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Kaum ein Vorwurf kann schwerwiegender sein: Papst Pius XII. habe geschwiegen, als er von Hitlers Plan erfuhr, die Juden Europas zu vernichten. Er habe sogar tatenlos zugeschaut, als praktisch unter seinem Fenster die römischen Juden in die Todeslager deportiert wurden. Doch diese Version, auch bekannt als "schwarze Legende", ist falsch. Die Beweise, dass es ganz anders war, lagen ein halbes Jahrhundert im Geheimarchiv des Vatikans unter Verschluss. 2018 endlich werden die vielen 100.000 Akten der Forschung zur Verfügung stehen. Dr. h. c. Michael Hesemann hat als einer der ersten Historiker…mehr

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Produktbeschreibung
Kaum ein Vorwurf kann schwerwiegender sein: Papst Pius XII. habe geschwiegen, als er von Hitlers Plan erfuhr, die Juden Europas zu vernichten. Er habe sogar tatenlos zugeschaut, als praktisch unter seinem Fenster die römischen Juden in die Todeslager deportiert wurden. Doch diese Version, auch bekannt als "schwarze Legende", ist falsch. Die Beweise, dass es ganz anders war, lagen ein halbes Jahrhundert im Geheimarchiv des Vatikans unter Verschluss. 2018 endlich werden die vielen 100.000 Akten der Forschung zur Verfügung stehen. Dr. h. c. Michael Hesemann hat als einer der ersten Historiker überhaupt Zugang zu den brisantesten Dokumenten des 20. Jahrhunderts erhalten. Im Rahmen seiner umfassenden Aufarbeitung dieses dramatischsten Kapitels der jüngeren Kirchengeschichte werden sie in diesem Band weltexklusiv veröffentlicht.

Dieser Download kann aus rechtlichen Gründen nur mit Rechnungsadresse in A, B, BG, CY, CZ, D, DK, EW, E, FIN, F, GR, HR, H, IRL, I, LT, L, LR, M, NL, PL, P, R, S, SLO, SK ausgeliefert werden.

Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.12.2018

Das eine Wort kam ihm nicht über die Lippen

Noch ist das Archiv von Pius XII. verschlossen: Michael Hesemann zeichnet ein einseitiges Bild des Pacelli-Papstes.

Seit der Veröffentlichung von Rolf Hochhuths Schauspiel "Der Stellvertreter" (1963) steht die These im Raum, Papst Pius XII. habe zum Holocaust "geschwiegen". Unzählige Publikationen haben sich seitdem an dieser These abgearbeitet, sei es ablehnend oder zustimmend. Ein engagiertes Plädoyer für den Pacelli-Papst liefert Michael Hesemann in seinem für ein breiteres Publikum geschriebenen Buch.

Nach seiner Deutung war der spätere Pontifex bereits als Nuntius in Deutschland und als Kardinalstaatssekretär ein entschiedener Gegner der Nationalsozialisten: "Tatsächlich gab es keinen einzigen hochrangigen Kirchenmann, der sich so früh und kompromisslos gegen Hitler und den Nationalsozialismus gestellt hat wie Eugenio Pacelli." Im Auftrag Pius XI. nahm er Kontakt zu jüdischen Organisationen auf. Vor allem jüdischstämmige Katholiken erhielten so Ausreisegenehmigungen und Visa.

Als Hintergrundfolie, um die Haltung des im März 1939 zum Papst gewählten Kirchendiplomaten zu erklären, dienen Hesemann die Thesen von Mark Riebling (F.A.Z. vom 21. Juli 2017). Demnach bestanden geheime Beziehungen zwischen dem militärischen Widerstand um General Canaris und Pius XII. Dieser habe sich damit an der "Verschwörung zur Absetzung und zur möglichen Ermordung eines Staatsoberhauptes" beteiligt. Das beweise, "wie abgrundtief er Hitler verabscheute und für wie brandgefährlich er ihn hielt". Ein offener Protest gegen die antisemitischen Maßnahmen sei den Verschwörern nicht recht gewesen, da man die Nationalsozialisten nicht unnötig provozieren wollte. Daher habe sich der Papst, "der nach außen schwieg und nach innen half", auf konkrete Hilfsmaßnahmen verlegt, um diskret möglichst vielen Bedrängten beizustehen.

Hesemann dokumentiert, dass der Vatikan und mehr als zweihundert kirchliche Häuser während der deutschen Besatzung Roms ihre Tore für Schutzsuchende öffneten. Nicht selten intervenierte der Papst persönlich, der sich dabei der Hilfe des Paters Pankratius Pfeiffer bediente, so dass dieser als sein "verlängerter Arm" galt. Pius bemühte sich auch, die Deportation der römischen Juden zu verhindern. Richtig ist der Hinweis auf die Presse in den freien Ländern, die den Papst wegen dieser Hilfsmaßnahmen als Gegner der Nationalsozialisten einstufte. Übrigens nahm man den Pontifex auch in anderen Konfessionen als Verbündeten auf humanitärer Ebene wahr.

