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Autobiographie eines Unternehmers und Biobauern
Wo bewirkt der Mensch, der Gutes tun will, mehr - als Zahnrädchen in einem großen Betrieb oder als selbständiger Kleinunternehmer, vielleicht sogar als Kleinbauer, als Aussteiger auf der eigenen Scholle? Die Frage ist alt und literarisch vielfältig behandelt worden. Die Geschichte von Karl Ludwig Schweisfurth liefert Anschauungsmaterial aus dem echten Leben. Schweisfurth kam als Unternehmer, der den Familienbetrieb Herta zu einem Fleischkonzern machte, zu Millionen und mutmaßlich Hunderten von Millionen Mark. Und als in den achtziger Jahren die Hälfte seines Lebens vorüber war, verließ er plötzlich Herten im Ruhrgebiet und ging ins Alpenvorland bei München, um dort ein idealer Ökobauer zu werden.
Dessen Ideen von friedlicher Landwirtschaft und Schweinen von der Weide haftete zwar auch immer etwas Elitäres an, er selbst aber verhält sich nicht elitär, sondern ist in Glonn ein herrlich freier und verrückter alter Mann geworden, der viel lieber spielt und träumt als zu predigen und den Eindruck erweckt, dass das die wichtigeren Kategorien sind, als die des Guten oder Schlechten.
Seine Geschichte ist nun als Autobiographie erschienen. Sie handelt auch von Fleischexporten, Sojaimporten, Überdüngung mit Gülle und anderen weitverbreiteten Kritikpunkten der Umweltbewegung, die sich seit Jahrzehnten und mit zunehmender Vehemenz für eine "grünere", und zwar kleinbäuerliche und chemiefreie, Landwirtschaft einsetzt. Das ist ein wenig bedauerlich, weil diese Themen in sehr vielen anderen Sachbüchern behandelt werden und Schweisfurth selbst genügend Geschichten für ein schönes Buch geliefert hätte, jenseits seines agrarpolitischen Engagements. So ist das Buch etwas ernster geraten, als das Leben des Wurstfabrikanten-Saulus, der zum Öko-Paulus konvertierte, aussieht. Auf seinem Hut baumelt ein seltsamer Miniaturschinken aus Holz, er hat seine Ställe und Schweineweiden mit allerhand Kunstwerken und autodidaktisch und esoterisch inspirierten Lebensweisheiten staffiert, nicht selten handschriftlich und mit eigenem Signet versehen.
Hinter allem steht die alte und bleibende Sorge aus dem Industriezeitalter, dass wir Menschen den Planeten leer essen. Dass Schweisfurths Herrmannsdorfer Landwerkstätten, die das teuerste Öko-Fleisch für nicht unter Armut leidende Münchner erzeugen, auch nur ansatzweise eine Lösung für das Problem sind, das mag er nicht behaupten. Der alte Mann wäre wohl nicht zornig geworden, wenn seine von einem befreundeten Journalisten verfasste Autobiographie, seine inneren Widersprüche offener behandelt hätte, statt aus Schweisfurth eine Ikone einer politischen Umweltbewegung zu formen, die er nicht ist. Er ist nicht mehr als ein Kleinunternehmer, der einfach nur einen schönen Flecken Erde geschaffen hat, was ihm als Großunternehmer nicht gelingen wollte.
JAN GROSSARTH
Karl Ludwig Schweisfurth: Der Metzger, der kein Fleisch mehr isst... Oekom Verlag, München 2014. 208 Seiten, 19,95 Euro
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