Zufall und Notwendigkeit
Franz Hohler, Schweizer Schriftsteller und Kabarettist, entwickelt in seinen Erzählungen eigene Perspektiven. Sein Fokus liegt nicht auf der großen Weltpolitik, sondern auf den kleinen Dingen des Lebens, die jedoch manchmal große Wirkungen haben können. Ob es Zufälle
sind, die den Lebensweg bestimmen, oder dieser determiniert ist, müssen die Leser selbst…mehrZufall und Notwendigkeit
Franz Hohler, Schweizer Schriftsteller und Kabarettist, entwickelt in seinen Erzählungen eigene Perspektiven. Sein Fokus liegt nicht auf der großen Weltpolitik, sondern auf den kleinen Dingen des Lebens, die jedoch manchmal große Wirkungen haben können. Ob es Zufälle sind, die den Lebensweg bestimmen, oder dieser determiniert ist, müssen die Leser selbst entscheiden.
In „Der Präsident“ fordert eine kleine Katze das Schicksal heraus. Hohler stellt nicht, wie bei dem Titel zu vermuten, die präsidiale Politik in den Vordergrund, sondern thematisiert, wie Emotionen einen Mensch verändern und damit auch Entscheidungen beeinflussen können. Die Katze entpuppt sich zu guter Letzt als Lebensretter. Alles Zufall? Eine ähnliche Bedeutung kommt einem Tiger in „Die Grenze“ zu.
Ich weiß nicht, ob Autor Hohler raucht. Jedenfalls ist „Die Raucherecke“ eine Persiflage auf das gesetzlich sanktionierte und konsequent überwachte Rauchverbot in vielen Ländern. Die vermeintliche Lösung eines Problems kann mehrere neue Probleme schaffen, so die Erkenntnis.
Übernatürlich geht es in „Der vierte König“ und in „Der Sender“ zu. Vielleicht sind es auch nur das unvollständige Wissen oder die durch besondere Umstände verzerrte Wahrnehmung, die Situationen anders erscheinen lassen, als sie aus dem Blickwinkel der Vernunft sein sollten.
In „Ein Nachmittag bei Monsieur“ experimentiert Franz Hohler mit seiner Erzählweise. Ein Künstler bringt einem Jungen das Malen bei. Dabei stehen Form und Inhalt in Beziehung zueinander. Die künstlerische Freiheit, auf die der Maler, Protagonist der Erzählung, großen Wert legt, nimmt sich auch Autor Hohler heraus, indem er einen Dialog in Form eines Monologes abhält.
„Juckreiz“ ist eine lustige Geschichte über einen Lehrer mit einer Neurose. Ständig muss dieser sich kratzen. Sein Arzt spricht treffend von einem „idiopathischen Pruritus“ (Juckreiz ohne materielle Ursache). Franz Hohler hat u.a. mit Emil Steinberger zusammengearbeitet. Aus dieser Geschichte ließe sich ein Sketch kreieren, der gut zu Steinberger passen würde.
Franz Hohler hat seinen eigenen Stil, so wie auch die begabte junge Frau Bianca Carnevale in der gleichnamigen Geschichte. Er erzählt und wertet nicht. Das macht ihn und auch seine Figuren sympathisch. In seiner letzten Geschichte „Der Stein“ bringt er die Themen Zufall und Schicksal auf den Punkt, indem er beschreibt, wie ein in erdgeschichtlichen Dimensionen zufällig entstandener Stein das Schicksal eines jungen Mädchens beeinflusst.
Die Geschichten sind vielseitig und unterhaltsam. Gleiche Ursachen können verschiedene Wirkungen haben, wie uns der Autor in „Der Bleistiftstummel“ deutlich macht. Wer Erzählungen mag, die ungewohnte Perspektiven beleuchten, wird auch dieses Buch mögen.