Susan ist Experimentalphysikerin, hantiert gern mit dem Brecheisen und bäckt nachts um drei Croissants für ihre Familie. Und sie hat eine außergewöhnliche Gabe: Jeder, der mit ihr spricht, wird absolut aufrichtig. Jetzt soll sie einem hochrangigen Justizbeamten ein geheimes Protokoll beschaffen: Ein Gremium hochkarätiger Wissenschaftler erforscht die Gefahren der Zukunft. Doch plötzlich kommt ein Mitglied nach dem anderen auf grausame Weise um. Mit irrwitzigen Einfällen, technischem Know-How und ihrem einzigartigen Effekt kämpft Susan darum, dass die Wahrheit ans Licht kommt. Ein phantastischer Pageturner mit einer unschlagbaren Heldin.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.07.2015Das Gespür des Orakels
Kalkuliert: Peter Høegs Roman "Der Susan-Effekt"
In gewisser Weise ist Susan eine Frau mit übermenschlichen Kräften. Etwas an ihr bringt die Menschen in ihrer Umgebung dazu, sich ihr anzuvertrauen, aber nicht langsam, sondern unmittelbar und gleich bei der ersten Begegnung: Susan zwingt Menschen dazu, Konventionen zu ignorieren und selbstgebaute Schutzwälle einzureißen. Das ist der "Susan-Effekt", den Peter Høegs neuer Roman in seinem Titel trägt. Es ist, nach dem 1994 erschienenen und (auch nach seiner Verfilmung) sehr bekannt gewordenen "Fräulein Smillas Gespür für Schnee", ein weiterer Kriminalroman aus der Feder des dänischen Schriftstellers, in dem eine Frau dank einer besonderen Gabe einen Vorsprung genießt, aber eben auch in Gefahr gerät.
Die Gefahr droht von Seiten eines obskuren Auftrags des dänischen Geheimdienstes, der Susan benutzen will, um an Informationen über eine "Zukunftskommission" zu kommen. Diese geheime Gruppe von Wissenschaftlern unterschiedlicher Disziplinen soll vor Jahren wie eine Art Orakel getagt und dabei Vorhersagen getroffen haben, mit denen sich nun die dänische Regierung ihrerseits einen Vorsprung verschaffen möchte. Unnötig zu sagen, dass die gute Susan dabei bald ihre eigenen Interessen verfolgt und dass es diese redliche Eigenwilligkeit ist, die den Roman rasch zum Ringen zwischen einem weiblichen David und einem korrupten Goliath werden lässt.
Peter Høeg versucht diese klassische Konstellation zu brechen, indem er seine Heldin zu einer recht unterkühlten Physikerin macht, der die eigene, mit Gefühlen und Stimmungen arbeitende Gabe selbst immer fremd bleiben muss. Ihr Versuch, sich das Leben, das so voller Zutraulichkeiten von Fremden steckt, durch den Glauben an seine auf ein paar mathematische Formeln zu reduzierende Logik vom Leib zu halten, ist nicht ohne Reiz. Auf Dauer ermüdend ist aber, dass auch der Autor der Versuchung erliegt, seinen Haupt- und allen anderen Figuren psychologische Profile vorzuenthalten, die der Verschachtelung des Plots etwas entgegensetzen könnten. So bleibt das Buch zwar spannend, aber es wirkt immer reserviert und ist letztlich vor allem berechenbar.
lbo.
Peter Høeg: "Der Susan-Effekt". Roman.
Aus dem Dänischen von Peter Urban-Halle. Hanser Verlag, München 2015. 397 S., geb., 21,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Kalkuliert: Peter Høegs Roman "Der Susan-Effekt"
In gewisser Weise ist Susan eine Frau mit übermenschlichen Kräften. Etwas an ihr bringt die Menschen in ihrer Umgebung dazu, sich ihr anzuvertrauen, aber nicht langsam, sondern unmittelbar und gleich bei der ersten Begegnung: Susan zwingt Menschen dazu, Konventionen zu ignorieren und selbstgebaute Schutzwälle einzureißen. Das ist der "Susan-Effekt", den Peter Høegs neuer Roman in seinem Titel trägt. Es ist, nach dem 1994 erschienenen und (auch nach seiner Verfilmung) sehr bekannt gewordenen "Fräulein Smillas Gespür für Schnee", ein weiterer Kriminalroman aus der Feder des dänischen Schriftstellers, in dem eine Frau dank einer besonderen Gabe einen Vorsprung genießt, aber eben auch in Gefahr gerät.
