Oleg Gordijewskis Weg in den sowjetischen Geheimdienst war ihm als Sohn zweier KGB-Agenten in die Wiege gelegt. Da er Deutsch konnte, brachte ihn eine seiner ersten Anstellungen nach Berlin, wo er den Bau der Mauer hautnah mitbekam - es sollte sich als eines von vielen Ereignissen erweisen, die seinen Glauben an den Kommunismus zerrütteten. Ganz brach er mit ihm aber erst 1968, als sowjetische Truppen in Prag einmarschierten, und bot sich dem britischen MI6 als Doppelagent an. Schnell wurde er zur wichtigsten Informationsquelle für den Geheimdienst ihrer Majestät. Seine Identität wurde nicht nur vor den Sowjets geheim gehalten, auch die engsten Verbündeten tappten im Dunkeln. Etwas, was die CIA nicht auf sich sitzen lassen konnte: Sie beauftragte einen ihrer Offiziere mit der Identifizierung des Mannes. Der Offizier hieß Aldrich Ames und sollte noch zu zweifelhaftem Ruhm als sowjetischer Spion gelangen ...
Ben Macintyres Buch entfaltet ein Dreiecksspiel zwischen den Geheimdiensten der USA, Großbritanniens und der Sowjetunion und gipfelt in Oleg Gordijewskis fesselnder und filmreifer Flucht aus Moskau 1985. Wie ein Roman von John le Carré entführt es den Leser in eine Welt des Verrats und der Täuschung.
Ben Macintyres Buch entfaltet ein Dreiecksspiel zwischen den Geheimdiensten der USA, Großbritanniens und der Sowjetunion und gipfelt in Oleg Gordijewskis fesselnder und filmreifer Flucht aus Moskau 1985. Wie ein Roman von John le Carré entführt es den Leser in eine Welt des Verrats und der Täuschung.
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Als Lehrbuch für Doppelagenten-Werber liest Rezensent Helmut Müller-Enbergs das Buch des Times-Journalisten Ben Macintyre über den Spion Oleg Gordijewski. Dass Gordijewski während des Kalten Krieges möglicherweise den Dritten Weltkrieg verhindern konnte, macht seine Geschichte umso spannender, findet der Rezensent. Und Macintyre kann erzählen! Er macht das in einer für den Rezensenten bewundernswerten Mischung aus unabhängigem, faktenbasiertem Journalismus und gelassener Erzählung. Entstanden ist ein Sachbuch über die Nuancen des Spionageberufs, das einem den Atem nimmt, versichert Müller-Enbergs.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.03.2024Londons süße Rache für Kim Philby
Biographie über den KGB-Offizier und Agenten Ihrer Majestät, Oleg A. Gordijewski
Es gibt es ihn doch, den "Kundschafter des Friedens". Die sowjetische Führung vermutete im Jahre 1983 unmittelbar vor dem dritten Weltkrieg zu stehen. Sie ließ deshalb jegliche Information sammeln, die auf entsprechende Vorbereitungen deutete. Die NATO-Übung Able Archer schien diesen Verdacht noch zu erhärten. KGB-Offizier Oleg Gordijewski wusste davon und informierte den britischen Nachrichtendienst MI 6 darüber; bald darauf waren auch die britische Premierministerin Margret Thatcher sowie der amerikanische Präsident Ronald Reagan im Bild. Von diesem Moment an wurde die waffenklirrende Rhetorik im NATO-Raum abgerüstet, und es wurden Friedenssignale ausgesandt. Was bislang stets ideologisches Legitimationsmuster war, findet in Gordijewski tatsächlich einen historischen Beleg: Eine nachrichtendienstliche Information beruhigte die sowjetische Führung, zumal der DDR-Agent Rainer Rupp aus der NATO Ähnliches zu berichten wusste. Nämlich: Dem Westen genügte der Status quo, er wollte nicht angreifen.
Das mit Gordijewski hat eine Vorgeschichte, die nicht erst 1974 begann, als der britische Nachrichtendienst in Kopenhagen im Rahmen einer "Kaltakquise" mit ihm eine ihrer vermutlich wichtigsten Quellen aus dem sowjetischen Imperium rekrutierte, sondern noch etliche Jahre früher. Denn: Rache kann so süß sein, wird sich der britische Auslandsnachrichtendienst MI 6 gedacht haben. Wiederholt gelang es sowjetischen Nachrichtendiensten bei den Diensten Großbritanniens die heute jedermann bekannten Agenten wie Anthony Blunt, John Cairncross, Donald Maclean und Kim Philby zu platzieren.
