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>Der Palast der Träume entlegene Provinz. Sie dann an einem Ort zentral zu hinterlegen, zu analysieren, zu interpretieren, um endlich jenen Traum auszumachen, in dem das Schicksal des Staates und seines Herrschers verschlüsselt sein könnte. Kreis um Kreis ist es Mark Alem bestimmt, im konzentrischen >Palast der Träume …mehr

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Produktbeschreibung
>Der Palast der Träume< steht im Zentrum eines Reiches der Finsternis, in dem nicht einmal mehr die Träume vor staatlicher Sammelwut sicher sind. Mark Alem wird von einer mächtigen und geheimnisvollen Einrichtung angeworben. Ihr Auftrag: Die Träume eines jeden einzelnen zu sammeln, bis in die entlegene Provinz. Sie dann an einem Ort zentral zu hinterlegen, zu analysieren, zu interpretieren, um endlich jenen Traum auszumachen, in dem das Schicksal des Staates und seines Herrschers verschlüsselt sein könnte. Kreis um Kreis ist es Mark Alem bestimmt, im konzentrischen >Palast der Träume< den höchsten Punkt zu erreichen. Selbst ein Mächtiger, wird er verfolgt von der Furcht, in der höllischen Bürokratie zermalmt zu werden, die ihm untersteht. Ismail Kadares Roman ist eine Parabel über staatliche Willkür und Machtmissbrauch, in dessen Zentrum der Archetyp jener Bewusstseinspolizei steht, die ein tyrannisches System am Leben hält.

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Autorenporträt
Ismail Kadare, Albaniens berühmtester Autor, wurde 1936 im südalbanischen Gjirokastra geboren. Er studierte Literaturwissenschaften in Tirana und Moskau. Seine Werke wurden in vierzig Sprachen übersetzt, er galt jahrelang als Anwärter auf den Literaturnobelpreis. 2005 erhielt Kadare den Man Booker International Prize. 2015 wurde er mit dem Jerusalem Prize ausgezeichnet. Er war Mitglied der französischen Ehrenlegion und lebte zuletzt in Tirana und Paris. Er starb 2024 in Tirana. Joachim Röhm lebt als freier Übersetzer in Stuttgart, München und Tirana. Nach einem mehrjährigen Aufenthalt in Albanien Ende der 70er Jahre, kehrte er 1980 nach Deutschland zurück. 2010 wurde er mit dem Jusuf Vrioni Übersetzerpreis der Republik Albanien ausgezeichnet.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.10.2003

Die Welt in ihrer Tiefschlafphase
Kafkas Schloß stand in Tirana: Ismail Kadares effiziente Albtraumbehörde / Von Dirk Schümer

Der Traum als Schlüssel zur menschlichen Seele - diese Vorstellung hat Freud zur Erforschung des Individuums vielleicht fruchtbarer gemacht, als ihm selber dämmern konnte. Doch so weit zu gehen, sich die millionenfachen Träume eines Volkes, eines ganzen Reiches als politisches Machtmittel auszudenken, dafür bedurfte es der Literatur. Der albanische Romancier Ismail Kadare hatte diesen genialen Einfall gegen Mitte der siebziger Jahre. "Der Palast der Träume" handelt von einer imaginären Großbehörde des Osmanischen Reiches, das mit gewaltiger Bürokratie das Unbewußte seiner Untertanen sichtet, auswertet, deutet und schließlich archiviert. Dem Herrscher werden "Erzträume" als Anleitung zum Regieren vorgelegt, Würdenträger versuchen, Macht über diese Träume zu bekommen. Und letztlich wirkt die Behörde schon allein durch ihre Absurdität und Undurchschaubarkeit einschüchternd - ein treffendes Bild, das zumindest für Albanien einmal als gültige Beschreibung jener unseligen Epoche unter Enver Hodscha dienen wird.

Wie andere Bücher Kadares wird auch dieses zu einer verkappten, vielleicht gar unfreiwilligen Selbstbetrachtung. Denn das Buch handelt von einem Karrieristen des Regimes, dem Elite-Albaner Mark-Alem, der die Unterdrückungen beweint, gleichzeitig aber auch an die Spitze des Systems gerät. Man darf sich erlauben, hier Erzählten und Erzähler gleichzusetzen. Denn Kadare erging es nicht viel anders; der Protegé des brutalen Diktators konnte sich mehr erlauben als andere, die getötet und gefoltert wurden. Doch mit dem "Palast der Träume", der als eisige Parabel des totalitären Regimes angelegt ist, überspannte auch er den Bogen, mußte Selbstkritik üben. Das Buch wurde kaum verbreitet und nun von Joachim Röhm neu und angemessen kühl ins Deutsche übersetzt.