Die Gefahr droht von Seiten eines obskuren Auftrags des dänischen Geheimdienstes, der Susan benutzen will, um an Informationen über eine "Zukunftskommission" zu kommen. Diese geheime Gruppe von Wissenschaftlern unterschiedlicher Disziplinen soll vor Jahren wie eine Art Orakel getagt und dabei Vorhersagen getroffen haben, mit denen sich nun die dänische Regierung ihrerseits einen Vorsprung verschaffen möchte. Unnötig zu sagen, dass die gute Susan dabei bald ihre eigenen Interessen verfolgt und dass es diese redliche Eigenwilligkeit ist, die den Roman rasch zum Ringen zwischen einem weiblichen David und einem korrupten Goliath werden lässt.
Peter Høeg versucht diese klassische Konstellation zu brechen, indem er seine Heldin zu einer recht unterkühlten Physikerin macht, der die eigene, mit Gefühlen und Stimmungen arbeitende Gabe selbst immer fremd bleiben muss. Ihr Versuch, sich das Leben, das so voller Zutraulichkeiten von Fremden steckt, durch den Glauben an seine auf ein paar mathematische Formeln zu reduzierende Logik vom Leib zu halten, ist nicht ohne Reiz. Auf Dauer ermüdend ist aber, dass auch der Autor der Versuchung erliegt, seinen Haupt- und allen anderen Figuren psychologische Profile vorzuenthalten, die der Verschachtelung des Plots etwas entgegensetzen könnten. So bleibt das Buch zwar spannend, aber es wirkt immer reserviert und ist letztlich vor allem berechenbar.
lbo.
Peter Høeg: "Der Susan-Effekt". Roman.
Aus dem Dänischen von Peter Urban-Halle. Hanser Verlag, München 2015. 397 S., geb., 21,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 14.08.2015Intelligenzbestie mit Sex-Appeal
In seinem neuen Roman „Der Susan-Effekt“ würzt der dänische Autor Peter Høeg
seine Erfolgsmischung aus Geisterseherei, Ökothriller und Frauenlob mit einer leichten Prise Ironie
VON KRISTINA MAIDT-ZINKE
Nach dem Sensationserfolg von „Fräulein Smillas Gespür für Schnee“ vor einem knappen Vierteljahrhundert sah es fast so aus, als könne Peter Høeg ein neuer Hans Christian Andersen werden – ein literarischer Weltstar aus dem kleinen Dänemark, international gefeiert und in seiner Heimat hoch geehrt. Aber es kam anders. Von den vier Romanen, die der 1957 geborene Autor seither veröffentlicht hat, wurde keiner mehr so begeistert aufgenommen wie die punktgenau auf den damaligen Zeitgeist hingeschriebene Geschichte von Fräulein Smilla. Vor allem die dänische Literaturkritik reagierte von Mal zu Mal missmutiger, weil sie von Høeg, dessen Stärke im Erfinden leicht überdrehter Thriller-Plots mit New-Age-Anmutung liegt, offenbar noch immer so etwas wie Hochliteratur erwartet.
Wer sich mit spannender Unterhaltung zufrieden gibt und sich weder an krassen Tötungsarten noch am sanften Hang zur Esoterik stört, ist mit dem neuen Titel „Der Susan-Effekt“ bestens bedient. Punkte sammeln kann Peter Høeg nach wie vor bei Feministinnen und Fans von Gender-Theorien: Wieder steht eine starke Frauenfigur im Mittelpunkt, und dass der Erzähler hier die weibliche Ich-Perspektive einnimmt, hat manche Rezensenten gar zu der Spekulation verführt, Høeg sehne sich insgeheim danach, eine Frau zu sein.
