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LSD: Wie alles begann und was in der Gegenwart daraus wurde Wie Norman Ohler in seinem internationalen Bestseller »Der totale Rausch« am Beispiel der NS-Zeit gezeigt hat, spielen Drogen und Drogenpolitik eine dramatische, immer noch unterschätzte Rolle in der Geschichte der Menschheit.In seinem neuen Buch nimmt der Autor diesen Faden wieder auf und untersucht, wie Entwicklung, Produktion und Verbreitung psychedelischer Substanzen Politik und Gesellschaft von der Nachkriegszeit bis in die Gegenwart geprägt haben. Bei seinen ebenso abenteuerlichen wie gründlichen Recherchen in Archiven in Europa…mehr

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Produktbeschreibung
LSD: Wie alles begann und was in der Gegenwart daraus wurde Wie Norman Ohler in seinem internationalen Bestseller »Der totale Rausch« am Beispiel der NS-Zeit gezeigt hat, spielen Drogen und Drogenpolitik eine dramatische, immer noch unterschätzte Rolle in der Geschichte der Menschheit.In seinem neuen Buch nimmt der Autor diesen Faden wieder auf und untersucht, wie Entwicklung, Produktion und Verbreitung psychedelischer Substanzen Politik und Gesellschaft von der Nachkriegszeit bis in die Gegenwart geprägt haben. Bei seinen ebenso abenteuerlichen wie gründlichen Recherchen in Archiven in Europa und den USA differenziert Norman Ohler zwischen drei Dimensionen beim Blick auf Drogen: ihre Funktion als Rauschmittel, als Werkzeug der Bewusstseinskontrolle sowie als Heilmittel. Am Beispiel der Entdeckung des LSDs und dem aus mexikanischen Pilzen gewonnenen Psilocybin bringt Norman Ohler Licht in das Zusammenspiel aus wissenschaftlicher Forschung, staatlichen Behörden und hedonistischer Drogenkultur. Und er zeigt überzeugend, wie eine undifferenzierte Prohibitionspolitik Fortschritte im Kampf gegen Zivilisationskrankheiten wie Depression oder Alzheimer verhindert. Es treten auf: Albert Hofmann und die Basler Firmen Sandoz und Novartis, Harry J. Anslinger und sein Federal Bureau of Narcotics, Richard Nixon und Elvis Presley, Aldous Huxley und John Lennon, sowie die Eltern des Autoren.

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Autorenporträt
Norman Ohler, 1970 geboren, ist der Autor von vier von der Presse gefeierten Romanen und zwei Sachbüchern. Sein erster Roman »Die Quotenmaschine« erschien 1995 zunächst als Hypertext im Netz und gilt als weltweit erster Internet-Roman. »Mitte« (2001) und »Stadt des Goldes« (2002) komplettieren seine Metropolentriologie. 2015 erschien »Der totale Rausch« über die kaum aufgearbeitete Rolle von Drogen im Dritten Reich. Es wurde in mehr als 30 Sprachen übersetzt und stand auf der Bestsellerliste der New York Times. Paramount hat eine Option auf die Filmrechte erworben. 2017 erschien Ohlers historischer Kriminalroman »Die Gleichung des Lebens«, der mit lebendigem Zeitkolorit das 18. Jahrhundert wiederauferstehen lässt.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

In Amerika sterben zwar neuerdings über hunderttausend Menschen pro Jahr an Drogen, aber in einem ist sich Rezensent Benedikt Sarreiter sicher: Das Problem sind nicht die Drogen, sondern der "War on Drugs". In der Buchmessenbeilage der FAZ bespricht er zwei Bücher, die ihm diese Gewissheit bestätigen, Norman Ohlers "Der stärkste Stoff" und Helena Barops "Der große Rausch". Norman Ohler, erinnert sich Sarreiter, hatte 2015 mit "Der totale Rausch" einen großen Bestseller - und das verdientermaßen, denn Ohler verstehe es, spannend zu erzählen. Ging es in "Der totale Rausch" um ein bis dahin eher unbekanntes Kapitel über Drogen in der Nazizeit, erzählt Ohler nun in "Der stärkste Stoff" unter anderem die Geschichte von LSD. Ganz so begeistert ist Sarreiter in diesem Fall aber nicht, denn ehrlich gesagt, über die Verbindung zwischen CIA und LSD, der Ohler hier nachgeht, hatte er schon einiges gelesen. Spannender hätte er es gefunden, wenn Ohler systematischer neuen Spuren über therapeutische Potenziale von LSD nachgegangen wäre. Ohler hat seiner demenzkranken Mutter zwar mit deren Einwilligung LSD in Mikrodosierung verabreicht und vielversprechende Wirkungen festgestellt - aber für Sarreiter erforscht er dieses Feld bei weitem nicht intensiv genug. Schade, findet er.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.09.2023