Der literarische Kosmos Kadares nährt sich von den Sagen und Epen des Balkans, in diesem Fall der slawisch gesungenen Familiensaga einer osmanisch-albanischen Karrieresippe, der Köprülü, die das Riesenreich recht eigentlich für den Sultan regiert. Das ist nicht ausgedacht, denn der zum Islam konvertierte Köprülü-Clan hatte tatsächlich im siebzehnten Jahrhundert mehrmals das Amt des Großwesirs inne. Daß solche Machtversessenen, an die Macht Veräußerten die alten Lieder immer wieder vom Blutzoll singen, daß auch hier die Barden und einige Würdenträger unters Schwert kommen, stellt Kadare als fast selbstverständliches Verhängnis vor. Mark-Alem, dessen finster-öden Alltag in den Aktensälen der Traumbehörde wir ausgiebig miterleben, wird am Ende ohne großes Zutun zum Chef des Ganzen. Seine Sippe hat ihn dorthin gehievt, sein sinnliches Leben ist zu Ende, weil er - wie es heißt - zum Funktionär mutierte. Das ist unerbittlich, das ist eindeutig. Solche harten Urteile finden sich überraschend oft; Kadare hatte Mut. Sein für alle Leser leicht als das gegenwärtige erkennbare Albanien wird von kaputten, ausgemergelten Menschen bevölkert, "deren Gebärden steif wirkten, unangenehm akkurat". Alles ist ärmlich, elend, angsterfüllt, Folter und Säuberungen sind an der Tagesordnung. "Über allem", konstatiert der Autor, "hängt eine kalte Sonne, die Licht gibt, aber kaum wärmt." Dann geht er wieder in eine geradezu zynische Analyse eines perfekten Terrorstaates über, in dem die Obrigkeit vor lauter Machtgier und Furcht bis in die fernsten Winkel des Reiches die Seelen der Untertanen auswringt.

Die Bildsprache solcher Visionen leitet sich, kaum verwunderlich, bei den beiden Erzpaten des Bürokratismus und Stalinismus ab: Kafka und Orwell. Schon der Eintritt des wehrlos-depressiven Helden Mark-Alem in sein Amt, die endlosen Korridore, die kaum beheizten Riesensäle, das undurchschaubare Karussell der Vorgesetzten und Verordnungen evozieren Kafkas "Schloß". Und der angsterfüllte Alltag der Untertanen, die allgegenwärtigen Säuberungen, das Flüstern hinter vorgehaltener Hand verlängern - historisch vollkommen korrekt - Orwells 1984 von 1948 bis ins Albanien der späten Hodscha-Zeit, als der Diktator nach einem Liederfestival 1972 plötzlich die Gefängnisse und Friedhöfe mit Kulturschaffenden füllte. Im Roman sind es die Verfechter einer Öffnung nach Westen, die unters Schwert kommen.

Es ist diese Mischung aus mythischem Erzählen, Tagesaktualität und literarischer Moderne, die der finsteren Parabel ihre Kraft verleiht. Dazu kommt aber - etwa bei der Schilderung der abgedrehtesten Träume, die korrekt erfaßt und ausgedeutet werden müssen - ein Zug ins verzweifelt Humoristische, ins Surreale, in eine durchgeknallte Piranesi-Welt des Wahnsinns. Wenn Kadare die eigenen Erfahrungen im sagenumwobenen Archivkeller des Zentralkomitees zu Tirana in einem beklemmenden Kapitel über den "Tiefschlaf der Welt" auswertet, dann hat das die Kraft einer Bibliotheksvision von Borges - freilich ganz empirisch am eigenen Leibe empfunden.

Die andere Ebene des Buches, die der stets präsenten blutigen Balkan-Epen kann man nicht anders denn als prophetisch bezeichnen. Für Kadare sind diese oft nur mündlich überlieferten Werke einer rauhen Welt die wirklichen Träume des Kollektivs. Indem die albanischen, aber auch die serbischen Sagas von Zweikämpfen mit Toten, von ermordeter Brut und Menschenopfern handeln, zeugen sie von der archaischen Welt der Blutrache und der Sippengesetze. Doch Kadare zieht explizit auch die Träume vom Amselfeld, von der unseligen Völkerschlacht von 1389, aus seinem Archiv des Unbewußten. Es waren gerade einmal fünfzehn Jahre später diese Mythen, die zu neuen Balkan-Kriegen mit Hunderttausenden von Toten führen sollten.

Kadare, dieser große europäische Erzähler, wird immer eine zwiespältige Figur bleiben, weil er - wie etwa Gorki oder Brecht, wie Riefenstahl oder Heidegger - als Funktionär und Lobredner im Dunstkreis des Bösen gewirkt hat. Er war Funktionär, Günstling und internationale Aushängefigur Hodschas. Wer darüber die Nase rümpft, sollte sich prüfen, ob er damals den Mut aufgebracht hätte, ein solch gnadenloses Buch zu veröffentlichen. Anstatt also mit wohlfeiler Moral über dieses immer auch lebensgefährliche Wirken zu urteilen, sollte man die einzigartige Gelegenheit ergreifen, das Funktionieren des Bösen, die Verwandlung eines eher widerwilligen Charakters durch die Macht hier quasi von innen zu studieren.

Der Traumpalast, diese obszöne Behörde, dient dazu, "die dunkle Seite des Bewußtseins im Staat zu verankern". Das ist eine grandiose Traumdeutung des Stalinismus, der eben keineswegs nur ein kaltes Regime, sondern - man lese dazu Anne Applebaums neue Studie - stets auch ein barbarisch-blutiges Opferritual gewesen ist. Ein Roman, der diese dunkle Seite ausschöpfen will, kann keine andere Gestalt bekommen als die eines Albtraums.

Ismail Kadare: "Der Palast der Träume". Roman. Aus dem Albanischen übersetzt von Joachim Röhm. Ammann Verlag, Zürich 2003. 223 S., geb., 19,90 [Euro].

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