Wenn dem so ist, dann muss er sich vor einigen Jahren nach seiner Jugend zurückgesehnt haben, denn sein bei uns 2010 erschienenes Werk „Die Kinder der Elefantenhüter“ erzählte er aus der Sicht eines vierzehnjährigen Jungen namens Peter. Zwischen dem aktuellen Roman und jenem Vorgänger gibt es so augenfällige Ähnlichkeiten , dass man meinen könnte, der Verfasser habe das, was dort auf eine eher jugendliche oder jedenfalls märchenaffine Leserschaft zielte, hier noch einmal für Erwachsene aufbereiten wollen.
Wieder haben wir es mit einer exzentrischen Dänenfamilie zu tun, die sich plötzlich genötigt sieht, die Welt vor finsteren Verschwörern zu retten. Die älteren Geschwister des Knaben Peter hießen Hans und Tilte, hier ist es ein sechzehnjähriges Zwillingspaar namens Harald und Thit, das sich in gefahrvollen Action-Szenen behaupten muss. Wieder geht es um übernatürliche Fähigkeiten, die der Heldenfamilie immer wieder einen Vorsprung sichern: Der „Susan-Effekt“ meint die geheimnisvolle Gabe der Zwillingsmutter und Ich-Erzählerin, bei jedem ihrer Gesprächspartner absolute Aufrichtigkeit und Geständnisbereitschaft hervorzurufen und dadurch mühelos hinter alle Geheimnisse zu kommen.
In der Hauptfigur vermischen sich Züge der resoluten, technikbegeisterten Pfarrersgattin aus dem vorigen Roman mit Fräulein Smillas wissenschaftlicher Qualifikation, und alles ist ins Geniale gesteigert. Die Experimentalphysikerin Susan Svendsen ist ein veritables Superweib, eine Intelligenzbestie mit Sex-Appeal und Muskelkraft, die aus jeder Lage einen Ausweg findet und ihn sich notfalls mit Stemmeisen und Brechstange verschafft.
Daneben agiert sie als perfekte Hausfrau, brät Lammfilets genau fünfundzwanzigeinhalb Sekunden auf jeder Seite und berücksichtigt beim Backen von Croissants physikalische Gesetze. Obendrein verspürt sie immer dann, wenn sie ihren Kindern eine Mahlzeit zubereitet, eine „leichte Kontraktion der Gebärmutter“, ein gewissermaßen „vorgeschichtliches Gefühl“, was die Ahnung bestätigt, dass Peter Høeg sein Überfrauen-Bild ironisch eingefärbt hat.
Und Susan hat auch ihre Nachtseiten: In jungen Jahren durch Heimaufenthalt und Vergewaltigung traumatisiert, wirkt sie emotional etwas behindert, und es fehlen ihr die Antennen für alles, was jenseits der naturwissenschaftlichen Ratio liegt. Für das Künstlerische, für die kreativ-intuitiven Aspekte des Daseins ist ihr Gatte Laban zuständig, ein renommierter Komponist, der zudem über die bei Høeg unumgängliche spirituelle Ader verfügt. Der Gegensatz, der ihre wechselseitige Anziehung bedingt, schafft zugleich starke Spannungen, sodass die strahlende Familien-Idylle aus dem „Elefantenhüter“-Roman hier jedenfalls nicht recycelt wird. Der Anfang der Geschichte zeigt die Svendsens in dem Chaos, das sie sich während einer Indienreise eingebrockt haben: Die Mutter ist des versuchten Totschlags an einem Liebhaber angeklagt, der Vater hat nach der Entführung einer Maharadschatochter die indische Mafia auf den Fersen, der Sohn wurde wegen Antiquitätenschmuggels verhaftet, und die Tochter ist mit einem Tempelpriester durchgebrannt.
Gegen den offensichtlichen Unernst dieser Situation setzt Peter Høeg sein ernstes Anliegen, die Dramatik der Weltlage. Und verbindet beides durch einen brisanten Deal: Ein hochrangiger dänischer Staatsbeamter verspricht, die Familie aus der Klemme zu retten, wenn sie ihm das geheime Protokoll einer in den 1970er-Jahren installierten „Zukunftskommission“ verschafft, die den ökologischen Kollaps des Planeten mehr oder weniger exakt prognostiziert hat. Wieder in der Heimat und auf freiem Fuß, lassen sich die Svendsens auf eine gefährliche Jagd ein: Die Mitglieder des Forschergremiums, denen Susan die Informationen entlocken soll, werden unverhofft auf grausame Art beseitigt, skrupellose Verfolger trachten auch der Heldin nach dem Leben, und hinter allem steht ein konspiratives Geflecht von Machtinteressen, das – wie im Vorgängerroman der geplante Terroranschlag auf einen friedenstiftenden Kongress der Weltreligionen – zwar abenteuerlich konstruiert, aber nicht unbedingt realitätsfern ist.