„Mein Ich schwebte irgendwo im Raume“
Nach seinem Bestseller über Drogen im Nazi-Regime erzählt Norman Ohler die atemberaubende Geschichte
von Psychedelika wie LSD. Aus einem sehr persönlichen Grund
VON WERNER BARTENS
Dieses Land gibt sich die volle Dröhnung. Auf Volksfesten saufen sich die Besucher entscheidende Synapsen weg. In der Freizeit, im Urlaub und im Betrieb sind Leber- wie Hirnzellen regelmäßig überfordert von der Alkoholzufuhr. Deshalb etwas Beipackzettel-Prosa vorneweg: Fast zehn Millionen Menschen in Deutschland trinken in „stark gesundheitsgefährdender“ Dosis Alkohol, zwischen 1,5 und 2,5 Millionen Menschen gelten als alkoholkrank, etwa 80 000 Menschen sterben jährlich an Folgen ihres Konsums. 10 000 Kinder kommen jedes Jahr in Deutschland mit körperlichen und geistigen Schädigungen auf die Welt, weil die Mütter in der Schwangerschaft Alkohol getrunken haben.
Welche Heuchelei, welch ein verlogener Umgang mit anderen Drogen angesichts dieser Zahlen. Obwohl sich Ärzte und Suchtexperten einig sind, dass vom in Bayern als Kulturgut verehrten Alkohol die mit Abstand größte Gesundheitsgefahr unter allen Rauschmitteln ausgeht, ist die Aufregung enorm, wenn illegale Drogen freigegeben oder als Medikamente genutzt werden sollen. Alle illegalen Drogen zusammen haben im Jahr 2022 zusammen zu knapp 2000 Todesfällen in Deutschland geführt. Die neuen Regularien für den legalen Erwerb von Cannabis, der harmlosesten unter den illegalen Drogen, sind komplizierter als eine Steuererklärung für Freiberufler. Bill Clinton, 1992 des Rauchens von Marihuana in seiner Studienzeit überführt, musste beteuern, damals „nicht inhaliert“ zu haben. Die Diskussion um Drogen ist von falschen Fakten, überholten Mythen und Bigotterie durchtränkt, das gilt besonders für das irgendwie heitere, aber auch mysteriöse LSD.
Norman Ohler, der 2015 mit „Der totale Rausch“ einen Bestseller über Drogen im Dritten Reich geschrieben hat, legt nun eine Entdeckungs- und Kulturgeschichte über psychedelische Substanzen wie LSD vor. Sein fesselnder Bericht, so viel darf man vorwegnehmen, ist nicht im Sinne der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung geraten. Ohler hat einen Wissenschaftskrimi geschrieben, in dem er zunächst den jungen Schweizer Chemiker Arthur Stoll begleitet, der nach Ende des Ersten Weltkriegs auf das Mutterkorn setzt, einen seit dem Mittelalter bekannten Getreidepilz, der – versehentlich verzehrt – zu furchtbaren Verstümmelungen führt. Stoll gelang es 1918, die im Pilz wirksame Substanz zu isolieren. Dieser Stoff, das Ergotamin, ist es, der die Blutgefäße heftig zusammenzieht, sodass während der Getreidevergiftungen den Menschen die Gliedmaßen abfaulten oder – in der Geburtshilfe erwünscht – das daraus entwickelte Medikament Gynergen seit 1921 Blutungen zum Stillstand bringen konnte. Schon bald wurde Ergotamin auch zur Behandlung von Migräne eingesetzt, und Stoll begründete damit Ruhm und Erfolg der Pharmafirma Sandoz.
Albert Hofmann, ein junger Mitarbeiter von Sandoz, hatte in den 1930er-Jahren die Forschung an der Substanz wieder aufgenommen. Er isolierte aus Ergotamin die Lysergsäure als Kernsubstanz und entwickelte in der Folge besser blutstillende Mittel wie Methergin für die Geburtshilfe, was eine lebenslange Rivalität zu seinem Chef Stoll begründete. In einer seiner Versuchsreihen synthetisierte Hofmann 1943 Lysergsäure-Diethylamid, von ihm LSD-25 genannt.
