Dieser Download kann aus rechtlichen Gründen nur mit Rechnungsadresse in A, B, BG, CY, CZ, D, EW, E, FIN, F, GR, H, IRL, I, LT, L, LR, M, NL, PL, P, R, SLO, SK ausgeliefert werden.
Die Schriftstellerin Yvonne Adhiambo Owuor in Frankfurt
Sie träumt auf Englisch. Denn sie liebt die Sprache der einstigen Kolonialherren. Das gestand Yvonne Adhiambo Owuor ihrem Publikum im Haus des Buches in Frankfurt. Und sie schreibt auch auf Englisch. Gleich für ihre erste Kurzgeschichte wurde die 49 Jahre alte kenianische Schriftstellerin zu Beginn des Jahrtausends mit dem britischen Caine Prize for African Writing ausgezeichnet. Ihr erster Roman, eine historische Familiensaga, ist 2013 unter dem Titel "Dust" in Nairobi erschienen und mit dem Jomo Kenyatta Prize gewürdigt worden. In Simone Jakobs deutscher Übersetzung war das Buch dieses Jahr für den Liberaturpreis nominiert, der von Litprom, der in Frankfurt ansässigen Gesellschaft zur Förderung der Literatur aus Afrika, Asien und Lateinamerika, und der Frankfurter Buchmesse vergeben wird.
"Odidi rennt." Aber er kann seinen Feinden nicht entkommen. Im Staub der Straßen von Nairobi endet das Leben des jungen Ingenieurs. Mit dieser grausamen Szene beginnt der Roman, und dem Schauspieler Jochen Nix gelang es wieder einmal, seine Zuhörer zu bannen. Vorher hatte die Verfasserin die Eingangspassage im Original vorgetragen. Dabei blieb es, denn die Literaturkritikerin und Moderatorin Claudia Kramatschek und das Publikum wollten so viel wie nur irgend möglich von Owuor wissen. Eine gute Entscheidung, denn die traumatische Geschichte der Familie Oganda kann man schließlich selbst lesen. Auf der Farm der Eltern in Nordkenia wird Odidi begraben. Das ist "Der Ort, an dem die Reise endet", wie der deutsche Titel des Romans lautet - eine Reise durch die Geschichte des Landes seit der Unabhängigkeit 1963.
Odidi stirbt während der blutigen Unruhen nach der Wahl von 2007. Owuor hatte ihren Roman aber schon zuvor im Kopf, als Kenia ein Referendum über seine Verfassung abhielt und das Volk sich spaltete. Die Gesellschaft leide an kollektiver Amnesie, sagt sie: "Man muss sich den Geistern der Geschichte stellen, in den Abgrund der politischen Vergangenheit hineinblicken." Dafür hat sie ihren Roman geschrieben. Viel Vorarbeit war nötig, in zahlreichen Archiven und im Gespräch mit Menschen. Die Versprechen des Unabhängigkeitsjahres seien nie eingelöst worden, sagt die Autorin, selbst ein behütetes Kind der Mittelschicht. Die Visionäre von damals seien ermordet worden: "Alle wissen, was geschehen ist, aber sie schweigen." Ihr Roman ist in Kenia inzwischen ein Bestseller geworden, der vor allem von der jungen Generation gelesen wird. Und in Kapstadt regt er die Leser dazu an, sich mit der südafrikanischen Geschichte auseinanderzusetzen. Owuor spricht übrigens nicht nur Englisch, sondern wie die meisten ihrer Landsleute auch die zweite Amtssprache Swahili und eine weitere der vielen Volkssprachen. Aber: "Wir haben das Englische zu unserer Sprache gemacht, zum Tor der Welt und der Imagination", sagt sie. Ende des Jahres erscheint ein neuer Roman, an einem dritten arbeitet sie.
CLAUDIA SCHÜLKE
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main