Aus Susans leicht zynischen Reflexionen könnte man schließen, warum es Høeg noch immer Vergnügen bereitet, sich wilde und drastische Geschichten auszudenken und sich dem literarischen Erwachsenwerden zu verweigern: „In der dänischen Gesellschaft steht der Mainstream über allem. Wer ihm folgt und tut, was alle andern tun, bekommt Oberwasser und Antrieb und Rückenwind. Man muss bloß seine Ausbildung beenden, bis man dreißig ist, sich einen Mann und ein paar Kinder und eine Villa sichern, bis man vierzig ist, seinen Alkoholverbrauch einteilen, die zwischenzeitlichen Krisen überleben, Standhaftigkeit beweisen und bereit sein, wenn die Kinder aus dem Haus sind, zum letzten langen Endspurt im dänischen Wettlauf anzusetzen, der da heißt: Wer am meisten hat, wenn er stirbt, hat gewonnen.“
Susan bekennt, sie habe ihr Leben lang verzweifelt daran gearbeitet, sich in der Mitte des Stroms zu halten. Dem Autor scheint das nicht zu gefallen; er schickt ihr am Ende einen wesentlich jüngeren Liebhaber auf den Hals, der sie aus dem Konzept bringt. Die Selbstbeschreibung aber, mit der sie versucht, den hartnäckigen Verehrer abzuwehren, dürfte bei Høegs Leserinnen nicht so gut ankommen: „Lars, ich bin dreiundvierzig. Ich habe zwei Kinder gestillt. Meine Brüste hängen wie nasse Kaffeefilter. Die grauen Haare wachsen zu Tausenden. Du bist auf dem Weg ins Leben, ich bin auf dem Weg in die Rente.“
Statt empört zu protestieren, antwortet der junge Mann geradezu gönnerhaft mit einem Shakespeare-Zitat: „Mir, schöner Freund, kannst du nie älter werden . . .“ Nasse Kaffeefilter. Wenn das, aus der Feder eines Mannes, mal kein Sexismus ist! Høeg, der vermeintliche Frauenfreund, bleibt ein Enfant terrible. Nimmt man ihn nicht zu ernst, kann man mit ihm und seinem „Susan-Effekt“ viel Spaß haben.
Peter Høeg:
Der Susan-Effekt. Roman. Aus dem Dänischen
von Peter Urban-Halle.
Carl Hanser Verlag,
München 2015.
398 Seiten, 21,90 Euro. E-Book 16,99 Euro.
Ein Faible für
Weltverschwörung und Geistererscheinungen: der Erzähler Peter Høeg versucht, alle Geheimnisse der Welt offenzulegen. In seinem neuen Roman hilft ihm dabei
der „Susan-Effekt“.
Foto: Isolde Ohlbaum
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
In seinem neuen Roman „Der Susan-Effekt“ würzt der dänische Autor Peter Høeg
seine Erfolgsmischung aus Geisterseherei, Ökothriller und Frauenlob mit einer leichten Prise Ironie
VON KRISTINA MAIDT-ZINKE
Nach dem Sensationserfolg von „Fräulein Smillas Gespür für Schnee“ vor einem knappen Vierteljahrhundert sah es fast so aus, als könne Peter Høeg ein neuer Hans Christian Andersen werden – ein literarischer Weltstar aus dem kleinen Dänemark, international gefeiert und in seiner Heimat hoch geehrt. Aber es kam anders. Von den vier Romanen, die der 1957 geborene Autor seither veröffentlicht hat, wurde keiner mehr so begeistert aufgenommen wie die punktgenau auf den damaligen Zeitgeist hingeschriebene Geschichte von Fräulein Smilla. Vor allem die dänische Literaturkritik reagierte von Mal zu Mal missmutiger, weil sie von Høeg, dessen Stärke im Erfinden leicht überdrehter Thriller-Plots mit New-Age-Anmutung liegt, offenbar noch immer so etwas wie Hochliteratur erwartet.