Die Mäuse im Tierversuch merkten nichts, doch als der Forscher selbst versehentlich etwas von dem Stoff abbekam, stellte sich ein „nicht unangenehmer rauschartiger Zustand“ ein. Bei geschlossenen Augen drangen „ohne Unterbruch fantastische Bilder von außerordentlicher Plastizität und mit intensivem, kaleidoskopartigem Farbenspiel auf mich ein“, notierte Hofmann. Wenige Tage später wiederholte Hofmann absichtlich den „fulminanten Rausch“, inklusive Sehstörungen, Lachreiz und Verwunderung über „die Hässlichkeit der technischen Welt“. Der Boden wölbte sich, Wände wankten, ferne Gegenstände rückten nahe heran und nahmen unheimliche Dimensionen an. Hofmann schrie und schwatzte unklares Zeug. „Mein Ich schwebte irgendwo im Raume und sah meinen Körper tot auf dem Sofa liegen“, notierte der bedröhnte Chemiker. Doch der herbeigerufene Hausarzt stellte fest: „Herzfunktion normal. Herztätigkeit regelmäßig, Töne rein, Puls mittelstark, Atmung ruhig und tief, Blutdruck normal.“ Im Labor von Sandoz experimentierte Hofmann mit chemisch leicht veränderten Varianten des LSD, sah immer wieder Wände auf sich zukommen oder die Gesichter seiner Kollegen „ins Fasnächtliche verzerrt“.
Was Ohler dann schildert, liest sich wie ein popkultureller Drogenrausch, prall gefüllt mit Fantasien und Legenden des 20. Jahrhunderts. Gemächlich fängt es an mit den Bauern im Emmental, die für Sandoz nicht gesundes Getreide, sondern gefährliches Mutterkorn anpflanzen sollten. Doch dann geriet der Wirkstoff aus dem Giftpilz in den Fokus der Weltpolitik. Die Nazis erhofften sich von dem neu entdeckten Rauschmittel, dass damit endlich die ominöse „Wahrheitsdroge“ gefunden worden wäre, mit der Gefangene und politische Gegner gegen ihren Willen geständig und gefügig wurden. Verschiedene Mittel wurden im KZ und in den Folterkellern der Gestapo ausprobiert, wie weit LSD zum Einsatz kam, ist unklar. Führende Sandoz-Chemiker wie Arthur Stoll paktierten jedoch mit den Chef-Chemikern der Nazis, nutzten zudem die Bedrängnis ihrer ehemaligen jüdischen Lehrer aus und profitierten von deren Notverkäufen wertvoller Kunstwerke.
Nach dem Ende der Nazidiktatur ging es wild weiter. Die CIA erwartete im Kalten Krieg Ähnliches von der Substanz aus der Schweizer Chemieindustrie und griff dazu auch auf den Wissenschafts- und Kontrollapparat der Nazis zurück, die nicht nur eine konsequente Vernichtungspolitik betrieben hatten, sondern auch effizient in der Prohibition waren. Geplant von der CIA wurde der Stoff ohne Einwilligung in Kliniken oder an den eigenen Mitarbeitern getestet. Dass der ein oder andere CIA-Agent darüber wahnsinnig wurde oder ein auf Kampfstoffe spezialisierter Wissenschaftler – durch ein geschlossenes Fenster – aus dem zehnten Stock in den Tod sprang, waren unkalkulierbare Nebenwirkungen. Zugleich wurde der Stoff unter Kreativen und Intellektuellen populär. Aldous Huxley, Verfasser von „Brave New World“, korrespondierte mit LSD-Entdecker Hofmann und lobte in seinem Essay „The Doors of Perception“ (nach dem sich später die Band The Doors benannte) die Wirkung der psychoaktiven Mittel.
