Hagar Shipley, die Hauptfigur von Margaret Laurences Roman „Der steinerne Engel“ ist 90 Jahre alt, lebt seit fast 20 Jahren mit ihrem Sohn Marvin und der Schwiegertochter Doris in ihrem eigenen Haus in der (fiktiven aber durchaus realistischen) kanadischen Provinz. Aber die Zeit bleibt nicht stehen.
Die Enkelkinder sind aus dem Haus, ihr Sohn ist schon Mitte 60 und, obwohl Hagar es nicht so sieht…mehrHagar Shipley, die Hauptfigur von Margaret Laurences Roman „Der steinerne Engel“ ist 90 Jahre alt, lebt seit fast 20 Jahren mit ihrem Sohn Marvin und der Schwiegertochter Doris in ihrem eigenen Haus in der (fiktiven aber durchaus realistischen) kanadischen Provinz. Aber die Zeit bleibt nicht stehen. Die Enkelkinder sind aus dem Haus, ihr Sohn ist schon Mitte 60 und, obwohl Hagar es nicht so sieht – sie selbst wird auch nicht jünger. Zu den Zipperlein, die das Alter so mit sich bringt (sie ist nachts inkontinent, zunehmend vergesslich und nicht mehr so sicher auf den Füßen), kommt, dass auch ihr Sohn und die Schwiegertochter nicht mehr so belastbar sind, wie sie es einmal waren. Die Lösung für sie ist: Hagar soll in ein Seniorenheim ziehen. Doch die widerborstige Dame sieht das selbstverständlich anders.
Hagar nimmt den Leser in ihrem inneren Monolog mit auf eine Reise durch 90 Jahre Leben. So besteht dieses Buch aus zwei Handlungssträngen: der Vergangenheit und dem Jetzt und Hier. Beginnend mit der Zeit um ihre Einschulung, erfährt der Leser durch ihre Gedanken sehr viel über sie: ihre mutterlose Kindheit und Jugend (ihre Mutter starb bei ihrer Geburt) mit einem strengen Vater, der als Geschäftsmann erfolgreich war und ihr zwar eine höhere Bildung zuteilwerden ließ, sie dann aber davon abhielt Lehrerin zu werden. Daher stürzte sie sich mehr aus Rache in eine unglückliche Ehe, aus der zwei Söhne hervorgingen.
Das Buch ist nicht nur die Geschichte von Hagar als unbequeme, sture und dickköpfige Frau. Es ist unter anderem auch eine Geschichte über Emanzipation und Generationenkonflikt und den klischeehaften Kampf zwischen Schwiegermutter und –tochter. Und eine Geschichte übers Älter- und Altwerden, den Verlust von Selbstständigkeit und Körperfunktionen. Eine lustige, traurige, manchmal spannende, in der Hauptsache aber nachdenklichmachende Geschichte, die einen packt, fesselt und lange nicht mehr loslässt. Denn, so schwierig der Inhalt manchmal zu verdauen ist, die Sprache ist einfach und alltagsnah, der Textfluss gefällig und gut zu lesen. Für mich ist das Buch eine runde Sache und eine klare Lese-Empfehlung. 5 Sterne.