Ein abgelegenes Dorf. Sieben verschwundene Kinder. Und ein Ermittler, dem nicht zu trauen ist: Dieser Thriller hat allein in Italien mehr als hunderttausend Leserinnen und Lesern den Atem geraubt. In einer eisigen Winternacht irrt der römische Sonderermittler Vogel mit blutbesudeltem Hemd durch die nebelverhangenen Wälder am Rand eines Dorfes. Vogel war vor einigen Wochen von Rom in die italienischen Alpen gereist, um den Verbleib eines vermissten Mädchens zu klären. Dreißig Jahre zuvor waren mehrere Kinder in den umliegenden Wäldern verschwunden, und es besteht der dringende Verdacht, dass der Mörder von damals - der im Dorf nur "Der Nebelmann" genannt wird - wieder aktiv geworden ist. Als Vogel aufgegriffen wird, gibt er an, einen Unfall gehabt zu haben, doch das Blut an seinem Hemd stammt nicht von ihm. Ein Psychiater wird gerufen, um ihn zu befragen. Vogel beginnt zu erzählen - und sein Bericht ist ungeheuerlich.
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buecher-magazin.deIn dem italienischen Bergdorf Avechot verschwindet kurz vor Weihnachten ein Mädchen. Die Familie ist tief religiös, die 16-Jährige vermeintlich ein Ausbund an Naivität und Unschuld. Die Einwohner Avechots sind durch eine Bergbaufirma entweder wohlhabend oder bettelarm, das Dorf gespalten. Sonderermittler Vogel reist aus Rom an, ihm folgen eine Entourage aus Journalisten und Elendstouristen. Vogel, immer in edlem Zwirn, inszeniert ein Spektakel; Hand in Hand mit den Medien zu arbeiten setzt zusätzliche Mittel frei, bedeutet Anerkennung und Ruhm. Dabei könnte das Mädchen genauso gut abgehauen sein. Doch Vogel hat einen guten Instinkt für Inszenierungen - und Verbrechen. Ann-Lou ist nicht die erste Rothaarige, die in Avechot verschwand. Donato Carrisi ersinnt eine faszinierende Choreografie für seine Figuren, mit unzuverlässigen Erzählern, deren eigentliches Ziel zu sein scheint, Regie über ein ganzes Dorf, eine Meute Journalisten und leichtgläubige Bürger zu führen. Doch wo ist Ann-Lou? Er beginnt seine Erzählung rund zwei Monate nach dem Verschwinden des Mädchens, in dem Vogel blutbesudelt im Büro eines Psychologen sitzt und rückblickend erscheinen der Fall, das Auftreten der Polizei sowie das Schicksal des Mädchens in einem ganz neuen Licht.
© BÜCHERmagazin, Meike Dannenberg (md)
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.08.2017Die Nacht, die alles veränderte
Es sind die Bösen, die eine gute Geschichte ausmachen: Donato Carrisi schickt einen Sonderermittler in den undurchdringlichen Nebel eines Alpendorfs.
Eitelkeit sei die "dümmste Sünde des Teufels", sagt eine verdächtige Person, und es gehört zum raffinierten Spiel, das Donato Carrisi in seinem Roman in Bewegung setzt, dass man nicht das Geschlecht dieser Person verraten sollte und schon gar nicht ihren Namen, um nicht die Spannung zu verderben. Es lässt sich lediglich sagen, dass sich auch in diesem Satz nicht die ganze Wahrheit des Buches findet.
"Der Nebelmann" hat sich in Italien weit mehr als hunderttausend Mal verkauft und ist in viele Sprachen übersetzt worden. Der Mittvierziger Carrisi hat ihn auch schon selbst verfilmt, als Drehbuchautor und Regisseur, mit Stars wie Jean Reno und Toni Servillo, bekannt aus "La grande bellezza". Wie gut diese Selbstadaption gelungen ist, wird man im nächsten Jahr sehen. "Der Nebelmann" ist nicht Carrisis erstes Buch auf Deutsch, er hat eine Gemeinde von Lesern, die seine verschlungenen Konstruktionen und überraschenden Volten aus Thrillern wie "Der Todesflüsterer" oder "Der Seelensammler" schätzen.