Musiker und Poeten wie Jack Kerouac, Allen Ginsberg und Bob Dylan schwärmten von den neuen Rauschstoffen. Cary Grant war hingerissen von der Wirkung; eine Geliebte von John F. Kennedy wollte angeblich für den Präsidenten etwas besorgen. Zudem wurde 1958 aus mexikanischen Pilzen, den „Magic Mushrooms“, von Sandoz-Forschern um Hofmann erst das Psilocybin isoliert und ebenfalls schnell populär unter Künstlern und Beatniks. Timothy Leary, Harvard-Professor, veranstaltete Test-Sessions und wollte mit den Psychedelika das ganze Land beglücken. Sexuelle Befreiung, Bewusstseinserweiterung für alle – nichts schien dem Siegeszug des anregenden Rauschmittels mehr entgegenzustehen. Die repressive Drogenpolitik der USA unter den konservativen Präsidenten Lyndon B. Johnson und Richard Nixon führte jedoch zum Verbot der psychoaktiven Substanzen. Diesen Politikern waren Hippies, Bürgerrechtsbewegung und Friedensaktivisten ein Dorn im Auge. Elvis Presley, der jahrelang Medikamentenmissbrauch betrieb, diente sich Präsident Richard Nixon als Helfer an, in dessen Krieg gegen die Drogen.
Ohlers Buch ist Legendenstoff: Der Schriftsteller hat in Archiven recherchiert, mit Experten gesprochen. Seine dichte Schilderung bleibt so unterhaltsam wie nüchtern. Mit einer Ausnahme: Es ist nur verständlich, dass Ohler angesichts der fortschreitenden Demenz seiner Mutter auf ein Mittel hofft, das helfen kann, deren Alzheimer-Erkrankung zum Stillstand zu bringen. Doch so berührend die Anteilnahme am Dämmern der geliebten Mama ist, so befremdlich sind die vielen Köder, die Ohler auswirft, wenn er psychedelischen Mitteln wie LSD oder Psilocybin die Linderung „bislang kaum heilbarer Krankheiten wie Demenz, Depression oder Angststörungen“ zwar in der Möglichkeitsform, doch immerhin zutraut. Tabus und Desinformation verhinderten jedoch angeblich die Erforschung dieser Mittel mit „größten Heilpotenzialen“. Politik und verkrustete Wissenschaftsstrukturen stünden dagegen.
Das ist selbst in der Möglichkeitsform Unsinn. Es gibt in jüngster Zeit einen dezenten Forschungs-Boom und etliche Studien zu Erfahrungen mit Microdosing, also zur Gabe von LSD oder Psilocybin in therapeutischer Dosis. Es gibt White Paper von Start-ups, die Psychedelika zu Medikamenten machen wollen. Aber das reicht nicht, um den Nutzen von LSD gegen einige der am meisten verbreiteten Volksleiden zu suggerieren. Ohler geht offensiv damit um, dass ihn das Thema persönlich stark angeht. Er beschreibt, wie sich bei seiner Mutter die Symptome der Demenz bessern, nachdem sie LSD in geringer Dosis genommen hat. Doch so sympathisch das aus Perspektive des Sohnes ist – bei wissenschaftlichen Themen ist die eigene Befangenheit ein Anlass zu großer Skepsis. Abgesehen davon: ein großartiges Buch, das sich liest wie im Rausch.
Bewusstseinserweiterung für alle: Nach dem NS-Regime und der CIA interessierte sich die Gegenkultur für psychedelische Drogen, hier in München in den 60er-Jahren bei einer Aufführung des Musicals „Hair“.
Foto: Heinz Gebhardt/imago
Norman Ohler:
Der stärkste Stoff.
Psychedelische Drogen. Waffe, Rauschmittel,
Medikament.
Kiepenheuer & Witsch,
Köln 2023.
272 Seiten, 25 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.10.2023