Der Secret Intelligence Service (SIS) hat nach dieser bitteren Schlappe gründlich seine Hausaufgaben gemacht und es den Sowjets seinerseits heimgezahlt. So beispielsweise durch Oberst Wassili N. Mitrochin, der über drei Jahrzehnte dem sowjetischen Auslandsnachrichtendienst angehört und fleißig Akten abgeschrieben hat. Er wurde am 7. November 1992 vom SIS aus Russland ausgeschleust. Das von ihm mitgebrachte Material enttarnte Hunderte sowjetischer Agenten; gleich in zwei Büchern wurde genüsslich dieses Wissen ausgebreitet. Zweifelsfrei bis heute das Beste, was über die sowjetische Spionage zu erfahren ist. Oder aber auch eben Oberst Oleg A. Gordijewski, der zuletzt in der sowjetischen Botschaft in London wirkte, und von 1974 an bis 1985 auch für den britischen Nachrichtendienst unter dem Decknamen "Nocton" arbeitete und dabei, wie erwähnt, hochwertige Informationen geliefert hatte. Auch er wurde, allerdings aus der Sowjetunion, am 20. Juli 1985 konspirativ ausgeschleust, was für einen observierten Verdachtsfall, der Gordijewski beim KGB geworden war, eine beachtliche Leistung darstellt.
Aber wer war Gordijewski? Dem ist der langjährige Redakteur der Zeitung "The Times", Ben Macintyre, in einer bemerkenswert sachkundigen, prismaartigen und spannenden Erzählung nachgegangen. Macintyre besuchte Gordijewski über zwanzigmal, interviewte ihn binnen dreier Jahre und zeichnete so über einhundert Stunden Material auf. Zugleich sprach er mit den in der Causa eingesetzten operativen Mitarbeitern auf westlicher wie östlicher Seite, ohne vom MI 6 kontrolliert oder dabei unterstützt worden zu sein. So geht unabhängiger Journalismus.
Macintyre nimmt vorwiegend politische Motive für den Seitenwechsel Gordijewskis an, der zuletzt nahezu KGB-Resident in der sowjetischen Botschaft in London war. Nach anfänglicher Zurückhaltung informierte er zeitnah in einer Wohnung des britischen Nachrichtendienstes über Quellen in Großbritannien, KGB-Mitarbeiter, Arbeitsweisen, und was er sonst noch wusste. Er galt als einer der "wertvollsten Spione". Irgendwann geriet er beim KGB in Verdacht; er wurde nach Moskau zurückbeordert - und kaltgestellt. Einem zuvor verabredeten Alarmzeichen folgte seine Ausschleusung. Macintyre nimmt an, der Leiter der Abteilung für Gegenspionage beim CIA, Aldrich Ames, der seinerseits den KGB über Interna und Quellen informierte, und eben auch über Gordijewski, habe auf ihn hingewiesen. Doch ist das noch nicht zwingend schlüssig; denn Gordijewski wurde im Mai 1985 nach Moskau zurückberufen, und einiges spricht dafür, dass Ames seinen Namen erst im Juni 1985 hat fallen lassen. Mit dieser Problematik wird im Buch, das im Titel auch auf diesen "Verräter" hinweist, gelassen umgegangen. Es könnte noch eine andere Quelle gewesen sein (wenig attraktiv für die CIA), oder die analytische Aufarbeitung des KGB-Agenten und norwegischen Diplomaten Arne Treholt, dessen Enttarnung auf Gordijewski zurückgeht.
Der Fall selbst ist hinreichend bekannt. Die Schreibe Macintyres aber hebt sich - wenn von wenigen Stilisierungen abgesehen wird ("brillianter Spion") - deutlich von der sonstigen Spionagehistoriographie ab: Er zeichnet fein, gelassen und souverän die verschiedenen Nuancen dieser Disziplin nach; er bleibt konsequent sachlich und rekonstruiert dennoch in einer konzentrierten und gediegenen Erzählung den Weg einer tatsächlich ungewöhnlichen nachrichtendienstlichen Quelle nach. Das Sachbuch enthält einen empathischen Sound und besitzt zugleich jene Distanz zu dem Helden, die so wünschenswert ist. Er schreibt: "Es fällt manchmal schwer, ihn zu mögen, aber es ist unmöglich, ihn nicht zu bewundern."