Wer sich mit spannender Unterhaltung zufrieden gibt und sich weder an krassen Tötungsarten noch am sanften Hang zur Esoterik stört, ist mit dem neuen Titel „Der Susan-Effekt“ bestens bedient. Punkte sammeln kann Peter Høeg nach wie vor bei Feministinnen und Fans von Gender-Theorien: Wieder steht eine starke Frauenfigur im Mittelpunkt, und dass der Erzähler hier die weibliche Ich-Perspektive einnimmt, hat manche Rezensenten gar zu der Spekulation verführt, Høeg sehne sich insgeheim danach, eine Frau zu sein.
Wenn dem so ist, dann muss er sich vor einigen Jahren nach seiner Jugend zurückgesehnt haben, denn sein bei uns 2010 erschienenes Werk „Die Kinder der Elefantenhüter“ erzählte er aus der Sicht eines vierzehnjährigen Jungen namens Peter. Zwischen dem aktuellen Roman und jenem Vorgänger gibt es so augenfällige Ähnlichkeiten , dass man meinen könnte, der Verfasser habe das, was dort auf eine eher jugendliche oder jedenfalls märchenaffine Leserschaft zielte, hier noch einmal für Erwachsene aufbereiten wollen.
Wieder haben wir es mit einer exzentrischen Dänenfamilie zu tun, die sich plötzlich genötigt sieht, die Welt vor finsteren Verschwörern zu retten. Die älteren Geschwister des Knaben Peter hießen Hans und Tilte, hier ist es ein sechzehnjähriges Zwillingspaar namens Harald und Thit, das sich in gefahrvollen Action-Szenen behaupten muss. Wieder geht es um übernatürliche Fähigkeiten, die der Heldenfamilie immer wieder einen Vorsprung sichern: Der „Susan-Effekt“ meint die geheimnisvolle Gabe der Zwillingsmutter und Ich-Erzählerin, bei jedem ihrer Gesprächspartner absolute Aufrichtigkeit und Geständnisbereitschaft hervorzurufen und dadurch mühelos hinter alle Geheimnisse zu kommen.
In der Hauptfigur vermischen sich Züge der resoluten, technikbegeisterten Pfarrersgattin aus dem vorigen Roman mit Fräulein Smillas wissenschaftlicher Qualifikation, und alles ist ins Geniale gesteigert. Die Experimentalphysikerin Susan Svendsen ist ein veritables Superweib, eine Intelligenzbestie mit Sex-Appeal und Muskelkraft, die aus jeder Lage einen Ausweg findet und ihn sich notfalls mit Stemmeisen und Brechstange verschafft.
Daneben agiert sie als perfekte Hausfrau, brät Lammfilets genau fünfundzwanzigeinhalb Sekunden auf jeder Seite und berücksichtigt beim Backen von Croissants physikalische Gesetze. Obendrein verspürt sie immer dann, wenn sie ihren Kindern eine Mahlzeit zubereitet, eine „leichte Kontraktion der Gebärmutter“, ein gewissermaßen „vorgeschichtliches Gefühl“, was die Ahnung bestätigt, dass Peter Høeg sein Überfrauen-Bild ironisch eingefärbt hat.
Und Susan hat auch ihre Nachtseiten: In jungen Jahren durch Heimaufenthalt und Vergewaltigung traumatisiert, wirkt sie emotional etwas behindert, und es fehlen ihr die Antennen für alles, was jenseits der naturwissenschaftlichen Ratio liegt. Für das Künstlerische, für die kreativ-intuitiven Aspekte des Daseins ist ihr Gatte Laban zuständig, ein renommierter Komponist, der zudem über die bei Høeg unumgängliche spirituelle Ader verfügt. Der Gegensatz, der ihre wechselseitige Anziehung bedingt, schafft zugleich starke Spannungen, sodass die strahlende Familien-Idylle aus dem „Elefantenhüter“-Roman hier jedenfalls nicht recycelt wird. Der Anfang der Geschichte zeigt die Svendsens in dem Chaos, das sie sich während einer Indienreise eingebrockt haben: Die Mutter ist des versuchten Totschlags an einem Liebhaber angeklagt, der Vater hat nach der Entführung einer Maharadschatochter die indische Mafia auf den Fersen, der Sohn wurde wegen Antiquitätenschmuggels verhaftet, und die Tochter ist mit einem Tempelpriester durchgebrannt.