"Der Nebelmann", der im italienischen Originaltitel ein Mädchen, "La ragazza nella nebbia", ist, spielt in einem öden Dorf in den Alpen. Und es gibt, nach den drei Büchern mit der Ermittlerin Mila Vazquez, eine neue Hauptfigur: den vornamenlosen Sonderermittler Vogel, einen Zyniker mit ausgewählter und geschmackvoller Garderobe, einen Profi, der mitunter etwas zu stromlinienförmig gezeichnet ist mit seinem unverhohlenen Interesse an Show und Medienpräsenz. Seine Fälle sucht er sich aus wie ein Schauspieler eine neue Rolle, die ihn möglichst gut zur Geltung kommen lässt, und die öffentliche Inszenierung ist Teil seiner Ermittlungstechnik. Ein "Zusammenspiel von Taktik und Opportunismus" heißt das im Buch.
Die Erzählung bewegt sich in moderaten Sprüngen. Es beginnt "in der Nacht, die alles veränderte" - ein Satz, der wie ein Refrain mehrfach auftaucht -, zweiundsechzig Tage nach dem spurlosen Verschwinden eines sechzehnjährigen Mädchens. Der verwirrte Sonderermittler mit Blutflecken an der Kleidung sitzt da im Zimmer des örtlichen Psychiaters. Aus den langen Rückblenden, die auch in die Zeit vor dem Verschwinden reichen, kehrt die Erzählung immer wieder in dieses Zimmer zurück. Das sieht nur auf den ersten Blick übersichtlicher und weniger vertrackt aus als in den bisherigen Romanen Carrisis. Die Perspektiven wechseln häufiger, weil der Roman sich in verschiedene Figuren hineinversetzt und uns an ihren Gedanken teilhaben lässt. Wir lernen nicht nur Vogels Blick kennen, dessen Reputation bei seinem letzten Fall gelitten hat. Wir schauen kurz dem Vater der verschwundenen Anna Lou über die Schulter, der Staatsanwältin, die Vogel für einen gefährlichen Blender hält, dem Lehrer an der örtlichen Schule, der im Literaturunterricht sagt: "Es sind die Bösen, die eine Geschichte ausmachen." Oder der leicht überbelichteten Sensationsreporterin Stella, der Vogel im Tausch gegen Ruhm und Fernsehpräsenz privilegierte Informationen zukommen lässt.
So leuchtet das Buch in verschiedene Lebenswelten hinein, und jeder Blick erzeugt zugleich neue Verdachtsmomente. Man sieht die soziale Spaltung, die durch den Verkauf von Grundstücken nach Entdeckung des Minerals Fluorit im Dorf entstanden ist, das sektenhafte Verhalten der christlichen Bruderschaft, der auch die Familie der Vermissten angehört. Es entstehen Vermutungen, ein Verdacht wächst, bis er erdrückend zu werden scheint - und dann lässt ein Detail die schönen Hypothesen wieder einstürzen. Vogel weiß, "dass es Geheimnisse gab, die Geheimnisse bleiben mussten", und er ahnt auch, dass die Aufdeckung eines Verbrechens dazu führen kann, dass ein anderes Verbrechen verdeckt wird.
Carrisi ist ein Meister solcher Volten und Twists, und manchmal manövriert er sich bei diesem riskanten Spiel auch derart in die Enge, dass eine schlüssige Lösung immer schwieriger wird. Der Nebel als Leitmotiv ist dafür gut gewählt und nie zu aufdringlich eingesetzt. Wenn es anfangs heißt, er "war so dicht, dass er die gesamte Schöpfung ausgelöscht zu haben schien", ist das ein starkes Bild, weil es die Atmosphäre des Buches in einem Satz kondensiert. Das Schleierhafte, das Undurchsichtige und Ungreifbare bleiben, das meteorologische Phänomen entfaltet seine metaphorische Qualität.