Psychedelika mussten die CIA einfach interessieren

Drogenprohibition: Norman Ohler erzählt Episoden aus der Geschichte von LSD. Helena Barop führt eindrücklich vor Augen, welche Motive den

War on Drugs bis heute antreiben.

Von Benedikt Sarreiter

Von Benedikt Sarreiter

Im April dieses Jahres schrieb Markus Söder auf Twitter: "Die Ampel ist grundlegend auf dem Irrweg. Drogenlegalisierung ist einfach der falsche Weg. Karl Lauterbach schlägt als Gesundheitsminister ernsthaft die Gründung von Drogen-Clubs vor. Das löst keine Probleme, sondern schafft neue . . ." Auf dem CDU-Parteitag ein halbes Jahr zuvor hatte er vor Verhältnissen wie bei "Kinder vom Bahnhof Zoo" gewarnt. In der Tradition der vernebelnden Rhetorik der Drogenprohibition verknüpfte er verschiedene Substanzen mit unterschiedlichen Eigenschaften und Wirkungen. Cannabis steht dann plötzlich auf der gleichen Stufe wie Heroin. Dazu gesellt sich Panikmache: Drogenklubs! Bahnhof Zoo! Bilder von Jugendlichen im Drogenelend keimen auf, die mit der Realität nur sehr wenig zu tun haben.

Söder präsentiert sich als aufrechter Kämpfer gegen "die Macht der Drogen". Wie sinnlos dieser Kampf ist, wessen Geistes Kind er ist und welche brutalen Auswirkungen er hatte und hat, beschreiben zwei neue Bücher. Das eine, "Der stärkste Stoff" von Norman Ohler, konzentriert sich dabei auf die wechselhafte Geschichte von LSD, das andere, "Der große Rausch" von Helena Barop, auf die ideologischen Grundlagen des War on Drugs, der in den Siebzigerjahre begann, dessen Wurzeln aber sehr viel tiefer reichen.

Das Buch von Ohler knüpft an dessen Bestseller "Der totale Rausch" aus dem Jahr 2017 an. In ihm erzählt der Berliner Autor die Geschichte des Methamphetamins Pervetin im Dritten Reich und von Hitlers Opioidsucht. Pervetin, heute als Crystal Meth bekannt, war damals Volksdroge und Aufputschmittel für die Blitzkrieger der Wehrmacht. Das Buch liest sich selbst wie im Rausch. Denn Ohler versteht es, einer Erzählung Geschwindigkeit zu geben, weiß, wie man Cliffhanger platziert und den Leser beim Text hält.

So ist es auch bei seinem neuem Buch. Es setzt direkt nach dem Zweiten Weltkrieg in Berlin ein. Die Stadt ist zerstört, aber die Drogen sind noch da. Der Schwarzmarkt blüht, und die Vertreter der amerikanischen Besatzungsmacht schaffen es nicht, ihn einzudämmen. So lassen sie sich von ehemaligen Gestapo-Mitgliedern beraten, wie man effizient Drogengebrauch hemmt. Harry J. Anslinger, der mächtige und schon damals berüchtigte Chef des Federal Bureau of Narcotics, schreckten die grausamen NS-Anti-Drogengesetze nicht, vielmehr bewunderte er deren mörderische Durchschlagskraft. Ohler weist darauf hin, dass auf diesem Wege Nazi-Ideologie in die sich später international entfaltende Drogenpolitik Einlass fand, die von Anslinger mitgestaltet wurde.

Vom Nachkriegsdeutschland verlagert sich Ohlers Fokus nach Basel zum Chemiekonzern Sandoz. Dort veränderte der Chemiker Arthur Stoll durch seine Forschung mit dem Mutterkornpilz - er hatte 1918 das Hauptalkaloid des Getreideparasiten Ergotamin isoliert - die Strategie des Unternehmens. Aus Ergotamin wurden zahlreiche lukrative Medikamente entwickelt, etwa gegen Migräne oder als Wehen auslösendes Mittel. Mutterkorn war allerdings ein rares Gut. Deswegen zog Sandoz eine landwirtschaftliche Zucht des Parasiten im industriellen Ausmaß hoch.

