Der moderne Mythos der Revolution lautet, dass das Volk sich gegen seine Herrscher erhebt und sie durch bessere ersetzt, wenn das Maß an Unterdrückung zu groß wird. Diese auf Karl Marx zurückgehende Idee ist aber zu einfach und zugleich zu schön, um wahr zu sein. Vielmehr hängt es von vielfältigen und oft zufällig gegebenen Bedingungen ab, ob sich größere Teile der Bevölkerung zu Massenprotesten zusammenfinden und ob das in der Folge eine Revolution auslöst. Noch einmal unsicher ist, ob sich anschließend ein besseres Regime etabliert. Die Bedingungen für eine Revolution fügen sich daher nicht zwangsläufig zusammen, wenn der Grad an Unterdrückung steigt.
Das Buch führt die Leser auf Basis der modernsten gesellschaftswissenschaftlichen Erkenntnisse durch die Welt von Massenprotesten, Aufständen, Revolten und Revolutionen und bleibt dabei stets leicht nachvollziehbar und unterhaltsam. Stück für Stück werden Mosaiksteine zu einem Bild zusammengefügt, welches den Mythos der Revolution entzaubert, aber zugleich tiefe Einsichten in die Logik politischer Macht bietet. Eingebettet wird die Reise durch die Welt der Revolutionen in ausführlich geschilderte historische Beispiele, vor allem aus dem 20. Jahrhundert.
Der Autor:
Prof. Dr. Thomas Apolte leitet den Lehrstuhl für Ökonomische Politikanalyse an der Universität Münster. Seit mehr als zehn Jahren liegt sein Schwerpunkt in der Erforschung der politischen Logik von Diktaturen, Revolutionen und politischer Gewalt sowie deren Auswirkungen auf die ökonomische Entwicklung von Ländern und Regionen.
Das Buch führt die Leser auf Basis der modernsten gesellschaftswissenschaftlichen Erkenntnisse durch die Welt von Massenprotesten, Aufständen, Revolten und Revolutionen und bleibt dabei stets leicht nachvollziehbar und unterhaltsam. Stück für Stück werden Mosaiksteine zu einem Bild zusammengefügt, welches den Mythos der Revolution entzaubert, aber zugleich tiefe Einsichten in die Logik politischer Macht bietet. Eingebettet wird die Reise durch die Welt der Revolutionen in ausführlich geschilderte historische Beispiele, vor allem aus dem 20. Jahrhundert.
Der Autor:
Prof. Dr. Thomas Apolte leitet den Lehrstuhl für Ökonomische Politikanalyse an der Universität Münster. Seit mehr als zehn Jahren liegt sein Schwerpunkt in der Erforschung der politischen Logik von Diktaturen, Revolutionen und politischer Gewalt sowie deren Auswirkungen auf die ökonomische Entwicklung von Ländern und Regionen.
Dieser Download kann aus rechtlichen Gründen nur mit Rechnungsadresse in A, B, BG, CY, CZ, D, DK, EW, E, FIN, F, GR, HR, H, IRL, I, LT, L, LR, M, NL, PL, P, R, S, SLO, SK ausgeliefert werden.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.08.2020Mythos der Revolution
Thomas Apolte erforscht den Weg zur Demokratie
Manchmal erscheint die Ökonomik dort am spannendsten, wo es gar nicht um Wirtschaft geht. Schon seit langem haben die Vertreter des Fachs Methoden entwickelt, die sich gut auch auf nicht-ökonomische Fragen anwenden lassen. Das gilt für die ökonometrischen Techniken, die es erlauben, die Effekte von Schocks oder politischen Maßnahmen von anderen Einflüssen zu isolieren und quantitativ zu erfassen. Es gilt aber auch für die spieltheoretischen Methoden, mit denen sich untersuchen lässt, wie menschliches Handeln von den Entscheidungsstrukturen abhängt.
Thomas Apolte, Professor für Ökonomische Politikanalyse an der Universität Münster, bietet mit seinem so interessanten wie unterhaltsamen Buch beste Anschauung dafür. Er geht der naiven Hoffnung nach, dass sich nur die Massen zu einem Volksaufstand mobilisieren müssen, damit sich eine Diktatur zur Demokratie wandelt. In der Tat, wer hätte sich nicht schon einmal bei dieser Hoffnung ertappt - beispielsweise zur Zeit der "Arabellion". Oder auch jetzt wieder angesichts der Entwicklungen in Belarus. Doch es ist es äußerst selten und von viel Zufall abhängig, ob Massenproteste am Ende in eine Demokratisierung münden. Der "Mythos der Revolution" sei eine Geschichte, die meist zu schön sei, um wahr zu sein, schreibt Apolte. "Es ist eine Sache, ein ungerechtes System abzuschütteln, aber eine ganz andere Sache, ein gerechtes, freiheitliches und demokratisches System an seine Stelle zu setzen."