Wenn man genauer hinsieht, wird allerdings auch spürbar, dass Carrisi den Zynismus Vogels und die Sensationsgier der Medien oft ein bisschen zu deutlich akzentuiert. Das ändert nichts daran, dass dieser "Nebelmann" ein smarter und kompakter Thriller ist, in dem der Spannungsbogen nie erschlafft und dessen Schlusspointe einen noch mal überrascht, nachdem so viele Fährten sich als falsch und so viele taktische Winkelzüge sich als zu kompliziert erwiesen haben.
Carrisi agiert da wie ein geübter Pokerspieler, den man irgendwann durchschaut zu haben glaubt, der jedoch bereit ist, scheinbar alles zu verlieren, um dann doch den großen Gewinn zu machen. Er hat am Ende einfach das bessere Blatt.
PETER KÖRTE
Donato Carrisi:
"Der Nebelmann". Thriller.
Aus dem Italienischen von Karin Diemerling.
Atrium Verlag, Zürich 2017. 336 S., geb., 20,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Es sind die Bösen, die eine gute Geschichte ausmachen: Donato Carrisi schickt einen Sonderermittler in den undurchdringlichen Nebel eines Alpendorfs.
Eitelkeit sei die "dümmste Sünde des Teufels", sagt eine verdächtige Person, und es gehört zum raffinierten Spiel, das Donato Carrisi in seinem Roman in Bewegung setzt, dass man nicht das Geschlecht dieser Person verraten sollte und schon gar nicht ihren Namen, um nicht die Spannung zu verderben. Es lässt sich lediglich sagen, dass sich auch in diesem Satz nicht die ganze Wahrheit des Buches findet.
"Der Nebelmann" hat sich in Italien weit mehr als hunderttausend Mal verkauft und ist in viele Sprachen übersetzt worden. Der Mittvierziger Carrisi hat ihn auch schon selbst verfilmt, als Drehbuchautor und Regisseur, mit Stars wie Jean Reno und Toni Servillo, bekannt aus "La grande bellezza". Wie gut diese Selbstadaption gelungen ist, wird man im nächsten Jahr sehen. "Der Nebelmann" ist nicht Carrisis erstes Buch auf Deutsch, er hat eine Gemeinde von Lesern, die seine verschlungenen Konstruktionen und überraschenden Volten aus Thrillern wie "Der Todesflüsterer" oder "Der Seelensammler" schätzen.
"Der Nebelmann", der im italienischen Originaltitel ein Mädchen, "La ragazza nella nebbia", ist, spielt in einem öden Dorf in den Alpen. Und es gibt, nach den drei Büchern mit der Ermittlerin Mila Vazquez, eine neue Hauptfigur: den vornamenlosen Sonderermittler Vogel, einen Zyniker mit ausgewählter und geschmackvoller Garderobe, einen Profi, der mitunter etwas zu stromlinienförmig gezeichnet ist mit seinem unverhohlenen Interesse an Show und Medienpräsenz. Seine Fälle sucht er sich aus wie ein Schauspieler eine neue Rolle, die ihn möglichst gut zur Geltung kommen lässt, und die öffentliche Inszenierung ist Teil seiner Ermittlungstechnik. Ein "Zusammenspiel von Taktik und Opportunismus" heißt das im Buch.