Ohler stützt sich in diesen Passagen auf Beat Bächis eindrucksvolles Buch "LSD auf dem Land" (F.A.Z. vom 15. Januar 2021), in dem er die Entwicklung von Sandoz vom Farbenhersteller zum Agrar- und Pharmakonzern nachzeichnet und wie dadurch Albert Hofmanns Entdeckung von LSD möglich wurde. Denn der Sandoz-Chemiker arbeitete ebenfalls mit den Alkaloiden des Mutterkorns und entwickelte so eher aus Zufall eine der potentesten psychoaktiven Substanzen der Welt. Wie Bächi recherchierte Ohler im Archiv von Sandoz und berichtet im Buch unter anderem von einer Verbindung Stolls zur CIA über einen Mittelsmann mit NS-Vergangenheit.

Von hier aus wendet er sich den verschiedenen Karrieren zu, die LSD im zwanzigsten Jahrhundert machte. Als hoffnungsvolles Medikament in der psychedelischen Therapie, als chemische Waffe und Wahrheitsserum für Militärs und Geheimdienste und letztlich als bewusstseinserweiternde Partydroge der Hippies. Besonders reizvoll war für Ohler offensichtlich die Verknüpfung CIA - LSD. Im Zentrum des Buches stehen die nicht selten menschenverachtenden Versuche des Geheimdienstes, die unter dem Projekt MK Ultra in den Fünfziger- und Sechzigerjahren durchgeführt wurden. Die Geschichten über mit LSD versetzte Drinks in Bordellen, über US-Bürger, die unwissend unter LSD gesetzt wurden, über mitunter grausame CIA-Psychedelik-Programme an Kliniken wurden schon oft erzählt. Etwa von Errol Morris in seiner Netflix-Dokuserie "Wermut", von Michael Pollan in seinem Bestseller "Verändere dein Bewusstsein" (F.A.Z. vom 16. März 2019) und in zahlreichen Artikeln. Ohler gewinnt diesen Geschichten keine neuen Seiten ab.

Was soll's, könnte man da freilich sagen, ist ja schließlich aufregend zu lesen. Aber in der Feststellung der Wiederholung steckt eher ein Bedauern. Denn die Suche nach der mind-control drug durch die CIA hat dazu beigetragen, den Ruf von LSD nachhaltig zu beschädigen. Indem man immer wieder auf sie hinweist, wird er nicht unbedingt besser, was einen vorurteilsfreien Einsatz der Substanz auf dem therapeutischen Feld bis heute erschwert. Und es befindet sich in "Der stärkste Stoff" am Ende eine zweite, ganz andere Geschichte. Ohlers Mutter ist an Demenz erkrankt, es gibt Hinweise darauf, dass LSD die Symptome der Krankheit besänftigen kann. Er verabreicht ihr mit ihrem Einverständnis die Substanz in Mikrodosis, und ihre Beschwerden scheinen sich tatsächlich nach wiederholter Einnahme zu bessern. Hier hätte die Basis für ein anderes Buch gelegen. Ohler hätte mit seinen Recherche-Fähigkeiten die aktuelle LSD-Forschung erkunden und nach ihrem wirklichen Potential in der Demenzforschung fahnden können. So wirkt das Buch unentschieden und vom Kalkül getrieben, eine Fortsetzung des früheren Bestsellers zu verfassen.

