Es war ein Aufstand aus Verzweiflung. Die Losung „Lieber bairisch sterben als kaiserlich verderben“ auf den Lippen, wagten einfache Bauern mit Mistgabeln und Dreschflegeln gegen gut ausgebildete kaiserliche Truppen den Aufstand. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts leidet Bayern unter den Folgen des
Spanischen Erbfolgekrieges. Als Joseph I. 1705 nach dem Tod des Vaters den Kaiserthron beerbt, lässt…mehrEs war ein Aufstand aus Verzweiflung. Die Losung „Lieber bairisch sterben als kaiserlich verderben“ auf den Lippen, wagten einfache Bauern mit Mistgabeln und Dreschflegeln gegen gut ausgebildete kaiserliche Truppen den Aufstand. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts leidet Bayern unter den Folgen des Spanischen Erbfolgekrieges. Als Joseph I. 1705 nach dem Tod des Vaters den Kaiserthron beerbt, lässt dieser München und das bayerische Oberland besetzen, ordnet drastische Steuererhöhungen an und befiehlt die Einquartierung und Versorgung kaiserlichen Soldaten. Als dann im Herbst Zwangsrekrutierungen einsetzen, ist das Maß voll. Von Jesuiten ausgebildete Studenten wie Georg Sebastian Plinganser aus Pfarrkirchen und Johann Georg Meindl aus Altheim organisierten eine „Kurbairische Landesdefension“, die bald überall Zulauf bekam. In dieser stürmischen Zeit verliebt sich die junge Adelige Charlotte von Weißentingk in den Rebellen.
Andreas Reichelt wählt relativ kurze Erzähleinheiten, deren Abfolge sich mit den sich überschlagenden Ereignissen verdichtet und zu einem spiralartigen Tableau fügt. Der Verlockung, die Fakten rund um die Scharmützel, den Sternmarsch auf München und die Sendlinger Mordweihnacht einer Dramaturgie um des reinen Nervenkitzels in den Dienst zu stellen, widersteht Reichelt allerdings. Man wird explizite Beschreibungen der Gewaltexzesse vergeblich suchen. Sie finden sich angedeutet in einzelnen Kriegsvokabeln oder summarisch zusammengefasst in den hier und da eingestreuten, lexikalischen Berichten. Auch wenn der Autor herkunftsbedingt den Plot aus bayerischer Sicht entwickelt, bleibt dessen neutrale Haltung spürbar. Protagonist Plinganser verändert sich mit seiner neuen Rolle als Leitwolf der Aufständischen. Als Student der Lateinschule noch durch die Schriften Ciceros für die Idee entflammt, das System von innen heraus zu verändern, wird er am Ende dulden müssen, was ihn anfänglich auf die Barrikaden brachte. Macht verdirbt, heißt es und so können letztlich seine Ideale angesichts der rasant sich entfaltenden Eigendynamik aus strategischen Zwickmühlen, waffentechnischer Unterlegenheit und Partikularinteressen innerhalb des eigenen Lagers nicht aufrechterhalten werden. Von den Verhältnissen gezwungen, billigt er schließlich um die Wahrung einer Chance bei der finalen Schlacht nun ebenfalls Zwangsrekrutierungen, beantwortet Gewalt mit Gegengewalt. Und so leuchtet der im Vorwort zu Cicero zitierte Weisheitsspruch der Heiligen Schrift: „Mein Sohn, fürchte Jehova und den König; mit Aufrührern lass dich nicht ein. Denn plötzlich erhebt sich ihr Verderben; und ihrer beider Untergang, wer weiß ihn?“ schon zu Beginn des Romans als Menetekel auf.
„Der Sohn des Hofmarkrichters“ beschreibt im Wesentlichen zwar nur wenige Wochen des bayerischen Bauernaufstands, doch gelingt durch den rhythmischen Wechsel von Szenen und wenigen gerafften Berichten ein spannender Einblick in eine tumultuöse Zeit. Vor allem die innere Zerrissenheit der Hauptperson Plinganser überzeugt. Insgesamt ist dieser Pageturner ein unterhaltsames und lehrreiches Lesevergnügen.