Die Erzählung bewegt sich in moderaten Sprüngen. Es beginnt "in der Nacht, die alles veränderte" - ein Satz, der wie ein Refrain mehrfach auftaucht -, zweiundsechzig Tage nach dem spurlosen Verschwinden eines sechzehnjährigen Mädchens. Der verwirrte Sonderermittler mit Blutflecken an der Kleidung sitzt da im Zimmer des örtlichen Psychiaters. Aus den langen Rückblenden, die auch in die Zeit vor dem Verschwinden reichen, kehrt die Erzählung immer wieder in dieses Zimmer zurück. Das sieht nur auf den ersten Blick übersichtlicher und weniger vertrackt aus als in den bisherigen Romanen Carrisis. Die Perspektiven wechseln häufiger, weil der Roman sich in verschiedene Figuren hineinversetzt und uns an ihren Gedanken teilhaben lässt. Wir lernen nicht nur Vogels Blick kennen, dessen Reputation bei seinem letzten Fall gelitten hat. Wir schauen kurz dem Vater der verschwundenen Anna Lou über die Schulter, der Staatsanwältin, die Vogel für einen gefährlichen Blender hält, dem Lehrer an der örtlichen Schule, der im Literaturunterricht sagt: "Es sind die Bösen, die eine Geschichte ausmachen." Oder der leicht überbelichteten Sensationsreporterin Stella, der Vogel im Tausch gegen Ruhm und Fernsehpräsenz privilegierte Informationen zukommen lässt.
So leuchtet das Buch in verschiedene Lebenswelten hinein, und jeder Blick erzeugt zugleich neue Verdachtsmomente. Man sieht die soziale Spaltung, die durch den Verkauf von Grundstücken nach Entdeckung des Minerals Fluorit im Dorf entstanden ist, das sektenhafte Verhalten der christlichen Bruderschaft, der auch die Familie der Vermissten angehört. Es entstehen Vermutungen, ein Verdacht wächst, bis er erdrückend zu werden scheint - und dann lässt ein Detail die schönen Hypothesen wieder einstürzen. Vogel weiß, "dass es Geheimnisse gab, die Geheimnisse bleiben mussten", und er ahnt auch, dass die Aufdeckung eines Verbrechens dazu führen kann, dass ein anderes Verbrechen verdeckt wird.
Carrisi ist ein Meister solcher Volten und Twists, und manchmal manövriert er sich bei diesem riskanten Spiel auch derart in die Enge, dass eine schlüssige Lösung immer schwieriger wird. Der Nebel als Leitmotiv ist dafür gut gewählt und nie zu aufdringlich eingesetzt. Wenn es anfangs heißt, er "war so dicht, dass er die gesamte Schöpfung ausgelöscht zu haben schien", ist das ein starkes Bild, weil es die Atmosphäre des Buches in einem Satz kondensiert. Das Schleierhafte, das Undurchsichtige und Ungreifbare bleiben, das meteorologische Phänomen entfaltet seine metaphorische Qualität.
Wenn man genauer hinsieht, wird allerdings auch spürbar, dass Carrisi den Zynismus Vogels und die Sensationsgier der Medien oft ein bisschen zu deutlich akzentuiert. Das ändert nichts daran, dass dieser "Nebelmann" ein smarter und kompakter Thriller ist, in dem der Spannungsbogen nie erschlafft und dessen Schlusspointe einen noch mal überrascht, nachdem so viele Fährten sich als falsch und so viele taktische Winkelzüge sich als zu kompliziert erwiesen haben.
Carrisi agiert da wie ein geübter Pokerspieler, den man irgendwann durchschaut zu haben glaubt, der jedoch bereit ist, scheinbar alles zu verlieren, um dann doch den großen Gewinn zu machen. Er hat am Ende einfach das bessere Blatt.
PETER KÖRTE
Donato Carrisi:
"Der Nebelmann". Thriller.
Aus dem Italienischen von Karin Diemerling.
Atrium Verlag, Zürich 2017. 336 S., geb., 20,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Carrisi ist der Meister der Spannung." La Repubblica "Ein perfekter Thriller mit einem Ende, das sprachlos macht." La Lettura "Atemberaubend!" Corriere della Sera "So gut wie Stieg Larsson und Jo Nesbø." The Guardian "In einem Wort: grandios." La Stampa "Einer der besten Krimis des Sommers!" DER STANDARD "Carrisi agiert wie ein geübter Pokerspieler. Am Ende hat er einfach das bessere Blatt." FAZ "Ein Sonderermittler, dem man alles zutraut... ein beklemmender, mystischer Thriller!" 3SAT "Großartig!" WDR