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Clemens J. Setz erzählt über das Absurde und Groteske des menschlichen Zusammenlebens. Das ganz und gar Unerwartete bricht in das Leben seiner Figuren ein. Ihr Schöpfer erzählt davon einfühlsam, fast zärtlich. Durch Falltüren gestattet er uns Blicke auf rätselhafte Erscheinungen und in geheimnisvolle Abgründe des Alltags, man stößt auf Wiedergänger und auf Sätze, die einen mit der Zunge schnalzen lassen. Der Trost runder Dinge ist ein Buch voller Irrlichter und doppelter Böden – radikal erzählt und aufregend bis ins Detail.

Produktbeschreibung
Clemens J. Setz erzählt über das Absurde und Groteske des menschlichen Zusammenlebens. Das ganz und gar Unerwartete bricht in das Leben seiner Figuren ein. Ihr Schöpfer erzählt davon einfühlsam, fast zärtlich. Durch Falltüren gestattet er uns Blicke auf rätselhafte Erscheinungen und in geheimnisvolle Abgründe des Alltags, man stößt auf Wiedergänger und auf Sätze, die einen mit der Zunge schnalzen lassen. Der Trost runder Dinge ist ein Buch voller Irrlichter und doppelter Böden – radikal erzählt und aufregend bis ins Detail.


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Autorenporträt
Clemens J. Setz wurde 1982 in Graz geboren, wo er Mathematik sowie Germanistik studierte und heute als Übersetzer und freier Schriftsteller lebt. 2011 wurde er für seinen Erzählband Die Liebe zur Zeit des Mahlstädter Kindes mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet. Sein Roman Indigo stand auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises 2012 und wurde mit dem Literaturpreis des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft 2013 ausgezeichnet. 2014 erschien sein erster Gedichtband Die Vogelstraußtrompete. Für seinen Roman Die Stunde zwischen Frau und Gitarre erhielt Setz den Wilhelm Raabe-Literaturpreis 2015. 2019 erhielt Clemens J. Setz für sein literarisches Schaffen den Berliner Literaturpreis.
Rezensionen
»Es gibt Momente, da fürchtet man, die Gegenwartsliteratur könnte in Zukunft zu einem einzigen großen Müllhaufen emporwachsen. Wenn man dann Trost sucht, dann bei Clemens J. Setz, dem futuristischen Sprachclown.« DIE WELT 20190729

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.03.2019

Im Sternbild der Geworfenheit

Clemens J. Setz, der verspielte Exzentriker unter den Schauerromantikern, legt einen Band mit starken neuen Erzählungen vor: Sie handeln von Bewusstseinsverwirrung, Einsamkeit und Trost.

Wenn einem auf den ersten Seiten ein schlecht synchronisierter Specht begegnet - die Kopfbewegungen passen nicht zum Hämmer-Sound -, dann befindet man sich mit einiger Wahrscheinlichkeit im narrativen Kosmos von Clemens J. Setz. Kleine verunsichernde Verschiebungen sind die Regel in diesem, pardon, Setzkasten für blankpolierte Faktoten. Sogar die beiden Grundstimmungen, eine naiv-schöpferische und eine mild-suizidale, verhalten sich zueinander wie übermütig gewordene Spiegelbilder. Dazwischen, gleichsam als Zerrspiegel, findet sich oft der Erzähler (a.k.a. Autor) selbst, der seine Avatare immer wieder gern in die kunstvoll angerichteten Schlamassel hineinmanövriert.

Nicht grundlos steht der mit 36 Jahren immer noch junge Österreicher seit Jahren unter notorischem Genieverdacht, wobei diese sensible Schwerstbegabung mit einer spezifischen Schüchternheit verbunden ist: ein Spieler, der am liebsten gegen sich selbst spielt, weil er dann gewinnen kann, ohne besiegen zu müssen. Setz' Kreativität ist so produktiv, dass darunter mitunter seine Spannungsbögen ächzen. Schon ein "verlorener Wollhandschuh" reißt die Phantasie fort, stürzt uns ins Meer, denn der Handschuh liegt nicht einfach so da, sondern "in der Haltung eines angespülten Seesterns". Zur Allegorie reicht es allerdings selten, weil die Phantasie so fix weitereilt - hier zur Krähe, deren Hüpfen an ein Achselzucken erinnert, zum Gesicht eines alten Mannes, "mitvergilbt mit den Postkarten seines Jahrhunderts", zum Milchflaschenschüttelgeräusch, das "übersetzt" wird als "Jeff is the name is the name is the name". Jeder dieser Vergleiche ist großartig: treffend, originell und witzig. High-End-Metaphern sozusagen. Es sind nur eben sehr viele.