All das war im Wesentlichen schon bekannt und wird mit bemerkenswerter Einseitigkeit dargestellt. Der Autor erinnert an die Solidarität, die Kirchenvertreter gegenüber den Juden zeigten, etwa nach der Reichspogromnacht. Doch offenbaren gerade diese einzelnen Solidaritätsbekundungen das Ausmaß des allgemeinen Wegschauens. Selbst die Hilfe für getaufte Juden stieß während des Krieges zunehmend auf eine "Mauer bischöflichen Schweigens" (A. Leugers). Ein großes Fragezeichen möchte man hinter die angeblich so positive Einstellung der Pius-Päpste zu den Juden machen - eine Einschätzung, zu der man nur gelangen kann, wenn man kritische Literatur etwa zur Geschichte des christlichen Antisemitismus weitgehend ausblendet.

Hesemann kann das Skandalon nicht aus der Welt schaffen, dass dem Papst während des gesamten Weltkriegs das Wort Juden nicht über die Lippen kam (sieht man von einem belanglosen Pauluszitat ab). Pius XII. fügte später die Gebetseinladung "für die Bekehrung der Juden" in das Messbuch ein und überließ es seinen Nachfolgern, die Karfreitagsfürbitte für die "treulosen Juden" zu entschärfen. Überdies bleibt die entscheidende Frage unbeantwortet: Wie konnte es trotz der in diesem Band breit dokumentierten Hilfsmaßnahmen dazu kommen, dass das Urteil über diesen Pontifex postum gekippt ist?

Das Papsttum hatte sich nach dem Verlust des alten Kirchenstaates (1870) zu einer internationalen Schiedsinstanz und zu einer gewichtigen moralischen Stimme im Konzert der Weltpolitik entwickelt. Damit stiegen auch die Erwartungen an den Nachfolger Petri - Erwartungen, denen Pius XII. durch diplomatisch-diskrete Hilfe allein nicht Genüge tun konnte. Angekreidet wird dem Papst bis heute der Verzicht auf einen flammenden, prophetischen Protest gegen den Holocaust, über den er ja schon sehr früh informiert war.

Neben diesen inhaltlichen Anfragen muss man Bedenken methodischer Art anmelden. So ist der mutmaßlich wichtigste Fundus für die Rekonstruktion der Ereignisse, das Archiv Pius XII., immer noch für die Forschung verschlossen. Insofern erscheint das Buch zur Unzeit. Nicht nachprüfbar ist die von Hesemann unter Berufung auf vatikanische Gewährsleute angeführte Rechtfertigung, neunzig Prozent aller relevanten Quellen seien ohnehin schon in den Akten und Dokumenten des Heiligen Stuhls zum Zweiten Weltkrieg veröffentlicht worden, die der Vatikan zur Verteidigung des Papstes hatte zusammenstellen lassen.

Die im Titel angekündigten geheimen Akten im Vatikan bietet Hesemanns Band also allenfalls für die Zeit vor dem März 1939. Für die Zeit des Krieges kann der Autor nur wenige Quellen anführen, die nicht schon andernorts in der Fachliteratur zitiert wurden. Größere Sensationen bleiben aus. Ob Seligsprechungsakten, auf die er sich beruft, eine seriöse Quelle darstellen, sei dahingestellt. Überhaupt ist eine Schlagseite in Richtung kirchlicher Archive festzustellen. Nicht wahrgenommen zu haben scheint der Autor, dass in der in Harvard erschienenen Pacelli-Biographie Robert Ventrescas längst auch die relevanten staatlichen Archive der Alliierten ausgewertet worden sind.

Die hochbrisante Information, der Pontifex habe ein Rücktrittsschreiben vorbereitet, um den Nationalsozialisten im Fall einer Invasion des Vatikans als Kardinal, nicht aber als Papst in die Hände zu fallen, wird übrigens nicht belegt. Joseph Ratzinger hat jüngst in einem an die "Bild"-Zeitung durchgestochenen Briefwechsel darauf hingewiesen, um seinen eigenen Rücktritt vom Papstamt zu rechtfertigen.

Wer also eine ausgewogene und differenzierte Darstellung der schwierigen Problematik erwartet, wird enttäuscht. Es geht einzig darum, "dass diesem großen Papst endlich Gerechtigkeit widerfährt". Durchweg prägt das Buch eine apologetische Tendenz. Überdies gibt es sich offiziös: Gedankt wird gleich zwei Päpsten samt ihren Kardinalstaatssekretären. Benedikt XVI. habe ihn inspiriert und ermutigt, so Hesemann.

Trotz dieses Anspruchs verfestigt sich bei der Lektüre der Eindruck, dass ein einzelner Autor angesichts eines solch schwierigen, facettenreichen Themas überfordert ist. Wenn bald das Archiv Pius' XII. für die Forschung geöffnet wird, dann bedarf es der konzertierten Anstrengungen vieler Forscher, um diese Aufgabe anzugehen.

JÖRG ERNESTI

Michael Hesemann: "Der Papst und der Holocaust". Pius XII. und die geheimen Akten des Vatikan.

Langen Müller Verlag,

Stuttgart 2018.

320 S., geb., 28,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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