Studienarbeit aus dem Jahr 2006 im Fachbereich Romanistik - Italianistik, Note: keine, Eberhard-Karls-Universität Tübingen (Romanisches Seminar), Veranstaltung: Antike Mythen in der Literatur der Moderne, Sprache: Deutsch, Abstract: [...] Die These, daß ein Text der Hochrenaissance, im Umkreis des Florentiner Neuplatonismus entstanden, seine eigene Poetizität thematisiert, diese geradezu in den Vordergrund seiner eigenen Gestaltung rückt, verschiebt den Kontext der Fragestellung. Denn bei aller Plausibilität können pragmatische Erklärungen rhetorisch-strategischer Funktionen diesen Umstand nicht zureichend, ja überhaupt nicht erklären. Angesichts der vorausgegangenen Epoche des Mittelalters geht es hier um einen grundsätzlichen Wandel im Selbstverständnis des Künstlers und nicht zuletzt des Kunstwerkes selbst. Diese These, deren Nachweis es hier zu führen gilt, wirft, und das ist nicht zu weit gegriffen, einen epochalen Fragehorizont auf. Wie ist es möglich, daß ein solcher Text im Kontext der Frühen Neuzeit, genauer im Kontext des rinascimentalen Neuplatonismus verfaßt werden konnte? Es stellt sich hierbei nicht nur die Frage nach der Diskontinuität (und Kontinuität) von Mittelalter und Neuzeit, sondern auch nach der Kontinuität und Diskontinuität innerhalb der Renaissance selbst. Denn Poliziano selbst sah sich genötigt, ein epochales Kunstund Textverständnis gegenüber der Philosophie eines Marsilio Ficino durchzusetzen, einen Bruch innerhalb der Ästhetik der Renaissance zu forcieren, ein Bruch, der offenbar sowohl auf theoretischer wie praktisch-ästhetischer Ebene eine gewisse polemische Haltung erforderte. Damit allein wäre aber die Komplexität des Sachverhaltes nicht erfaßt. Das im Grunde vom Mittelalter tradierte Textverständnis, das auch für Ficino noch grundlegend ist, wird erst durch Poliziano problematisiert. Und doch, auch dies soll gezeigt werden, hat die Möglichkeit der Fabula di Orpheo die neuplatonische Dichtungstheorie, die Konzeption des furor poeticus zur Voraussetzung. Wenn der Aufbau dieser Arbeit den literaturwissenschaftlichen Teil um eine theoretische Darstellung ergänzt, ist dies keine unnötige Abschweifung. Vielmehr soll die kontinuierlichdiskontinuierliche Bewegung, die die Fabula ermöglicht, auf zwei Diskursebenen veranschaulicht werden, derer sich Poliziano zu gleicher Zeit bedient hat. Und erst diese doppelte Analyse wird es leisten können, diesen Einschnitt in der Ästhetik der Renaissance zu konturieren.