Der 68er-Grundton von Provokation und Respektlosigkeit wirkte auch über die Mauer hinweg. Aus Prag wehte zudem ein belebender Frühlingshauch. Die Führung der Tschechoslowakei hatte den »Sozialismus mit menschlichem Antlitz« proklamiert, der bei vielen Jugendlichen in der DDR begeistert aufgenommen wurde. Doch am 21. August starben die Reformhoffnungen unter sowjetischen Panzerketten. Es kam zu wild aufwallender Empörung in Teilen der Bevölkerung und Strafaktionen der Ost-Berliner Staatsmacht. Eine Zeit der Stagnation begann. Mit der Präzision des gelernten Historikers und dem individuellen Erinnerungsvermögen des wachen Zeitgenossen liefert Stefan Wolle ein beeindruckendes Gesellschaftspanorama, das verständlich macht, wieso es - anders als im Westen - nicht zu einer wirklichen Revolte und zu einem Generationswechsel in der DDR kam.