Gegen den offensichtlichen Unernst dieser Situation setzt Peter Høeg sein ernstes Anliegen, die Dramatik der Weltlage. Und verbindet beides durch einen brisanten Deal: Ein hochrangiger dänischer Staatsbeamter verspricht, die Familie aus der Klemme zu retten, wenn sie ihm das geheime Protokoll einer in den 1970er-Jahren installierten „Zukunftskommission“ verschafft, die den ökologischen Kollaps des Planeten mehr oder weniger exakt prognostiziert hat. Wieder in der Heimat und auf freiem Fuß, lassen sich die Svendsens auf eine gefährliche Jagd ein: Die Mitglieder des Forschergremiums, denen Susan die Informationen entlocken soll, werden unverhofft auf grausame Art beseitigt, skrupellose Verfolger trachten auch der Heldin nach dem Leben, und hinter allem steht ein konspiratives Geflecht von Machtinteressen, das – wie im Vorgängerroman der geplante Terroranschlag auf einen friedenstiftenden Kongress der Weltreligionen – zwar abenteuerlich konstruiert, aber nicht unbedingt realitätsfern ist.
Aus Susans leicht zynischen Reflexionen könnte man schließen, warum es Høeg noch immer Vergnügen bereitet, sich wilde und drastische Geschichten auszudenken und sich dem literarischen Erwachsenwerden zu verweigern: „In der dänischen Gesellschaft steht der Mainstream über allem. Wer ihm folgt und tut, was alle andern tun, bekommt Oberwasser und Antrieb und Rückenwind. Man muss bloß seine Ausbildung beenden, bis man dreißig ist, sich einen Mann und ein paar Kinder und eine Villa sichern, bis man vierzig ist, seinen Alkoholverbrauch einteilen, die zwischenzeitlichen Krisen überleben, Standhaftigkeit beweisen und bereit sein, wenn die Kinder aus dem Haus sind, zum letzten langen Endspurt im dänischen Wettlauf anzusetzen, der da heißt: Wer am meisten hat, wenn er stirbt, hat gewonnen.“
Susan bekennt, sie habe ihr Leben lang verzweifelt daran gearbeitet, sich in der Mitte des Stroms zu halten. Dem Autor scheint das nicht zu gefallen; er schickt ihr am Ende einen wesentlich jüngeren Liebhaber auf den Hals, der sie aus dem Konzept bringt. Die Selbstbeschreibung aber, mit der sie versucht, den hartnäckigen Verehrer abzuwehren, dürfte bei Høegs Leserinnen nicht so gut ankommen: „Lars, ich bin dreiundvierzig. Ich habe zwei Kinder gestillt. Meine Brüste hängen wie nasse Kaffeefilter. Die grauen Haare wachsen zu Tausenden. Du bist auf dem Weg ins Leben, ich bin auf dem Weg in die Rente.“
Statt empört zu protestieren, antwortet der junge Mann geradezu gönnerhaft mit einem Shakespeare-Zitat: „Mir, schöner Freund, kannst du nie älter werden . . .“ Nasse Kaffeefilter. Wenn das, aus der Feder eines Mannes, mal kein Sexismus ist! Høeg, der vermeintliche Frauenfreund, bleibt ein Enfant terrible. Nimmt man ihn nicht zu ernst, kann man mit ihm und seinem „Susan-Effekt“ viel Spaß haben.
Peter Høeg:
Der Susan-Effekt. Roman. Aus dem Dänischen
von Peter Urban-Halle.
Carl Hanser Verlag,
München 2015.
398 Seiten, 21,90 Euro. E-Book 16,99 Euro.
Ein Faible für
Weltverschwörung und Geistererscheinungen: der Erzähler Peter Høeg versucht, alle Geheimnisse der Welt offenzulegen. In seinem neuen Roman hilft ihm dabei
der „Susan-Effekt“.