Und der Preis für Gordijewski? Er verliert durch sein Doppelleben Frau und Kind, teils den Kontakt zu Familie, Freunden und Weggefährten, und gilt im Osten als "Verräter". Dafür ist er im Westen gut alimentiert, ordentlich mit Auszeichnungen versorgt und als "Spion" bewundert. Allerdings ist er mit Blick auf die nachrichtendienstliche Killermentalität Russlands unter steter Aufsicht und folglich isoliert. Gewonnen hat er dafür politische Freiheit und die Ehre, eine Eskalation des Kalten Krieges mitverhindert zu haben. Im Übrigen unterhält Macintyre mit dieser Geschichte nicht nur ein interessiertes Publikum, sondern hat en passant eine Art Lehrbuch geschaffen für jene, die Doppelagenten werben beziehungsweise finden wollen. HELMUT MÜLLER-ENBERGS
Ben Macintyre: Der Spion und der Verräter. Die spektakulärste Geheimdienstgeschichte des Kalten Krieges.
Insel Verlag, Berlin 2023. 475 S., 28,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Biographie über den KGB-Offizier und Agenten Ihrer Majestät, Oleg A. Gordijewski
Es gibt es ihn doch, den "Kundschafter des Friedens". Die sowjetische Führung vermutete im Jahre 1983 unmittelbar vor dem dritten Weltkrieg zu stehen. Sie ließ deshalb jegliche Information sammeln, die auf entsprechende Vorbereitungen deutete. Die NATO-Übung Able Archer schien diesen Verdacht noch zu erhärten. KGB-Offizier Oleg Gordijewski wusste davon und informierte den britischen Nachrichtendienst MI 6 darüber; bald darauf waren auch die britische Premierministerin Margret Thatcher sowie der amerikanische Präsident Ronald Reagan im Bild. Von diesem Moment an wurde die waffenklirrende Rhetorik im NATO-Raum abgerüstet, und es wurden Friedenssignale ausgesandt. Was bislang stets ideologisches Legitimationsmuster war, findet in Gordijewski tatsächlich einen historischen Beleg: Eine nachrichtendienstliche Information beruhigte die sowjetische Führung, zumal der DDR-Agent Rainer Rupp aus der NATO Ähnliches zu berichten wusste. Nämlich: Dem Westen genügte der Status quo, er wollte nicht angreifen.
Das mit Gordijewski hat eine Vorgeschichte, die nicht erst 1974 begann, als der britische Nachrichtendienst in Kopenhagen im Rahmen einer "Kaltakquise" mit ihm eine ihrer vermutlich wichtigsten Quellen aus dem sowjetischen Imperium rekrutierte, sondern noch etliche Jahre früher. Denn: Rache kann so süß sein, wird sich der britische Auslandsnachrichtendienst MI 6 gedacht haben. Wiederholt gelang es sowjetischen Nachrichtendiensten bei den Diensten Großbritanniens die heute jedermann bekannten Agenten wie Anthony Blunt, John Cairncross, Donald Maclean und Kim Philby zu platzieren.
Der Secret Intelligence Service (SIS) hat nach dieser bitteren Schlappe gründlich seine Hausaufgaben gemacht und es den Sowjets seinerseits heimgezahlt. So beispielsweise durch Oberst Wassili N. Mitrochin, der über drei Jahrzehnte dem sowjetischen Auslandsnachrichtendienst angehört und fleißig Akten abgeschrieben hat. Er wurde am 7. November 1992 vom SIS aus Russland ausgeschleust. Das von ihm mitgebrachte Material enttarnte Hunderte sowjetischer Agenten; gleich in zwei Büchern wurde genüsslich dieses Wissen ausgebreitet. Zweifelsfrei bis heute das Beste, was über die sowjetische Spionage zu erfahren ist. Oder aber auch eben Oberst Oleg A. Gordijewski, der zuletzt in der sowjetischen Botschaft in London wirkte, und von 1974 an bis 1985 auch für den britischen Nachrichtendienst unter dem Decknamen "Nocton" arbeitete und dabei, wie erwähnt, hochwertige Informationen geliefert hatte. Auch er wurde, allerdings aus der Sowjetunion, am 20. Juli 1985 konspirativ ausgeschleust, was für einen observierten Verdachtsfall, der Gordijewski beim KGB geworden war, eine beachtliche Leistung darstellt.
