Die Frau mit den zwei Gesichtern
„Sie müssen mich besuchen … Es geht um damals. Um Harry Ferris.“ (S. 8) Vor 14 Jahren hat Detective Inspector Matthew Lockyer bei einem seiner ersten Fälle die junge Haushälterin Hedy Lambert des Mordes überführt. Jetzt will sie, dass er den Fall neu aufrollt,
denn das angebliche Mordopfer ist wieder aufgetaucht.
Der Tote wurde damals lange für Harry Ferris…mehrDie Frau mit den zwei Gesichtern
„Sie müssen mich besuchen … Es geht um damals. Um Harry Ferris.“ (S. 8) Vor 14 Jahren hat Detective Inspector Matthew Lockyer bei einem seiner ersten Fälle die junge Haushälterin Hedy Lambert des Mordes überführt. Jetzt will sie, dass er den Fall neu aufrollt, denn das angebliche Mordopfer ist wieder aufgetaucht.
Der Tote wurde damals lange für Harry Ferris gehalten, den vor Jahren verschwundenen Sohn ihres Arbeitgebers, Professor Ferris. Erst ein DNA-Test ergab, dass es sich dabei um einen Pavee handelte, der Harry ähnlich sah. Jetzt ist Harry wieder da – und damit auch Lockyers Selbstzweifel, ob er wirklich die Richtige hinter Gitter gebracht hat, auch wenn alle Indizien für Hedy sprachen ...
Zusammen mit seiner jungen Kollegin Gemma Broad nimmt er sich die alten Akten vor. Sie befragen alle, die in den Fall involviert waren, und laufen gegen eine Mauer des Schweigens. „Früher oder später müssen Sie sich ja doch damit abfinden, dass alle Ihre Nachforschungen nichts ergeben, weil es nichts zu finden gibt.“ (S. 355) Der Professor liegt seit Jahren im Sterben, seine näheren Verwandten wollen von nichts wissen und sein Butler wacht eifersüchtig über ihn und seine Besucher. Erst Harrys altes Kindermädchen bringt sie auf eine neue Spur. Was wäre, wenn doch Harry und nicht der Pavee ermordet werden sollte?
„Ich war… ein Niemand! Ich war ein Nichts! Ich war nur eine Haushälterin, die dort gearbeitet hat …“ (S. 125) Hedy war bei ihrer Verhaftung eine blasse, unscheinbare junge Frau, die sich vor ihrer Umwelt zu verstecken schien und auf ihrer Unschuld beharrte. Daran haben die vielen Jahre in Haft nichts geändert. Sie ist seltsam emotionslos, wenn es nicht gerade um den Mord geht.
Lockyer hat in seiner Jugend einen schlimmen Verlust erlitten, an dem er sich die Schuld gibt über den er nicht hinwegkommen. Er ist voller Selbstzweifel und hat Schlafstörungen, streift nachts durch die düstere Landschaft. Außerdem hat er sich ein altes, extrem renovierungsbedürftiges Häuschen gekauft und wohnt unter einem undichten Dach zwischen zerfetzten Tapeten – ich wäre da längst schreiend rausgerannt.
Ich bin ehrlich, ich habe mich mit dem Buch zu Beginn etwas schwer getan. Alles wirkt alles grau und trostlos, der alte Fall, das Anwesen des Professors, die Menschen, die Umgebung.
Außerdem braucht die Handlung, bis sie endlich Fahrt aufnimmt, aber dann wird es extrem spannend. Plötzlich gibt es mehrere Verdächtige und Motive, und immer sind sich Lockyer und Broad (und ich) sicher, dass der- bzw. diejenige es jetzt aber wirklich war – und liegen wieder falsch. Dazu kommen Lockyers Gefühle für Hedy. Sie fühlten sich damals einander nahe, sind bzw. waren in ihrer Verletzlichkeit und Einsamkeit verwandte Seelen.
„Der Tote von Wiltshire“ war mein erstes, aber garantiert nicht letztes Buch von Katherine Webb. Die düstere Stimmung und der leicht abgehalfterte Lockyer passten gut zusammen und gefielen mir sehr, und die Auflösung ist ein echter Hammer. Außerdem macht das leicht gruselige Ende neugierig auf die Fortsetzung.