Mit seinen Analysen knüpft Apolte kritisch an das Buch "Economic Origins of Dictatorship and Democracy" (2006) seiner Fachkollegen Daron Acemoglu (MIT) und James Robinson (Universität Chicago) an. Die beiden hatten ein Modell entwickelt, in das sie eine "Revolutionsrestriktion" einbauten: Die Möglichkeit von Aufständen mache Diktaturen instabil und daraus ergebe sich für die Eliten ein Anreiz, dem Wunsch nach Demokratisierung stattzugeben, um sich an der Macht zu halten. Apolte hält den Autoren das in der Wissenschaft bekannte "Dilemma der Revolution" entgegen, das es für jeden Bürger extrem gefährlich macht, sich an einer Erhebung zu beteiligen. Seine Auseinandersetzung zeigt, dass eine fruchtbare Anwendung ökonomischer Methoden auf fremde Gebiete mehr braucht als Modelle, die oft das Wichtigste ausblenden. Sie bedarf auch einer profunden Kenntnis des Gegenstandes. Apolte kann damit aufwarten. Sein Buch zu lesen lohnt sich schon wegen der historisch, politisch und institutionell tiefgreifenden Darstellung einer Fülle von größeren und kleineren, geglückten und (zumeist) gescheiterten Revolutionen. Einige kennt man, zum Beispiel die Französische Revolution, die in ein Terrorregime kippte, und die Russische Revolution, die eigentlich eine Inszenierung war. Andere hat man selbst mitverfolgt, etwa die Proteste auf dem Tiananmen-Platz in Peking und die Samtene Revolution in Osteuropa, insbesondere die Montagsdemonstrationen, die in den Zerfall der DDR mündeten.
Im Zentrum des Buches stehen spieltheoretische Gedankenexperimente, die dem Nachvollzug individueller Entscheidungskalküle in verschiedenen Konstellationen dienen. Sie liefern die Theorie, die dann an historischen Fakten überprüft wird. Dieses Vorgehen erlaubt dem Autor, eine offene Frage nach der anderen abzuarbeiten. Zum Beispiel: Wovon hängt es ab und wann ist die kritische Masse erreicht, jenseits derer es für den Einzelnen in einer Diktatur nicht mehr lebensbedrohlich ist, an Protesten teilzunehmen, weil er durch die anderen geschützt ist? Braucht es dazu revolutionäre Anführer oder werden Figuren wie Lech Walesa in Polen erst im Zuge der Revolution nach oben gespült? Wie kann es überhaupt zu großen Mengen von Protestierenden kommen, wenn sie nicht kommunizieren und sich verabreden können? Es gibt Zufälle wie in Rumänien, schreibt Apolte, wo Nicolae Ceausescu so ungeschickt war, eine Jubeldemonstration organisieren zu lassen und den Massen damit eine Plattform zu bereiten. Freilich hätte ihnen auch das nichts genützt, wenn der Apparat noch funktionsfähig gewesen wäre. Wann aber zerbröselt dessen Loyalität? Wann ist es für Personen im Umfeld eines Diktators - Generäle, Minister, Berater - nicht mehr tödlich, sich gegen ihn zu stellen? Wie erfahren sie, ob sie sich in einer Verschwörung aufeinander verlassen können? Je komplexer die Befehlsketten und je größer der engere Kreis, desto schwieriger sei das, erklärt Apolte. Auch Meinungen spielten eine Rolle: Eine Diktatur habe nur so lange Bestand, wie andere glaubten, dass sie Bestand habe. Dann aber reiche es, wenn eine als wesentlich erachtete Stütze wegbreche, wie im Fall der DDR, als Michail Gorbatschow erkennen ließ, dass die Sowjets nicht eingreifen.
