer der bedeutenden poetischen Orte der Moderne ist. Steinhöfels Held Max bekommt ein goldenes Ticket geschenkt, mit dem er an einem sonst unsichtbaren veralteten Bahnhof zwischen Hohenzollernplatz und Spichernstraße aus- und in phantastische Refugien umsteigen kann. Die U-Bahn fuhr jahrzehntelang durch Geisterbahnhöfe, und obendrein gab es bis in die späten fünfziger Jahre tatsächlich einen Bahnhof zwischen Hohenzollernplatz und Wittenbergplatz, den Nürnberger Platz, der dann beim Ausbau des U-Bahn-Netzes durch die beiden Stationen Spichern- und Augsburger Straße ersetzt wurde.
Das sind aber schon Steinhöfels subtilste Annäherungen an den realen historischen Ort. Die mütterliche Currywurst-Wirtin im Wedding und die Kreuzberger Taubenfrau als Schutzengel der emotional unterprivilegierten Kinder stammen aus der Requisite des Folklore-Kitschs. Wer Neukölln in den Ostteil der Stadt verlegt, kennt die Stadt nicht gut genug, um souverän mit ihren Subtexten zu spielen, auch wenn er in der Bergmannstraße wohnt und gern im Café am Neuen See sitzt. Damit plaudere ich keine Heimlichkeiten des Autors aus, sondern folge den Angaben des Erzählers, eines Wiedergängers von J. M. Barries Peter Pan. Er beglaubigt die Handlung, kommentiert sie behutsam, bricht manches ironisch, löst und stellt Rätsel und wird am Ende mit dem goldenen Ticket für die eigene Bewährungsreise ins Anderland belohnt.
Für dessen Refugien bietet Berlin nur ein wenig Lokalkolorit, daher kommt dem Autor auch nicht der scharfsichtige Blick des Fremden auf die Stadt zugute. Die geheimnisvolle Weiche, die die U-Bahn rückwärts zum Geisterbahnhof fahren läßt, führt den Helden in viel ältere, vertraute allegorische Seelenlandschaften: in die Wüste und zum Tränensee dicht beim Eis des Zornes, in den Wald, vor das verschlossene Tor und durch die Dornenhecke, in Sumpf und Hochgebirge und schließlich zum Turm der Herzen. Den mythischen Orten entsprechen die märchenhaften Handlungsstrukturen und Symbole. Magische Helfer - der einarmige Bettler, das junge Mädchen, die alte Frau, die mütterliche Frau, das Kind, der Doppelgänger-Freund - geben Rat, bieten Widerstand zur rechten Zeit und statten Max mit Gaben aus, die Steinhöfel hübsch dunkel Herzfinster nennt: Feder, Tränenkrüglein, Schwert, Spindel.
Den Jungen treibt familiäres Elend von zu Hause fort - elterliche Gleichgültigkeit und ewiger Streit. Auf der Kippe zwischen sensiblem Opfer und aggressivem, coolem Täter, als den Max sich sein Alter ego, den heimlichen Freund Jan, phantasiert, durchlebt er eine Entwicklungskrise wie all die Mythen- und Märchenhelden, die in die Welt hinaus, ins eigene Lebensabenteuer wandern müssen und wollen. Die zur inneren Reifung notwendigen Bewährungsproben setzen psychotherapeutische Maximen in Szene: die Gefahr, sich narzißtisch in die eigene Traurigkeit zu versenken, die Bewältigung der Angst durch die Konfrontation mit dem Ängstigenden, die Erleichterung durch das Herausschreien von Frustrationen, die Besinnung auf glückliche Augenblicke. Max besteht auch die Probe auf die Tugenden Mitleid und Sanftmut und begreift schließlich, daß er in sich selbst den größten Widersacher zu überwinden hat.
Der Herr dieser Prüfungen ist der mechanische Prinz, ein androgyner Eisenherz, der den Bogen zwischen den archetypischen Landschaften und dem Maschinenlabyrinth der Großstadt schlägt und mit diversen Fantasy-Tricks aufwartet. Über sich selbst spricht er mit den Worten des biblischen Gottes: Ich bin, der ich bin, eine blasphemische Anmaßung. Sie wäre akzeptabel, wenn Steinhöfel den Therapeuten als Gott der Epoche demaskieren wollte. Aber darauf zielt seine zahme Ironie nicht, sein Verhältnis zur phantastischen Therapie ist ungebrochen. Daher wirkt das biblische Zitat nur unsensibel und respektlos. Nicht alle großen Worte eignen sich gleichermaßen für das intertextuelle Spiel, mit dem der ehrgeizige Autor seine Geschichte intellektuell aufrüstet. Von Dante über Hauff bis zum Kollegen Zoran Drvenkar und den eigenen Büchern reicht der Zitatenschatz. Den Lateinklassenschülern und -absolventen aller Altersstufen geben seine Anagramme kleine poetische Rätselaufgaben. Solch reizvolle Details, die grundlegende Idee und der gelungene Auftakt einerseits, die forcierten und sentimentalen Passagen andererseits bewirken einen zwiespältigen Eindruck und den Wunsch, das Spiel würde beim Durchfahren der Station Merlan noch einmal zu einem anderen Verlauf starten.
GUNDEL MATTENKLOTT
Andreas Steinhöfel: "Der mechanische Prinz". Carlsen Verlag, Hamburg 2003. 272 S., geb., 16,- [Euro]. Ab 12 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Der mechanische Prinz ist eine schöne Trostgeschichte, ein Angstfresser, für alle Kinder, die sich so wie Max fühlen, ungeliebt, einsam und allein." (Der Tagesspiegel)
"Ein gelungenes Bild für Schicksal und individuelle Verantwortlichkeit." (Süddeutsche Zeitung)
"Ein Buch wie ein actionreiches Computerspiel." (Focus)
"Ein gelungenes Bild für Schicksal und individuelle Verantwortlichkeit." (Süddeutsche Zeitung)
"Ein Buch wie ein actionreiches Computerspiel." (Focus)