Leon Morell lässt den Leser Rom zur Zeit der Renaissance an der Seite Michelangelos erkunden. Die verschiedenen, teilweise völlig gegensätzlichen Stadtteile erwachen durch anschauliche Erklärungen und Beschreibungen zum Leben. Man erlebt einerseits die zermürbenden Streitigkeiten von Michelangelo
mit seinem Widersacher, dem Baumeister Bramante, andererseits die Kämpfe, die der Künstler…mehrLeon Morell lässt den Leser Rom zur Zeit der Renaissance an der Seite Michelangelos erkunden. Die verschiedenen, teilweise völlig gegensätzlichen Stadtteile erwachen durch anschauliche Erklärungen und Beschreibungen zum Leben. Man erlebt einerseits die zermürbenden Streitigkeiten von Michelangelo mit seinem Widersacher, dem Baumeister Bramante, andererseits die Kämpfe, die der Künstler Michelangelo mit sich selber ausficht bis er die optimalen Lösungen für seine Darstellungen findet. Ganz nebenbei erfährt man auch einiges über Kunstgeschichte, über die einzelnen Arbeitsschritte zur Erstellung eines Freskos und die Schwierigkeiten mit denen die Künstler zu kämpfen hatten.
Die Charaktere sind ausgesprochen sorgfältig ausgearbeitet und in meinen Augen sehr gelungen. Papst Julius erscheint als sehr starker und kämpferischer Papst, der aber durchaus sehr menschliche Schwächen hat und auch echte Bewegtheit und Gefühle zeigen kann. Michelangelo ist einerseits der Künstler, der ganz in seinen künstlerischen Figuren aufgeht, noch bevor sie geschaffen sind. Er steht aber doch mit beiden Beinen im Leben und muss sehr viele praktische, auch bauliche Entscheidungen treffen, die vorerst mit Kunst wenig zu tun haben. Das überaus arbeitsintensive und anspruchsvolle Werk erfordert neben handwerklichem Geschick auch unternehmerische Fähigkeiten. Oft kämpft er gegen wirtschaftliche Probleme an, sei es, weil der Papst mehr bestellt, als er bezahlt oder sei es, weil ihn seine Familie durch riskante Spekulationsgeschäfte fast in den Ruin treibt.
Aurelio macht eine große Reifeentwicklung durch. Er reist als noch sehr kindlicher junger Mann nach Rom und wird dort mit sehr vielen Aspekten des Lebens konfrontiert, auf die er aufgrund seiner bäuerlichen Herkunft überhaupt nicht vorbereitet ist. Im Gegensatz zu den Charakteren von Michelangelo und Papst Julius hätte ich mir bei Aurelio etwas mehr Ecken und Kanten gewünscht. Er wird als rundum gutherziger, neugieriger junger Mensch dargestellt. Erst gegen Ende findet er zu sich selber, trifft eigene, nicht unbedingt weise Entscheidungen und stellt sich auch gegen seinen Lehrmeister.
Meine Lieblingsszene in diesem Buch war die Enthüllung der ersten Hälfte des Freskos. Das war echtes Gänsehautgefühl! Morell hat es wunderbar geschafft die Anspannungsgeladene Stimmung und das darauf folgende erlösende Staunen in Worte einzufangen. Allein dafür, lohnt es sich das Buch zu lesen beziehungsweise dem Hörbuch zu lauschen.
Wolfgang Condrus verleiht mit seiner reiferen Stimme Michelangelo einen sehr würdevollen Auftritt in diesem Hörbuch. Er schafft es auch, die anderen Charaktere lebendig und glaubhaft zu intonieren, ohne bei den weiblichen Figuren ins Lächerliche abzudriften.
Condrus liest sehr ruhig und relativ langsam. Er wird an passenden Stellen auch mal sehr leise bis zu einem Flüstern, was die Stimmung im Buch sehr gut verdeutlicht.
Ein wunderbares Lauscherlebnis.