Die meisten Umstürze kommen nicht (nur) durch Massenproteste zustande, sondern sind vor allem das Werk revolutionärer Anführer oder Rivalen des Diktators. In aller Regel errichten sie die nächste Diktatur. Deshalb ist es nicht damit getan, "schlechte politische Führer durch vermeintlich gute politische Führer zu ersetzen, sondern es kommt darauf an, ein schlechtes Machtsystem durch ein gutes zu ersetzen". Das aber ist die Mutter aller Fragen: Wie kommt es zu einer demokratischen Verfassung, und woher bezieht sie ihre Legitimität, wenn sie sich - wie in Deutschland - einem freundlichen Oktroi verdankt? Daraus, dass man sich an sie gebunden fühlt, erklärt Apolte. Das bedingt auch, dass "selbst lange etablierte Demokratien nicht grundsätzlich immun sind gegen Rückschläge". Revolutionäre Aufwallungen wie in Katalonien, die nicht ansatzweise einen Weg in eine freiheitliche Zukunft wiesen, könnten ins Chaos münden. "Achten wir auf unsere Demokratien", mahnt Apolte, "und hüten wir uns vor jenen, die so Großes vorhaben, dass die Regeln des Rechtsstaates daneben verblassen."
KAREN HORN
Thomas Apolte, Der Mythos der Revolution, Springer, Wiesbaden 2019, 249 Seiten, 15 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Thomas Apolte erforscht den Weg zur Demokratie
Manchmal erscheint die Ökonomik dort am spannendsten, wo es gar nicht um Wirtschaft geht. Schon seit langem haben die Vertreter des Fachs Methoden entwickelt, die sich gut auch auf nicht-ökonomische Fragen anwenden lassen. Das gilt für die ökonometrischen Techniken, die es erlauben, die Effekte von Schocks oder politischen Maßnahmen von anderen Einflüssen zu isolieren und quantitativ zu erfassen. Es gilt aber auch für die spieltheoretischen Methoden, mit denen sich untersuchen lässt, wie menschliches Handeln von den Entscheidungsstrukturen abhängt.
Thomas Apolte, Professor für Ökonomische Politikanalyse an der Universität Münster, bietet mit seinem so interessanten wie unterhaltsamen Buch beste Anschauung dafür. Er geht der naiven Hoffnung nach, dass sich nur die Massen zu einem Volksaufstand mobilisieren müssen, damit sich eine Diktatur zur Demokratie wandelt. In der Tat, wer hätte sich nicht schon einmal bei dieser Hoffnung ertappt - beispielsweise zur Zeit der "Arabellion". Oder auch jetzt wieder angesichts der Entwicklungen in Belarus. Doch es ist es äußerst selten und von viel Zufall abhängig, ob Massenproteste am Ende in eine Demokratisierung münden. Der "Mythos der Revolution" sei eine Geschichte, die meist zu schön sei, um wahr zu sein, schreibt Apolte. "Es ist eine Sache, ein ungerechtes System abzuschütteln, aber eine ganz andere Sache, ein gerechtes, freiheitliches und demokratisches System an seine Stelle zu setzen."
Mit seinen Analysen knüpft Apolte kritisch an das Buch "Economic Origins of Dictatorship and Democracy" (2006) seiner Fachkollegen Daron Acemoglu (MIT) und James Robinson (Universität Chicago) an. Die beiden hatten ein Modell entwickelt, in das sie eine "Revolutionsrestriktion" einbauten: Die Möglichkeit von Aufständen mache Diktaturen instabil und daraus ergebe sich für die Eliten ein Anreiz, dem Wunsch nach Demokratisierung stattzugeben, um sich an der Macht zu halten. Apolte hält den Autoren das in der Wissenschaft bekannte "Dilemma der Revolution" entgegen, das es für jeden Bürger extrem gefährlich macht, sich an einer Erhebung zu beteiligen. Seine Auseinandersetzung zeigt, dass eine fruchtbare Anwendung ökonomischer Methoden auf fremde Gebiete mehr braucht als Modelle, die oft das Wichtigste ausblenden. Sie bedarf auch einer profunden Kenntnis des Gegenstandes. Apolte kann damit aufwarten. Sein Buch zu lesen lohnt sich schon wegen der historisch, politisch und institutionell tiefgreifenden Darstellung einer Fülle von größeren und kleineren, geglückten und (zumeist) gescheiterten Revolutionen. Einige kennt man, zum Beispiel die Französische Revolution, die in ein Terrorregime kippte, und die Russische Revolution, die eigentlich eine Inszenierung war. Andere hat man selbst mitverfolgt, etwa die Proteste auf dem Tiananmen-Platz in Peking und die Samtene Revolution in Osteuropa, insbesondere die Montagsdemonstrationen, die in den Zerfall der DDR mündeten.