Aber wer war Gordijewski? Dem ist der langjährige Redakteur der Zeitung "The Times", Ben Macintyre, in einer bemerkenswert sachkundigen, prismaartigen und spannenden Erzählung nachgegangen. Macintyre besuchte Gordijewski über zwanzigmal, interviewte ihn binnen dreier Jahre und zeichnete so über einhundert Stunden Material auf. Zugleich sprach er mit den in der Causa eingesetzten operativen Mitarbeitern auf westlicher wie östlicher Seite, ohne vom MI 6 kontrolliert oder dabei unterstützt worden zu sein. So geht unabhängiger Journalismus.
Macintyre nimmt vorwiegend politische Motive für den Seitenwechsel Gordijewskis an, der zuletzt nahezu KGB-Resident in der sowjetischen Botschaft in London war. Nach anfänglicher Zurückhaltung informierte er zeitnah in einer Wohnung des britischen Nachrichtendienstes über Quellen in Großbritannien, KGB-Mitarbeiter, Arbeitsweisen, und was er sonst noch wusste. Er galt als einer der "wertvollsten Spione". Irgendwann geriet er beim KGB in Verdacht; er wurde nach Moskau zurückbeordert - und kaltgestellt. Einem zuvor verabredeten Alarmzeichen folgte seine Ausschleusung. Macintyre nimmt an, der Leiter der Abteilung für Gegenspionage beim CIA, Aldrich Ames, der seinerseits den KGB über Interna und Quellen informierte, und eben auch über Gordijewski, habe auf ihn hingewiesen. Doch ist das noch nicht zwingend schlüssig; denn Gordijewski wurde im Mai 1985 nach Moskau zurückberufen, und einiges spricht dafür, dass Ames seinen Namen erst im Juni 1985 hat fallen lassen. Mit dieser Problematik wird im Buch, das im Titel auch auf diesen "Verräter" hinweist, gelassen umgegangen. Es könnte noch eine andere Quelle gewesen sein (wenig attraktiv für die CIA), oder die analytische Aufarbeitung des KGB-Agenten und norwegischen Diplomaten Arne Treholt, dessen Enttarnung auf Gordijewski zurückgeht.
Der Fall selbst ist hinreichend bekannt. Die Schreibe Macintyres aber hebt sich - wenn von wenigen Stilisierungen abgesehen wird ("brillianter Spion") - deutlich von der sonstigen Spionagehistoriographie ab: Er zeichnet fein, gelassen und souverän die verschiedenen Nuancen dieser Disziplin nach; er bleibt konsequent sachlich und rekonstruiert dennoch in einer konzentrierten und gediegenen Erzählung den Weg einer tatsächlich ungewöhnlichen nachrichtendienstlichen Quelle nach. Das Sachbuch enthält einen empathischen Sound und besitzt zugleich jene Distanz zu dem Helden, die so wünschenswert ist. Er schreibt: "Es fällt manchmal schwer, ihn zu mögen, aber es ist unmöglich, ihn nicht zu bewundern."
Und der Preis für Gordijewski? Er verliert durch sein Doppelleben Frau und Kind, teils den Kontakt zu Familie, Freunden und Weggefährten, und gilt im Osten als "Verräter". Dafür ist er im Westen gut alimentiert, ordentlich mit Auszeichnungen versorgt und als "Spion" bewundert. Allerdings ist er mit Blick auf die nachrichtendienstliche Killermentalität Russlands unter steter Aufsicht und folglich isoliert. Gewonnen hat er dafür politische Freiheit und die Ehre, eine Eskalation des Kalten Krieges mitverhindert zu haben. Im Übrigen unterhält Macintyre mit dieser Geschichte nicht nur ein interessiertes Publikum, sondern hat en passant eine Art Lehrbuch geschaffen für jene, die Doppelagenten werben beziehungsweise finden wollen. HELMUT MÜLLER-ENBERGS
Ben Macintyre: Der Spion und der Verräter. Die spektakulärste Geheimdienstgeschichte des Kalten Krieges.
Insel Verlag, Berlin 2023. 475 S., 28,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
»Die Schreibe Macintyres ... hebt sich deutlich von der sonstigen Spionagehistoriographie ab: Er zeichnet fein, gelassen und souverän die verschiedenen Nuancen dieser Disziplin nach; er bleibt konsequent sachlich und rekonstruiert dennoch in einer konzentrierten und gediegenen Erzählung den Weg einer tatsächlich ungewöhnlichen nachrichtendienstlichen Quelle nach.« Helmut Müller-Enbergs Frankfurter Allgemeine Zeitung 20240326