Stringenter ist Helena Barops "Der große Rausch". Die Freiburger Historikerin beschäftigt sich seit über zehn Jahren mit der Geschichte der Drogenprohibition. Ihr Buch legt in umfassender Klarheit dar, welch eisernes Gerüst aus Vorurteilen, Klischees und heuchlerischer Tugendhaftigkeit die übliche Denkweise über Drogen und deren Konsum bis in die Gegenwart bestimmt. Barop beginnt ihre Analyse im neunzehnten Jahrhundert, als zuerst die Romantiker und dann auch Menschen abseits des Kunstmilieus Medikamente als Rauschmittel entdeckten. Zuerst den painkiller Opium, später das Lokalanästhetikum Kokain, Morphium und das als Hustensaft vermarktete Heroin. Die lange legalen Substanzen entführten sie in nicht gekannte Zauberwelten, schenkten ihnen Ruhe oder Euphorie. Die Pillen und Tinkturen galten als Wundermittel, bis einige Konsumenten eine Abhängigkeit entwickelten. Vor allem in den USA breiteten sich Suchtleiden aus, was gegen Ende des Jahrhunderts zu ersten Rufen nach einer Behebung des "Drogenproblems" führte. Aus Rauschmitteln wurden Rauschgifte.

Barop seziert nun die Lösungsansätze für dieses Problem und bringt die Motive ihrer Verfechter ans Licht. Um Gesundheitsschutz und Hilfe für Süchtige ging es dabei nur peripher, eine erheblich größere Rolle spielten Rassismus und Puritanismus. Es begann mit dem Verbot des Opiumrauchens in San Francisco im Jahr 1875, mit dem besonders chinesische Einwanderer sich entspannten. Der Gesetzgeber befürchtete, die reinen Seelen der amerikanischen Jugend würden in chinesischen Opiumhöhlen verdorben werden. Laudanum und Opiumtinkturen, die besonders weiße Frauen durch den Tag brachten, waren aber weiter legal. Die Art der Einnahme erwies sich also als strafbar, nicht die Substanz. Es wurde demnach mit zweierlei Maß gemessen. Die Härte der Bestrafung richtete sich danach, welcher Bevölkerungsgruppe man angehörte. Ein Muster, das sich im Laufe des zwanzigsten Jahrhunderts wiederholte. Über Kokain - die Droge wurde zu Beginn des Jahrhunderts vor allem von Afroamerikanern konsumiert - hieß es plötzlich, sie mache extrem gewalttätig und, Barop zitiert die "New York Times", "immun gegen Schusswaffen". Horrorgeschichten sollten die Bevölkerung in Panik versetzen, die Konsumenten wurden moralisch abgewertet.

Eine solche Denkweise war keine amerikanische Eigenart, sondern auch in Europa verbreitet, doch nirgends wurden die Gesetze strenger durchgesetzt. Außerdem drängten die USA darauf, ihren Drogenkampf international zu forcieren, weil sie so entscheidenden Einfluss auf die Erzeugerländer gewinnen konnten. Nach Nixons 1971 ausgerufenen "War on Drugs" und dem Eindruck der drogengeschwängerten Sechzigerjahre kopierten viele Länder die amerikanischen Law-and-Order-Methoden. Auch Deutschland.

Fast fünfzig Jahre später weichen die betonharten Strukturen langsam auf, wie etwa die Legalisierungsbestrebungen für Cannabis der Ampelkoalition zeigen. Der abwertende Blick auf Süchtige, die Angst vor angeblichen Horrordrogen wie Heroin oder Crystal Meth und das Leid, das der War on Drugs jeden Tag erzeugt, bleiben aber weiter erhalten. Nach der Lektüre von Helena Barops Buch denkt man über Drogenverbote und über unsere Erzählungen von Substanzkonsum und -missbrauch anders nach. Insbesondere für Politiker und Drogenbeauftragte ist "Der große Rausch" Pflichtlektüre.

Norman Ohler: "Der stärkste Stoff". Psychedelische Drogen: Waffe, Rauschmittel, Medikament.

Kiepenheuer & Witsch Verlag, Köln 2023. 272 S., Abb., geb., 24,- Euro.

Helena Barop: "Der große Rausch". Warum Drogen kriminalisiert werden. Eine globale Geschichte vom 19. Jahrhundert bis heute.

Siedler Verlag, München 2023. 304 S., geb., 26,- Euro.

Erscheint am 25. Oktober.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Ohler bietet spannende Fakten und interessante Thesen in einem unterhaltsamen Buch.« Norman Ohler Das Parlament 20231014