„Die Zukunft streckte einen Moment lang ihren Kopf durch den Vorhang und zog ihn wieder zurück, bevor jemand verstand, was man gesehen hatte.“
Wir schreiben das Jahr 1923, Europa befindet sich an einem Wendepunkt, gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Umwälzungen finden statt. Für
Schweden, insbesondere Göteborg ist es ein Jahr, das ganz besonders in Erinnerung bleibt – es ist das…mehr„Die Zukunft streckte einen Moment lang ihren Kopf durch den Vorhang und zog ihn wieder zurück, bevor jemand verstand, was man gesehen hatte.“
Wir schreiben das Jahr 1923, Europa befindet sich an einem Wendepunkt, gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Umwälzungen finden statt. Für Schweden, insbesondere Göteborg ist es ein Jahr, das ganz besonders in Erinnerung bleibt – es ist das Jahr der großen Weltausstellung zum 300jährigen Bestehen der Stadt, zu der niemand Geringeres als Albert Einstein geladen ist, um anlässlich seiner Nobelpreisverleihung eine Rede zu halten. Unter den Besuchern der Weltausstellung befindet sich auch Paul Weyland, der bekanntermaßen Einsteins größter Widersacher und Feind ist. Dank eines glücklichen Zufalls kommt Ellen, die junge Volontärin bei der Zeitung „Krone und Löwe“, den fragwürdigen Motiven von Weylands Göteborgaufenthalt auf die Spur und kann mithilfe des jungen Kriminalkommissars Nils ein Verbrechen verhindern.
Fiktion, sei es ein Film oder ein Roman, die auf einer wahren Begebenheit beruht, ist beliebter als je zuvor. Auch Marie Hermannsons Roman „Der Sommer, in dem Einstein verschwand“ ist in die Reihe der Geschichten mit wahrem Kern einzugliedern. Ihr gelingt ein interessantes, farbenfrohes und stimmungsvolles Portrait der Zeit, die als Goldene 20er in die Geschichtsschreibung eingegangen ist. Die Autorin setzt sich dabei nicht nur mit den Quellen zu der Weltausstellung auseinander, sondern auch mit der Person Albert Einsteins und dem damaligen Umgang mit seiner Relativitätstheorie. Dies waren auch die für mich interessantesten Stellen in dem Roman. Ich habe mich gerne zusammen mit der Autorin in Einstein eingefühlt und bin mit Interesse seinen Gedankengängen gefolgt. Mein persönliches Highlight war der Besuch bei seinem Forscherkollegen Niels Bohr, der ebenfalls den Nobelpreis für Physik bekommen hat, mit dem er sich derartig in Diskussionen vertieft, dass sie mehrmals die Haltestelle verpassen, an der sie aussteigen müssen, um zu Bohrs Haus zu gelangen. Marie Hermannson verfügt über einen leisen Humor, der hier und dort hervorschimmert. Alles in allem denke ich jedoch, dass sich die Autorin zu viel vorgenommen und nichts ganz zu Ende geführt hat. So ist der Roman eine Gesellschaftsstudie und Momentaufnahme der Zeit, doch das Bild bleibt zu blass und zu vage, um wirklich lebhaft vor dem Auge des Lesers zu entstehen. Er ist eine Kriminalgeschichte, doch ist der Fall um Paul Weyland viel zu vorhersehbar, um wirklich spannend zu sein. Auch ist er der Versuch ein Stück Lebensgeschichte des berühmten Physikers Albert Einstein einzufangen, doch auch hier flüchtet sich die Autorin zuweilen ins Oberflächliche und Nichtssagende. Auch die von der Autorin erfundenen Figuren, die abwechselnd zu Wort kommen, wie die bereits erwähnte Journalistin Ellen und der Kriminalkommissar Nils sowie der 13-jährige Otto, der mit der Eselin Bella eine der vielen Attraktionen der Weltausstellung darstellte, sind in unterschiedlichem Maße ansprechend. So fand ich persönlich die Passagen, die aus Nils Perspektive erzählt wurden, eher etwas fade. Auch einige kleinere Ungereimtheiten innerhalb der Geschichte selbst, auf die ich jetzt nicht im Detail eingehen möchte, haben meinen Lesegenuss insgesamt etwas getrübt.