Und kaum ist da ein solches Stocken, fließt der Plot nicht mehr schlank vorüber, sondern verwirbelt sich, bildet Andockpunkte für weiteres bildhaftes Treibholz - "Der Kirchturm hatte so ausgesehen, als wäre ihm das Zifferblatt als Schnuller für die Nacht gegeben worden" -, bis der Erzählfluss zuverlässig über die Ufer tritt. Dahinter steckt jedoch Kalkül, weil so das Phantastische, Groteske und Dunkle elegant mit in den Strom hineinrauschen kann. Das Symbolische und die Synästhesie sind bei Setz Einfallstore für das Über- oder Hypernormale. Da kann dann eine Frau mit ihrem "Or" verreisen, einem Wesen zwischen Troll-Haustier und Kafkas bedrohlich sinnfreiem Odradek, ohne dass es uns verwundert. Wer hier nur eine Schizophrenie-Parabel sieht, nimmt der Erzählung die Seele. Da kann die Diskussion über ein Klassenfoto in ethische Abgründe führen, weil eines der Kinder darauf eine Art Cyborg ist: "doch kein Kind mehr" beharrt ein Vater; inklusionsbedürftig, sagt die Rektorin.

Auch wenn Setz überzeugende Romane vorgelegt hat, ist für ihn die kurze Form ideal. Bei aller avantgardistischen Verspieltheit fokussieren die Geschichten immer wieder gestochen scharf auf emotionale Grundzustände wie Güte, Panik, Vertrauen und Einsamkeit. Sie handeln von Trost, der nicht nur in runden Dingen (wie Auberginen) zu finden ist, sondern auch im umrundenden Abtasten psychischer Verknotungen, die man selbst vornehmen oder (besser!) anderen Händen überlassen kann. Es verwundert nicht, dass sich der Erzähler selbst als kindlichen Pikaro inszeniert - über einen Mann, der sich am Ticketschalter beschwert, heißt es: "er konnte es viel besser als ich. Ein Erwachsener." Es ist die Lizenz zum lapidaren Drunterwegkrabbeln, selbst in poetologischer Hinsicht wie in der Auftakterzählung, in der die Mitwartenden am Flughafen für den Betrachter zu "NPCs, non playable characters" werden: "Ich stellte mir Unaussprechliches mit ihnen vor." Da aber spricht kein bösartiger Demiurg, sondern ein leicht verlorener Nerd, den es kaum erschüttern kann, unbemerkt in ein Paralleluniversum zu gelangen, in dem seine Wohnung als Lazarett in einem ihm unbekannten Krieg dient. Er hatte die Möglichkeit, in einem Traum zu leben, wohl immer schon einberechnet.

Fast alle Erzählungen enthalten überraschende Wendungen und rätselhafte Zuspitzungen, wie es sich für gute Kurzgeschichten gehört. So entdeckt der neue Liebhaber einer blinden Frau, dass ihr Appartement mit touretteartigen Beleidigungen ("HUR KLANE HUR") vollgekritzelt ist, verpasst aber den Moment, mit ihr darüber zu reden. Das macht ihn zum Komplizen des anonymen Verfassers: eine ererbte Schuld sozusagen. Einen alleinerziehenden Vater mit Angstattacken wiederum erfüllt es mit verständlicher und doch bedrückender Befriedigung, als einer seiner Söhne von einer Panikattacke heimgesucht wird. Aber dann unterminiert der Zweifel auch diese Entwicklung, weil der Sohn die Attacke und ihre Abwehr nach einem Online-Ratschlag bloß vorgespielt haben könnte. Ein Fake. Damit droht die Überhitzung dieses familiären Systems, denn die letzte Verbindung ist gekappt.

Wiederkehrende Situationen (Phobien, Rührung, Drang) und eine sich vertikal durch das Erzählte bewegende Katze (das Schrödinger-Paradox spukt im Hinterkopf herum) verbinden die Geschichten zu einer größeren Einheit. Sie handeln von den Verschlingungen des schreckhaften Bewusstseins, das seine eigenen Einfälle nicht mehr vergessen kann, zumal die schauerlichen - ganz so, wie jener Erzähler, der im vielleicht stärksten Beitrag des Buches den Tag verflucht, an dem er auf die Spur eines mental merkwürdigen Malers namens Conradi stieß. Dadurch nämlich habe er Kenntnis eines "entsetzlichen" Sternbilds erlangt, das fortan als Vorschein des Untergangs sein Leben bestimmte. Zugleich haben wir hier natürlich ein fulminantes Bild für die Kraft und den Fluch der Phantasie.

Und doch sind es nicht unbedingt die metafiktionalen Reflexionen und exzentrischen Einfälle, die den Wert des Buchs ausmachen. Die größte Faszination geht vielmehr von den anrührenden Figuren aus. Es sind Vertreter einer Normalität ohne feste Norm, im Denken und Wahrnehmen entsynchronisiert gewissermaßen und damit zugleich frei und verwundbar. Jener Junge, der durch eine aus Neugier im Nachtclub hinterlassene Telefonnummer mit der Banalität des Begehrens konfrontiert wird, jener traurige Voyeur, der eine dunkle Invasion herbeisehnt, weil er mit den Mitmenschen nicht kommunizieren kann, oder jene Frau, die eine abstrus verdrehte, Callboys einschließende Methode entwickelt hat, um für Sekunden in ihrem Selbstbetrug, der komatöse Sohn nehme noch am Leben teil, bestätigt zu werden - solche ergreifend mit der Ins-Dasein-Geworfenheit des Menschen ringenden, tief glaubhaften Charaktere wird man so schnell nicht vergessen.

OLIVER JUNGEN

Clemens J. Setz: "Der Trost runder Dinge". Erzählungen.

Suhrkamp Verlag, Berlin 2019. 318 S., geb., 24,- [Euro].

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