Foto: Isolde Ohlbaum
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"Fesselnd und herrlich originell." Freundin, 18/2015
"Susan ist eine faszinierende Frau, die mit Brecheisen, Akkuschrauber und hohem IQ ihren Gegnern überaus gefährlich werden kann." Meike Schnitzler, Brigitte, 12.08.15
"Ich würde mit dem Susan Effekt auch noch etwas anderes beschreiben: dass man nämlich beim Lesen ziemlich schnell in den Bann dieser Frau getät." Maren Keller, Spiegel Online, 24.08.15
"... so lustig, virtuos und ideenreich, dass einem wenig Unterhaltsameres in diesem Literaturherbst passieren kann als dieser Roman." Denis Scheck, Der Tagesspiegel, 09.08.15
"Der Plot ist komplex und actiongetrieben. ... Susan ist ein faszinierende Frau, die mit Brecheisen, Akkuschrauber und hohem IQ ihren Gegnern überaus gefährlich werden kann - was ihr gewiss eine Menge Fans unter Hoegs Lesern einbringen wird." Meike Schnitzler, Brigitte, 05.08.15
"Ein Höllenspaß!" Emotion, 08/15
" ... rasant geschrieben und wuchtig komponiert. Großartiger Lesestoff. Peter Hoeg umspinnt seine Leser wieder wie in einem dichten Kokon. Man lebt während der Lektüre intensiv im System dieses Romans und das wirkt noch lange nach." Annemarie Stoltenberg, NDR Lesezeit, 28.07.15
"Eine atemberaubende Geschichte." Ulf Heise, MDR Figaro, 28.07.15
"Der Susan-Effekt ist ein erzählerischer Kniff und mehr als das, er rührt an Grundsätzliches." Aldo Keel, Neue Zürcher Zeitung, 25.07.15
"'Der Susan-Effekt' ist ein Buch, das man nicht mehr aus der Hand legt. Die Handlung fesselt, Høegs trockener Witz interpunktiert die Spannung und seine Verzögerungstechnik ist hohe Kunst." Ingeborg Harms, Die Zeit, 23.07.15
"Susan ist eine faszinierende Frau, die mit Brecheisen, Akkuschrauber und hohem IQ ihren Gegnern überaus gefährlich werden kann." Meike Schnitzler, Brigitte, 12.08.15
"Ich würde mit dem Susan Effekt auch noch etwas anderes beschreiben: dass man nämlich beim Lesen ziemlich schnell in den Bann dieser Frau getät." Maren Keller, Spiegel Online, 24.08.15
"... so lustig, virtuos und ideenreich, dass einem wenig Unterhaltsameres in diesem Literaturherbst passieren kann als dieser Roman." Denis Scheck, Der Tagesspiegel, 09.08.15
"Der Plot ist komplex und actiongetrieben. ... Susan ist ein faszinierende Frau, die mit Brecheisen, Akkuschrauber und hohem IQ ihren Gegnern überaus gefährlich werden kann - was ihr gewiss eine Menge Fans unter Hoegs Lesern einbringen wird." Meike Schnitzler, Brigitte, 05.08.15
"Ein Höllenspaß!" Emotion, 08/15
" ... rasant geschrieben und wuchtig komponiert. Großartiger Lesestoff. Peter Hoeg umspinnt seine Leser wieder wie in einem dichten Kokon. Man lebt während der Lektüre intensiv im System dieses Romans und das wirkt noch lange nach." Annemarie Stoltenberg, NDR Lesezeit, 28.07.15
"Eine atemberaubende Geschichte." Ulf Heise, MDR Figaro, 28.07.15
"Der Susan-Effekt ist ein erzählerischer Kniff und mehr als das, er rührt an Grundsätzliches." Aldo Keel, Neue Zürcher Zeitung, 25.07.15
"'Der Susan-Effekt' ist ein Buch, das man nicht mehr aus der Hand legt. Die Handlung fesselt, Høegs trockener Witz interpunktiert die Spannung und seine Verzögerungstechnik ist hohe Kunst." Ingeborg Harms, Die Zeit, 23.07.15