Im Zentrum des Buches stehen spieltheoretische Gedankenexperimente, die dem Nachvollzug individueller Entscheidungskalküle in verschiedenen Konstellationen dienen. Sie liefern die Theorie, die dann an historischen Fakten überprüft wird. Dieses Vorgehen erlaubt dem Autor, eine offene Frage nach der anderen abzuarbeiten. Zum Beispiel: Wovon hängt es ab und wann ist die kritische Masse erreicht, jenseits derer es für den Einzelnen in einer Diktatur nicht mehr lebensbedrohlich ist, an Protesten teilzunehmen, weil er durch die anderen geschützt ist? Braucht es dazu revolutionäre Anführer oder werden Figuren wie Lech Walesa in Polen erst im Zuge der Revolution nach oben gespült? Wie kann es überhaupt zu großen Mengen von Protestierenden kommen, wenn sie nicht kommunizieren und sich verabreden können? Es gibt Zufälle wie in Rumänien, schreibt Apolte, wo Nicolae Ceausescu so ungeschickt war, eine Jubeldemonstration organisieren zu lassen und den Massen damit eine Plattform zu bereiten. Freilich hätte ihnen auch das nichts genützt, wenn der Apparat noch funktionsfähig gewesen wäre. Wann aber zerbröselt dessen Loyalität? Wann ist es für Personen im Umfeld eines Diktators - Generäle, Minister, Berater - nicht mehr tödlich, sich gegen ihn zu stellen? Wie erfahren sie, ob sie sich in einer Verschwörung aufeinander verlassen können? Je komplexer die Befehlsketten und je größer der engere Kreis, desto schwieriger sei das, erklärt Apolte. Auch Meinungen spielten eine Rolle: Eine Diktatur habe nur so lange Bestand, wie andere glaubten, dass sie Bestand habe. Dann aber reiche es, wenn eine als wesentlich erachtete Stütze wegbreche, wie im Fall der DDR, als Michail Gorbatschow erkennen ließ, dass die Sowjets nicht eingreifen.
Die meisten Umstürze kommen nicht (nur) durch Massenproteste zustande, sondern sind vor allem das Werk revolutionärer Anführer oder Rivalen des Diktators. In aller Regel errichten sie die nächste Diktatur. Deshalb ist es nicht damit getan, "schlechte politische Führer durch vermeintlich gute politische Führer zu ersetzen, sondern es kommt darauf an, ein schlechtes Machtsystem durch ein gutes zu ersetzen". Das aber ist die Mutter aller Fragen: Wie kommt es zu einer demokratischen Verfassung, und woher bezieht sie ihre Legitimität, wenn sie sich - wie in Deutschland - einem freundlichen Oktroi verdankt? Daraus, dass man sich an sie gebunden fühlt, erklärt Apolte. Das bedingt auch, dass "selbst lange etablierte Demokratien nicht grundsätzlich immun sind gegen Rückschläge". Revolutionäre Aufwallungen wie in Katalonien, die nicht ansatzweise einen Weg in eine freiheitliche Zukunft wiesen, könnten ins Chaos münden. "Achten wir auf unsere Demokratien", mahnt Apolte, "und hüten wir uns vor jenen, die so Großes vorhaben, dass die Regeln des Rechtsstaates daneben verblassen."
KAREN HORN
Thomas Apolte, Der Mythos der Revolution, Springer, Wiesbaden 2019, 249 Seiten, 15 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"... schafft es der Autor auch dieses Mal, einem breiten Publikum wissenschaftliche Argumente näherzubringen, anstatt das Feld Populisten und Romantikern zu überlassen. Wir brauchen mehr Bücher wie diese. Wer etwas über Massenaufstand und Revolte erfahren und lernen will, dem sei das Werk von Thomas Apolte sehr empfohlen." (Sebastian Panreck, in: Politische Studien, Jg. 71, Heft 493, September- Oktober 2020)
"... Es ist Pflichtlektüre für alle, die sich mitdem Phänomen Revolution auseinandersetzen ..." (Martin Kessler, in: RP Online, rp-online.de, 8. Januar 2020)
"... Es ist Pflichtlektüre für alle, die sich mitdem Phänomen Revolution auseinandersetzen ..." (Martin Kessler, in: RP Online, rp-online.de, 8. Januar 2020)